Nikodemus Schnabel in Jerusalem.
International

Stiftung entschuldigt sich bei Schnabel: «Die Klagemauer ist für alle zugänglich»

Der Abt der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio ist aufgefordert worden, sein Brustkreuz an der Klagemauer zu verbergen. Nun entschuldigen sich verschiedene Stellen für den Vorfall. Das israelische Nachrichtenportal Ynet nannte den Vorfall eine «Peinlichkeit für Israel».

Der Abt der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio, Nikodemus Schnabel, ist am Mittwochmorgen beim Besuch der Klagemauer zum Abdecken seines Brustkreuzes aufgefordert worden. Die zuständige Stiftung für das Erbe der Klagemauer hat sich nun für das Vorgehen entschuldigt: «Die Klagemauer ist für alle zugänglich. Es sei darauf hingewiesen, dass es auf dem Platz an der Klagemauer keine diesbezüglichen Vorschriften gibt», hiess es in einem am Mittwoch veröffentlichen Tweet der Israelischen Botschaft in Deutschland.

Vorauseilender Gehorsam einer Ordnerin

Mit der Bitte, das Kreuz abzudecken, hätte die Ordnerin «Unannehmlichkeiten» vermeiden wollen, «wie es in letzter Zeit in der Altstadt geschehen ist, um sowohl den Besucher als auch die Stätte zu respektieren», hiess es weiter. «Als er dies ablehnte, wurde ihm der Zutritt natürlich nicht verweigert, und die Ordnerin respektierte die Entscheidung und setzte ihren Weg fort.»

Die Klagemauer in Jerusalem.
Die Klagemauer in Jerusalem.

In einem via Twitter verbreiteten Videoclip ist zu hören, wie sich eine Mitarbeiterin der für die jüdische Stätte verantwortliche «Western Wall Heritage Foundation» an Schnabel wendet: Sie respektiere seine Religion, aber das Kreuz sei «wirklich gross und unangemessen für diesen Ort». Der Vorfall ereignete sich bei einem Besuch der deutschen Bildungsministerin – der FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger – an der Klagemauer in Jerusalem mit dem Abt der dortigen Dormitio-Abtei.

Viele Übergriffe auf Christen

«Es ist schmerzhaft zu erleben, wie das Klima in dieser wundervollen Stadt sich unter der neuen Regierung immer mehr zum Unguten verändert», schrieb Schnabel nach dem Vorfall auf Twitter. In einem Interview mit dem deutschen Domradio meinte Schnabel, dass er selbst keine Entschuldigung erhalten habe. «Wir haben so viele Übergriffe dieses Jahr im Kleinen und Grossen gehabt. Hinterher wird das dann immer entschuldigt und als Einzelfall weggelächelt. Das ist einfach ermüdend», so der 44-Jährige wörtlich.

Der Abt der Jerusalemer Benediktinerabtei Dormitio warnte zudem davor, dass jüdische Viertel für Christen eine «No-Go-Area» werden könnten, wenn man sich nicht mehr im öffentlichen Raum des jüdischen Viertels als Benediktinerabt bewegen könne.

Hoffen auf ein Machtwort der Regierung

Christen erwarteten sich aktuell «eine Reaktion von allerhöchster Stelle, vom Ministerpräsidenten, von der derzeitige Regierung». Das offizielle Schweigen nannte Schnabel «mehr als auffällig». Und weiter: «Man hat das Gefühl, es gibt ein Phänomen, bei dem man aktiv wegschaut.» Die Übergriffe auf Christen seien eine Form des jüdischen Extremismus, für den die israelische Regierung jedoch blind sei, so der Dormitio-Abt.

Jerusalem
Jerusalem

Zuvor hatte bereits der lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Pierbattista Pizzaballa, im Interview mit der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» von Aggressionen gegen Christen von jüdischer Seite gesprochen. «Neu ist die Häufigkeit, mit der sie geschehen – und die Tatsache, dass sie fast schon ein ‘normales’ Phänomen sind», so Pizzaballa. Neben Beleidigungen würden Christen vor allem bespuckt – auch er selbst sei bereits anspuckt worden, gab der Patriarch an. Ähnlich auch Abt Nikodemus Schnabel der im Domradio-Interview erzählte, dass er es immer wieder erlebe «angespuckt zu werden, verbal angegangen zu werden».

Israelische Nachrichtenseite: «Peinlichkeit für Israel»

Die israelische Nachrichtenseite Ynet sprach nach dem Vorfall an der Westmauer von einer «Peinlichkeit für Israel». Demnach reichten die Deutschen nach dem Vorfall einen offiziellen Protest beim Aussenministerium in Jerusalem ein. Das Auswärtige Amt in Berlin teilte auf Anfrage lediglich mit, es sei wichtig, «dass in Jerusalem Angehörige der drei abrahamitischen Weltreligionen in gegenseitigem Respekt ihren Glauben leben können.»

Christen und Christinnen machen in Israel nur knapp zwei Prozent der rund 9,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger aus. Die Westmauer gilt als wichtigstes Heiligtum von Jüdinnen und Juden weltweit. Sie ist der Überrest eines jüdischen Tempels, der im Jahr 70 von den Römern zerstört wurde. (kap)


Nikodemus Schnabel in Jerusalem. | © KNA
21. Juli 2023 | 16:00
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