Der siebenköpfige Jugendrat des Bistums Chur
Schweiz

Spaghetti-Plausch nach der Messe: Junge Leute diskutieren über ihre Wunsch-Kirche

Im OMG in Zürich haben sich rund 40 junge Frauen und Männer über ihre Wünsche an die Kirche ausgetauscht. Mehr kirchliche Gemeinschaft unter ihresgleichen, war der Tenor. Bischof Joseph Maria Bonnemain zeigte sich überzeugt: «Das wird eine Erfolgsgeschichte.»

Regula Pfeifer

Mal andere gläubige Jugendliche treffen: Das wünschen sich einige der rund 40 Teilnehmenden des Netzwerktreffens des Jugendrats am Sonntagnachmittag. Denn die jungen Menschen finden kaum Gleichaltrige in ihrer Pfarrei.

«Oh my God»

Das schwingt oft mit an diesem Nachmittag im OMG, dem Haus mit dem Kürzel für «Oh my God» unweit der Kirche Peter und Paul. Hier sind Katholische Jugendseelsorge Zürich, ein Caritas Secondhand-Laden, Jungwacht Blauring, Pfadi Zürich und das Tanzangebot Roundabout zuhause.

«Die Jungen haben kein Interesse, in den Gottesdienst zu kommen, weil sie da keine Gleichaltrigen antreffen.»

Andreas, Jugendrat

Es sei wie die Frage von Huhn und Ei, «, sagt Andreas, ein Jugendratsmitglied, in die Runde. «Die Jungen haben kein Interesse, in den Gottesdienst zu kommen, weil sie da keine Gleichaltrigen antreffen werden. Und die ältere Generation will kein Geld für Jugendanlässe ausgeben, weil sie annehmen, dass das die jungen Menschen nicht interessiert.»

Zukunftsvisionen einer Gruppe am Netzwerktreffen des Jugendrats des Bistums Chur, Januar 2024
Zukunftsvisionen einer Gruppe am Netzwerktreffen des Jugendrats des Bistums Chur, Januar 2024

Idee: Jugendanlass nach Gottesdienst

Erste Ideen, um dem entgegenzuwirken, kommen an diesem Nachmittag zur Sprache. Nasret von Gossau ZH etwa nimmt ihre Kollegin aus Pfäffikon ZH mehrmals wöchentlich mit an den Gottesdienst. Die jungen Frauen haben eritreische Wurzeln. «Nasret ist mein Kirchenname», erklärt Nasret, in ihrer Kultur erhalte jede Christin und jeder Christ einen biblischen Vornamen – zum zivilen hinzu.

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Ein weiter Input ist: Nach dem Sonntagsgottesdienst In den Pfarreien jeweils einen Jugendanlass zu organisieren. Eine Art Stammtisch, eine Kaffee-Runde oder ein Spaghetti-Essen werden vorgeschlagen. Letzteres gefällt Isabelle aus Attinghausen UR, wie sie gegenüber kath.ch sagt. Sie wollte sowieso mal mit dem Pfarrer reden mit dem Ziel, um etwas für junge Menschen auf die Beine zu stellen. Nun will sie da die Spaghetti-Plausch-Idee einbringen.

Pfarrer im Religionsunterricht

Bei ihnen habe der Pfarrer sich jeweils im Religionsunterricht gezeigt und so eine Beziehung mit ihnen aufgebaut, sagt eine junge Frau. «Wenn er uns jetzt bittet etwas zu tun, machen wir es gern – für ihn, für uns und für Gott.»

Bischof Joseph Maria Bonnemain heizt den jungen Menschen ein.
Bischof Joseph Maria Bonnemain heizt den jungen Menschen ein.

Es ist das erste Netzwerktreffen des Jugendrats. Den zwölfköpfigen Jugendrat des Bistums Chur ins Leben gerufen hat Bischof Joseph Maria Bonnemain. Nach einer ersten Zusammenkunft 2021 in Einsiedeln folgten weitere Treffen unter der Leitung von Viktor Diethelm, etwa ein halbes Dutzend, sagt Mario Stankovich gegenüber kath.ch. Er führt diese Aufgabe nun weiter – mit vermehrtem Fokus aufs Inhaltliche, wie er sagt.

«Junge gehören zur Kirche»

«Der Bischof möchte uns junge Menschen einbinden in die Kirche», sagt Andreas vom Jugendrat, der sich zu Beginn vor die Anwesenden hinstellt.  »Wir sollen Themen einbringen und das Sprachrohr sein für andere Junge, die der Kirche etwas sagen möchten.» Ein Kollege im Jugendrat findet: «Wir Junge gehören zur Kirche.» Er will andere junge Menschen motivieren mitzumachen. «Ich sehe Potential für eine Bewegung», meint er gar.

Gruppendiskussionen
Gruppendiskussionen

Den Nachmittag leiten Mario Stankovich von der Jugendseelsorge Zürich und Eva-Maria Spreitzer. Spreitzer ist selbstständig tätige Soziologin und hat sich auf Transformationsprozesse spezialisiert. Sie schlägt den Anwesenden ein sogenanntes Maniflexo vor. Das sei ein Manifest, das etwas vorschreibe, aber – entsprechend der Endung – auch flexibel und veränderbar bleibe. Dementsprechend könne das Maniflexo mit jedem Treffen weiterwachsen. Darin festgehalten werden sollen laut Spreiter: Wünsche, Gedanken, Prinzipien, Werte, Ideen und Formate.

Vorwärts schauen

Etwas Neues zu denken, sei aber nicht so einfach, betonen Stankovich und Spreitzer. Denn der Mensch orientiere sich eher am Bekannten und Vergangenen. Hier gehe es aber darum, vorwärts zu schauen. «Wir haben da einen grossen Vorteil», betont Stankovic. «Wir haben unseren Glauben.»

Bischof Joseph Maria Bonnemain am Netzwerktreffen
Bischof Joseph Maria Bonnemain am Netzwerktreffen

Die jungen Frauen und Männer werden gebeten, sich mit ihnen unbekannten Teilnehmenden an eine Gruppentisch zu setzen und zu diskutieren über die Frage: Wie möchtest du deinen Glauben leben? «Wir wollen Spiritualität nicht nur im Gottesdienst leben, sondern auch anders, in der Gemeinschaft», sagt eine Frau, unterstützt von ihrer Tisch-Nachbarin.

Mehr Wertschätzung und Dankeszeichen

Andere haben sich zwar Gedanken dazu gemacht. «Doch ich frage mich dabei: Habe ich Zeit dafür?», sagt Flurin. Er befürchte, dass die Sache dann wieder versande. Ähnliches sagen zwei andere Teilnehmende. «Wir müssen die Sache selbst anpacken», motiviert Mario Stankovic. «Wenn wir nicht es nicht machen, wer soll es dann tun?»

Mario Stankovic und Eva-Maria Spreitzer sprechen sich ab.
Mario Stankovic und Eva-Maria Spreitzer sprechen sich ab.

«Und was bleibt von diesem Treffen?», fragt Eva-Maria Spreitzer. Es brauche mehr Wertschätzung und Dankeszeichen unter den Menschen in den Pfarreien, so die eine Antwort. Vertrauen sei wichtig, und es sei schön, dass es hier spürbar gewesen sei, so eine andere. Es brauche ein Gegenüber, um eigene Ideen abzugleichen oder auch persönliche blinde Flecken aufzuspüren, sagen weitere.

«Kirche soll auch Happening sein»

«Wir sind junge Menschen von überall her», sagt Andreas. «Und doch haben wir Ähnlichkeiten.» Er ruft dazu auf, einander intensiver zu begegnen. «Kirche soll auch ein Happening sein.»

Flurin (l.) am Gruppentisch
Flurin (l.) am Gruppentisch

Am Austausch an den Gruppentischen ist auch Bischof Bonnemain beteiligt, ebenso Generalvikar Luis Varandas und dessen Sprecher Thomas Boutellier.

«Ich brauche eine Gruppe junge Menschen, die sich gegenseitig die Wunden verbinden, jeden Tag.»

Bischof Joseph Maria Bonnemain

Nach der Pause erhält Bonnemain das Wort. Er erzählt davon, wie Jesus zu erkennen war. Während alle anderen ihre eigenen Wunden umwickelten, habe als einziger Jesus die Wunden der anderen behandelt. «Ich brauche eine Gruppe junge Menschen, die sich gegenseitig die Wunden verbinden, jeden Tag», schliesst der Bischof. Diese Gruppe sei dann der «Sauerteig» für eine synodalere Kirche. Er hoffe, dass sich weitere Leute dafür meldeten.

Gelächter im Raum

«Oh, eine Verpflichtung», witzelt Mario Stankovich und tut so, als ob er wegrennen wollte. Gelächter im Raum. Er hofft, dass sich am Schluss einige melden, um beim Jugendrat mitzuwirken. So meldet er dann: Es folge bald eine Mailanfrage mit der Frage, ob sie in die Whatsapp-Gruppe aufgenommen möchten, um weitere Informationen zu erhalten.

Isabelle aus Attinghausen UR will den Pfarrer ins Boot holen.
Isabelle aus Attinghausen UR will den Pfarrer ins Boot holen.

«Eure Ideen gehen zurück in den Jugendrat», sagt Spreitzer. Als erste Variante eines Maniflexo. Dieses werde später weiter entwickelt.

«Positiv überrascht»

«Ich gehe weg, höchst motiviert und mit der Überzeugung, dass wir eine Erfolgsgeschichte haben werden», verabschiedet sich Bischof Bonnemain vorzeitig, da eine weitere Sitzung warte.

«Ich hatte keine besonderen Erwartungen und bin jetzt positiv überrascht von diesem Anlass», zieht Isabelle Fazit. «Ich habe gemerkt, es gibt viele andere Jugendliche, die das gleiche Ziel und ebenso Freude an der katholischen Kirche haben.»


Der siebenköpfige Jugendrat des Bistums Chur | © Regula Pfeifer
15. Januar 2024 | 12:01
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