Sich stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen
Schweiz

Stumm wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird

Zürich, 4.8.17 (kath.ch) «Stumm wie ein Lamm bleiben, das zur Schlachtbank geführt wird» – Das will doch niemand. Oder doch? Was es mit diesem Vers aus dem Buch von Jesaia im Alten Testament auf sich hat, darüber schreibt Francesca Trento in der Kolumne der Sommerserie «tierisch-heilig».

Bei dem Satz «sich stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen» wird mir etwas mulmig zumute. – Nein, eigentlich, wird mir schlecht. Ja, ich bin bekennende Vegetarierin. Aber nein, nicht deshalb wird mir schlecht. Weder verpöne ich Fleischesser, noch mag ich sie besonders. Es ist einer jeden Frau und eines jeden Mannes eigene Entscheidung. Mir ist es also egal. Oder muss es egal sein.

Doch dieses «egal» ist eben das Problem. Es ist uns zu oft und zu viel egal. Ob nun das Lamm ein tolles Leben hatte, mit grünen Wiesen und viel Sonne, oder ob es das Tageslicht durch ein Guckloch erhaschen musste. Schlussendlich wird es auf die Schlachtbank geführt. Unfreiwillig. «Alles wird gut, dir passiert schon nichts. Bleib ruhig», wird es vielleicht noch angelogen. Und dann: Angst durchflutet es, es spürt, dass es sterben wird. Sterben muss.

Auch Jesus musste sterben. Auch er hatte Angst, so grosse Angst, dass er Blut schwitzte. Er tat es trotzdem: «Als er gemartert ward, litt er doch willig und tat seinen Mund nicht auf wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird», wie im Alten Testament der Prophet Jesaja über den «Gottesknecht» schrieb (Jes 53,7). Jesus wurde zum Kreuz geführt – was dasselbe ist wie die Schlachtbank. Dass er dies freiwillig, nur unseretwillen tat, um uns von unserer (!) Sünde zu erlösen, kratzt an meinem Gewissen. Denn uns Menschen war es egal. Wir erhoben nicht unsere Stimme für ihn. Wir setzten uns nicht für ihn ein. Wir blieben stumm.

Ob nun freiwillig oder nicht: Das Problem ist dieses Egalsein. Dieses Wegschauen. Dieses Stummsein, dieses Sich-nicht-Wehren weder für andere noch für sich selbst. Dieses Seinen-Mund-nicht-Auftun.

Ich plädiere für mehr Stimme. Für weniger Egalsein. Für weniger «stumm sein» wie – oder wenn – ein Lamm zur Schlachtbank geführt wird. Denn im Gegensatz zum Lamm sind wir nicht mundtot. Und wenn wir es doch bleiben, ja, dann wird mir schlecht.

Sich stumm wie ein Lamm zur Schlachtbank führen lassen | © Karikatur Natalie Fritz
4. August 2017 | 11:27
Lesezeit: ca. 1 Min.
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