Daniela Gallati-Landolt, Kirchgemeindepräsidentin Näfels GL
Schweiz

Streit in Näfels: «Was hier passiert, ist Rufmord»

Daniela Gallati ist Kirchgemeindepräsidentin in Näfels GL. Sie widerspricht dem Priester Kurt Vogt, der Näfels im Streit verlassen hat, und sagt: «Ich verstehe das ganze Chaos nicht, da ich im Juni ohnehin aufhören werde.»

Raphael Rauch

Was ist aus Ihrer Sicht in Näfels schiefgelaufen?

Daniela Gallati*: Wir kennen in der Schweiz das duale System. Es gibt Pfarreien und Kirchgemeinden, die zusammenarbeiten. Dabei sind aber klare Spielregeln einzuhalten. Als Körperschaft können wir uns nicht einfach über Gesetze hinwegsetzen, auch wenn der kurze Dienstweg manchmal bequemer wäre.

Ein Kruzifix in der Pfarrkirche in Näfels GL.
Ein Kruzifix in der Pfarrkirche in Näfels GL.

Was genau ist der Kern des Konflikts?

Gallati: Das würde ich auch gerne wissen. In der Zeitung steht, dass ich mich in pastorale Belange eingemischt habe. Ich weiss nicht, was damit gemeint ist. Ich habe keine Beerdigungen gehalten, niemanden getauft oder etwas Ähnliches getan. Und wenn ich als Lektorin gewirkt habe, dann als Pfarreimitglied – und nicht als Kirchgemeindepräsidentin.

Kurt Vogt in Schwyz
Kurt Vogt in Schwyz

Der Priester Kurt Vogt wirft Ihnen vor, Sie hätten ihm Arbeitsverträge und Pflichtenhefte der Mitarbeitenden vorenthalten.

Gallati: Das stimmt so nicht. Die Arbeitsverträge sind Sache des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers. Die Kirchgemeinde ist Anstellungsbehörde und Arbeitsverträge sind vertraulich zu behandeln. Ich habe mich extra nochmals juristisch erkundigt. Wenn das die Vorschriften sind, dann müssen wir uns daran halten. Und Kurt Vogt hat sehr wohl die Pflichtenhefte erhalten. Er kam zu mir und hat gesagt, dass sein Vorgänger ihm diese nicht gegeben hat. Also habe ich ihm Duplikate kopiert. Heute würde ich sagen: Ich hätte sie ihm besser unter Zeugen geben sollen.

«Die Abrechnung ist vielleicht veraltet dargestellt, aber korrekt und konform.»

In Näfels ist auch von Intransparenz bei den Finanzen die Rede.

Gallati: Auch das kann ich nicht nachvollziehen. Unser Kirchengutsverwalter ist seit 27 Jahren Verwalter. Er macht die Abrechnung mit einem Treuhandbüro zusammen, allerdings nach alter Schule. Ich habe drei Menschen von der kantonalen Verwaltung gefragt, ob etwas dagegenspricht. Die Antwort war klar: Die Abrechnung ist vielleicht veraltet dargestellt, aber korrekt und konform.

Wie kalt wird es diesen Winter beim Gottesdienst?: Pfarrkirche St. Hilarius in Näfels.
Wie kalt wird es diesen Winter beim Gottesdienst?: Pfarrkirche St. Hilarius in Näfels.

Wie war denn Kurt Vogts Start in Näfels?

Gallati: Während der Vorstellungsphase in Näfels wurden uns Hinweise zugespielt: Wenn Kurt Vogt kommt, werdet ihr Probleme bekommen. Ich hatte deswegen auch umgehend ein Gespräch mit dem damaligen Generalvikar Josef Annen. Er hat versichert: Kurt Vogt wird uns guttun und er würde ihn auch eng begleiten. So konnte ich den Kirchenrat beruhigen. 

Was schätzen Sie an Kurt Vogt?

Gallati: Er ist ein guter Seelsorger, macht tolle Gottesdienste, einen guten Firmunterricht. Allerdings dürfte er für die Eckpfeiler des dualen Systems etwas mehr Wertschätzung entgegenbringen.

«Kurt Vogt schien alles zu langsam zu gehen.»

Wie war Ihre Zusammenarbeit?

Gallati: Ich finde, wir hatten einen guten Start. Ich arbeite nach dem Grundsatz: Schauen, Denken, Handeln. Doch ich habe schnell gemerkt: Kurt Vogt schien alles zu langsam zu gehen. Er ist einer, der sofort loslegen will.

Was ist dagegen einzuwenden?

Gallati: Manche Probleme sind komplexer, als sie aussehen. Zum Beispiel die Einführung des Ausländerstimmrechts. Auch ich finde, dass Katholikinnen und Katholiken ohne Schweizerpass einbezogen werden sollen. Aber dafür gibt es zwei Wege – über die Landsgemeinde oder über eine Revision. Das muss genau geplant und geprüft werden.

Kerzen für den Frieden in der Ukraine in der Pfarrkirche Näfels GL. Unfrieden herrschte in der Kirchgemeinde selbst nach dem Rücktritt des Kirchenrats.
Kerzen für den Frieden in der Ukraine in der Pfarrkirche Näfels GL. Unfrieden herrschte in der Kirchgemeinde selbst nach dem Rücktritt des Kirchenrats.

Kurt Vogt wirft der Kirchgemeinde in Näfels die Haltung vor: «Das haben wir schon immer so gemacht.»

Gallati: Ich nehme an, dass ein Seelsorger das Vier-Ohrenprinzip der Kommunikationspsychologie kennt. Man kann diesen Satz unterschiedlich interpretieren – und zwar auch in die Richtung: Wir haben das bislang nicht infrage gestellt – aber vielleicht sollten wir es nochmals genauer anschauen und uns überlegen, was wir optimieren können. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass wir gute Ideen blockiert haben, die mit nachvollziehbaren Argumenten unterfüttert waren.

«Wir kommunizieren intern vor extern.»

Ihnen wird mangelnde Transparenz in der Kommunikation vorgeworfen.

Gallati: Ich halte mich an den Grundsatz: Wir kommunizieren intern vor extern. Nach jeder Sitzung wird festgehalten, was raus muss.

Wie haben Sie Kurt Vogt auf der Kirchgemeindeversammlung im Herbst 2021 erlebt, als er bekannt gab, Näfels nach kurzer Zeit zu verlassen?

Gallati: Er konnte seinen Kropf leeren, indem er seine Sicht der Dinge schildern konnte. Vielleicht hätte ich aufstehen und ihm widersprechen sollen. Aber ich persönlich wollte nicht unnötig Öl ins Feuer giessen. Von einer Eskalation hätte niemand etwas gehabt und der Kirchenrat weiss ja, wie es wirklich war. Warum unnötig jemanden blossstellen?

Stanislav Weglarzy, Pfarradministrator in Näfels GL
Stanislav Weglarzy, Pfarradministrator in Näfels GL

Wie lief’s mit Kurt Vogts Nachfolger, mit Stanislav Weglarzy?

Gallati: Am Anfang gut. Ich habe ihn offener als Kurt Vogt erlebt. Aber er hat dann immer wieder Andeutungen gemacht: «Ich habe schon wieder ein Beschwerde-Telefonat wegen dir bekommen.» Ich habe dann nachgefragt, was er meint und was mir vorgeworfen wird. Das wollte er mir dann aber nicht sagen und hat sich auf seine Schweigepflicht berufen. Ich finde so ein Verhalten nicht konstruktiv. Entweder man benennt das Problem – oder man schweigt. Gerade als Seelsorger sollte es einem ein Anliegen sein, dass Konflikte angegangen und bereinigt werden können. 

«Ich hätte nicht nochmals antreten sollen.»

Welche Fehler haben Sie gemacht?

Gallati: Der grösste Fehler war, dass ich mich vor vier Jahren dazu habe überreden lassen, noch einmal anzutreten. Eigentlich wollte ich das Ehrenamt in gute Hände weitergeben. Leider lehnten alle Angefragten ab. Wir hatten damals eine wertschätzende, wenn auch nicht immer konfliktfreie Zusammenarbeit. Deswegen habe ich mich nochmals zur Verfügung gestellt. 

Ein Wappen in der Pfarrkirche Näfels GL erinnert an den einstigen St. Galler Fürstabt – und zwar der schwarze Bär auf goldenem Grund.
Ein Wappen in der Pfarrkirche Näfels GL erinnert an den einstigen St. Galler Fürstabt – und zwar der schwarze Bär auf goldenem Grund.

Warum ist die Situation im Januar eskaliert?

Gallati: Am 23. Januar 2022 habe ich eine E-Mail von meinem Vize-Präsidenten erhalten mit einer Einladung zu einer ausserordentlichen Sitzung. Das hat es noch nie gegeben, dass der Vize-Präsident zu einer Sitzung einlädt. Eigentlich darf er das nur, wenn ich als Präsidentin verhindert bin.

Welches waren die Traktanden?

Gallati: Traktanden gab es keine, weshalb eine Beschlussfassung bereits rechtlich nicht möglich war. In der Zeitung stand, mir sei nahegelegt worden, mein Amt niederzulegen. Das ist doch sehr diplomatisch formuliert. Weiter stand in der Zeitung, die vier Kirchenräte würden mich in der weiteren Amtsführung nicht mehr weiter stützen. Das ist doch sehr speziell, weil es bis zu diesem Zeitpunkt keine Konflikte innerhalb des Kirchenrates gab.

Die Bischöfe Joseph Maria Bonnemain und Markus Büchel in Näfels GL.
Die Bischöfe Joseph Maria Bonnemain und Markus Büchel in Näfels GL.

Wie interpretieren Sie diese Aussagen?

Gallati: Der Pfarrer hat offenbar ein Problem mit mir und möchte nicht mehr mit mir zusammenarbeiten. Auch das finde ich eigenartig, weil wir bis zum 22. Januar 2022 ganz normal über verschiedenste, auch heikle Themen kommuniziert haben. Ich verstehe das ganze Chaos nicht, da ich im Juni ohnehin aufhören werde und dies bekannt war. Ich habe eine Aufsichtsbeschwerde eingelegt und Recht bekommen. Die Aufsichtsbehörde hat auch bestätigt, dass die Einberufung der ausserordentlichen Kirchgemeindeversammlung ungültig war.

Stefan Müller ist Präsident der Glarner Landeskirche.
Stefan Müller ist Präsident der Glarner Landeskirche.

Trotzdem soll am morgigen Samstag eine Kirchgemeindeversammlung stattfinden.

Gallati: Ich finde es unglaublich, dass die vier Kirchenräte nun sogar meinen, dass der Ausschuss der Katholischen Landeskirche Kanton Glarus nicht unsere Aufsichtsbehörde sein soll.

«Das stimmt mich sehr traurig und hat die Kollegialität zerstört.»

Haben sich Ihre Kollegen im Kirchenrat gegen Sie verschworen?

Gallati: Das wäre sehr schade, aber die jetzige Situation deutet darauf hin. Das stimmt mich sehr traurig und hat die Kollegialität zerstört. Es verbinden uns lange Jahre der gemeinsamen Arbeit. Ich verstehe nicht, warum wir nicht zu einem Gespräch bereit sind. Ich war immer lösungsorientiert, das wurde mir immer wieder attestiert.

Generalvikar Luis Varandas
Generalvikar Luis Varandas

Was sagt der Dekan, was der Generalvikar?

Gallati: Ich habe den Vize-Dekan gebeten, zu vermitteln. Er hat das abgelehnt, aber angeboten, mich seelsorgerlich zu begleiten. Auch die Ombudsstelle in Zürich war keine Hilfe: Sie hat gar nicht mehr zurückgerufen.

Warum sind Sie nicht mehr als Lektorin tätig?

Gallati: Stanislav Weglarzy hat mir das verboten. Er hat zu mir gesagt: Der Kirchenrat habe mir das Vertrauen entzogen und deswegen solle ich keine Lesungen mehr halten. Für mich aber ist der Lektorendienst eine Frage der Pastoral. Weglarzy vermischt sie mit einem Konflikt in der Kirchgemeinde.

«Überall werde ich auf den Konflikt angesprochen.»

Und jetzt?

Gallati: Ich weiss nicht, wie es weitergeht. Was hier passiert, ist Rufmord. Überall werde ich auf den Konflikt angesprochen: Ich bin sicher nicht perfekt, aber mir zum Vorwurf zu machen, dass ich mich an die Regeln der Körperschaft halte – das geht nicht. Wenn jemand sachliche Kritikpunkte hat, dann stelle ich mich denen gerne. Bislang haben mich aber keine erreicht.

* Daniela Gallati ist seit 2000 Kirchgemeindepräsidentin in Näfels GL. Morgen findet um 19 Uhr in Näfels eine ausserordentliche Versammlung statt. Aus Sicht von Daniela Gallati und der Glarner Landeskirche ist diese Sitzung nicht rechtmässig – aus Sicht der einladenden Kirchenräte hingegen schon.


Daniela Gallati-Landolt, Kirchgemeindepräsidentin Näfels GL | © Raphael Rauch
1. April 2022 | 15:36
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