Flyer der Jungen EVP gegen Sonntagsverkauf
Schweiz

Statt Arbeit und Konsum: «Ein freier Sonntag beschert uns zeitliche Souveränität»

In der Schweiz gilt ein Verbot der Sonntagsarbeit, von dem verschiedene Unternehmen und Berufsgruppen ausgenommen sind. Nun werden weitere Liberalisierungen dieses Verbots gefordert. Wieviel ist uns der Sonntag noch wert? – über die Frage wurde jüngst in Bern diskutiert. Anne Durrer, Generalsekretärin Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK), war mit von der Partie und berichtet im Interview über Ergebnisse.

Wolfgang Holz

Frau Durrer, müssen Sie ab und zu auch sonntags arbeiten?

Anne Durrer: Ja, aber sehr selten. Etwa 3 bis 4-mal pro Jahr, meistens an offiziellen Anlässen, an denen ich die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen vertrete.

Der Sonntag ist der Tag des Herrn.
Der Sonntag ist der Tag des Herrn.

Viele Menschen müssen heutzutage am Sonntag arbeiten: Busfahrer, Krankenschwestern, Journalisten, Kioskfrauen, Polizisten, und, und, und. Ist es denn heute überhaupt noch realistisch, zu fordern, es dürfe keine Sonntagsarbeit geben?

Durrer: Die Sonntagsallianz – zu welcher die AGCK Schweiz gehört – fördert kein generelles Verbot der Sonntagsarbeit. Die Erwerbsarbeit soll am Sonntag auf berufliche Tätigkeiten beschränkt bleiben, die für die Gesellschaft unerlässlich sind. Konkret heisst das: 2022 mussten etwa 15 Prozent der Berufstätigen regelmässig am Sonntag arbeiten, Tendenz steigend. Wir wollen nicht, dass der Sonntag noch mehr aus oft widersprüchlichen wirtschaftlichen Interessen zu einem normalen Wochentag wird.

Familienzeit am Sonntag
Familienzeit am Sonntag

Will heissen?

Durrer: Der Sonntag soll der Tag in der Woche bleiben, an dem Menschen nicht produktiv oder rentabel sein müssen. Der Tag soll fürs Familienleben, für die Erholung, für den Freundeskreis reserviert bleiben. Es ist ein Tag, an dem die Menschen über ihre Zeit selbst verfügen können. Wir schätzen den Sonntag als kulturell verankertes Recht auf Nicht-Erreichbarkeit. Gerade in einer immer flexibleren und grenzenloseren Welt beschert uns der Sonntag zeitliche Souveränität.

Das hört sich schön an. In Bern hat vor kurzem eine Podiumsdiskussion stattgefunden zum Thema: Wieviel ist uns der Sonntag noch wert? Können Sie in wenigen Sätzen sagen, welche die Hauptbotschaften waren?

Durrer: Vielleicht kann man nicht von Hauptbotschaften, aber von Erkenntnissen sprechen – auch dank Betroffener, die oft sonntags arbeiten.

Anne Durrer, Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK)
Anne Durrer, Generalsekretärin der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Schweiz (AGCK)

Es zeigt sich, wie unregelmässige Arbeitszeiten sich auf die Gesundheit auswirken, wie sie das Familienleben massiv erschweren und Stress in allen Lebensbereichen bedeuten. Diese Belastungen treffen oft Menschen im Tieflohnsektor. Wir fragten uns deshalb, ob unsere Gesellschaft wirklich nur Sinn im unbegrenzten «Shoppen» findet, wohl wissend, dass das Portemonnaie der Leute nicht dicker wird, wenn die Läden auch am Sonntag offen haben.

Und was ist mit den Betrieben, profitieren die nicht von der zusätzlichen Sonntagsarbeit?

Durrer: Viele kleine Betriebe profitieren kaum von der Verlängerung der Arbeitszeiten. Es stellt sich deshalb die Frage, wer davon überhaupt profitiert. Der Fachkräftemangel war auch ein Thema bei der Podiumsdiskussion. Denn längere Öffnungszeiten ohne zusätzliches Personal stellt ebenfalls eine grosse Belastung für die bestehenden Angestellten und Stress dar, weil sie kurzfristig Einsätze leisten müssen.

Das Parlament in Bern
Das Parlament in Bern

Was kann die Gesellschaft also tun, um die Sonntagsarbeit einigermassen zu limitieren?

Durrer: Es gibt zunehmend Angriffe durch das Parlament, auf nationaler Ebene und in den Kantonen auf den arbeitsfreien Sonntag. Es gibt immer wieder Abstimmungen, die den Sonntagarbeit betreffen. Das ist eine Möglichkeit, die wir als Schweizerinnen und Schweizer nutzen können, um Einfluss zu üben. Auch scheint es uns wichtig, dass Vereine und zivilgesellschaftlichen Akteure sinnstiftende Angebote offerieren: Sport, Kultur, Treffpunkte für einsame Menschen.

*Das Interview wurde schriftlich geführt.


Flyer der Jungen EVP gegen Sonntagsverkauf | © zVg
3. Dezember 2023 | 15:52
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