Rosmarie Koller-Schmid
Schweiz

SKF-Präsidentin blickt zurück: Frauen sind das Öl im Getriebe der Kirche

Appenzell, 23.5.16 (kath.ch) Frauen sollen in der Kirche gleichberechtigt mitwirken können. Das sagt die scheidende Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF), Rosmarie Koller-Schmid, im Interview mit kath.ch. Wenn sie dieses Amt noch einmal antreten würde, würde sie die Anliegen des Frauenbundes viel angriffiger bei den Bischöfen einbringen. Sie stellt zudem fest: Frauen verstehen ihren freiwilligen Einsatz oft weniger als politische Arbeit, sondern als Beitrag für Gesellschaft und Gemeinwohl.

Georges Scherrer

Sie wohnen im Kanton Appenzell Innerrhoden. Der Kanton gewährte unter Druck als letzter den Frauen das Stimmrecht. Sie stehen einem grossen nationalen Frauenverband vor. Wie steht der Appenzeller zu dieser selbstständig agierenden Dame?

Rosmarie Koller-Schmid: Die Männer im Appenzell sind relativ offen. Ich denke an meine Anfänge als SKF-Präsidentin zurück. Nach meiner Wahl drückte ein Regierungsrat aus dem Kanton seine Freude öffentlich darüber aus, dass eine Appenzellerin dem Verband vorsteht. Es wird hier geschätzt, wenn Appenzeller Frauen auf schweizerischer Ebene tätig sind.

Kamen die Schweizer Bischöfe nach Ihrer Wahl auch derart dankbar auf Sie zu?

Koller-Schmid: Damals kannten sie mich noch nicht. Ich arbeitete damals im Kantonalverband St. Gallen als Präsidentin und kannte daher den Bischof von St. Gallen sehr gut. Meiner Arbeit wurde grosse Wertschätzung entgegengebracht. Die Zusammenarbeit funktionierte sehr gut.

Kurz: Der SKF ist eine tolle Frauenbande!

Wenn Sie Ihr Wirken als SKF-Präsidentin in vier Bildern fassen, welche wählen Sie aus?

Koller-Schmid: Eine riesige Vielfalt an Mitgliedern. Dann: eine immense Motivation. Es handelt sich um Freiwilligenarbeit. Die Frauen arbeiten interessiert und engagiert mit. Frauen, die mit dem «Ölkäntli»  (Ölkännchen) bereitstehen, damit das Getriebe der Kirche etwas in Schwung kommt. Das ist auch ein Bild, das auftaucht. Ich beobachte zudem sehr viel Freude beim Wirken in der Verbandsarbeit.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Schweizer Bischöfe untereinander das Heu nicht auf der gleichen Bühne haben und darum, was etwa die «Laienpredigt» betrifft, nicht am gleichen Strick ziehen. Tritt der SKF in kirchlich heiklen Fragen geschlossener auf?

Koller-Schmid: Wir sind ein Verband mit 150’000 Mitgliedern. Da ist es ganz klar, dass nicht alle Mitglieder jeweils die gleiche Ansicht vertreten. Die Reichweite deckt die Spanne von sehr liberal bis sehr konservativ ab. Grundsätzlich muss man aber sagen: Wir ziehen am gleichen Strick. Ein Grossteil der Frauen unterstützt uns. Wir stehen im Kontakt mit den Kantonalverbänden und sprechen uns mit diesen ab. Mehr oder weniger fest ziehen wir am gleichen Strick.

In welchen Fällen ziehen sie in verschiedene Richtungen?

Koller-Schmid: Sobald die Politik ins Spiel gerät. Viele Frauen hören das Wort Politik nicht gern. Sie verstehen ihren Beitrag eher für Gesellschaft und Gemeinwohl. In gesellschaftspolitischen Fragen wie aktuell die Präimplantationsdiagnostik (PID) oder Lohngleichheit gehen die Ansichten schon auseinander. Es gibt immer wieder kritische Reaktionen. Es ist aber ein verschwindend kleiner Teil der Mitglieder, der reagiert. Wir Frauen gehen in der Kirche in die gleiche Richtung: Wir wollen, dass Frauen gleichberechtigt sind und ein Mitspracherecht haben.

Etliche Frauen haben über ihre Verbindungen zum SKF den Sprung in die Politik geschafft

Kirchenpolitisch äussert sich der SKF immer wieder pointiert. Erinnert sei an die Beteiligung bei der Allianz «Es reicht!», die sich für eine glaubwürdige und befreiende katholische Kirche einsetzt. Oder an die Volksinitiative aus dem Jahr 2014 «Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache»: Während die Schweizer Bischofskonferenz zur Initiative weder Ja noch Nein sagte, lehnte der SKF das Volksbegehren ab. Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit mit der SBK?

Koller-Schmid: Im Rahmen der Allianz «Es reicht!» haben wir Gespräche mit der Bischofskonferenz gefordert. Diese haben stattgefunden. Mit dem Präsidium der Bischofskonferenz lässt sich gut diskutieren. Sobald aber alle Bischöfe ihr Einverständnis zu einem Diskussionspunkt geben sollen, wird es schwierig. Es gibt Bischöfe, die ganz klar nicht auf der Linie des SKF sind. Oder vielmehr sagen sie, dass wir nicht auf ihrer Linie sind.

Also ein ewiges Seilziehen mit den Bischöfen. Versucht man aufeinander zuzugehen?

Koller-Schmid: Unsere Forderungen sind klar: Wir wollen Mitspracherecht. Denn wir Frauen sind auch Kirche, sogar ein grosser Teil der Kirche. Man darf diese nicht überhören. In der Kirche wird von den Bischöfen sehr viel über die Frauen gesprochen – aber nicht mit ihnen.

Wer leistet heute für die Kirche Schweiz mehr: Die Frauen oder die Männer?

Koller-Schmid: Ich wage nicht, ein Urteil zu bilden. Die Antwort auf diese Frage ist schwierig. Wenn ich schaue, wie viel unsere Frauen – und das sind x-tausend Freiwillige – für die Kirche arbeiten, dann stelle ich ganz einfach fest: Diese Leistung ist unglaublich gross.

Welches ist der kirchliche Verband, mit dem der SKF am liebsten zusammenarbeitet?

Koller-Schmid: Wir haben zu fachkirchlichen Verbänden wie der Katholischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbewegung der Schweiz (KAB), zu Kolping, zu Jungwacht-Blauring Verbindungen. Zu allen haben wir ein sehr gutes Einvernehmen. Ich kann darum nicht einen Verband speziell herausheben. Wir arbeiten auch als ökumenisch eingestellter Verband mit dem Evangelischen Frauenbund (EFS) zusammen und mit weiteren Frauen-Dachverbänden. Mit dem Evangelischen Frauenbund verbindet uns etwas Spezielles im Gegensatz zur Allianz F oder zu den Bäuerinnen und den Gemeinnützigen Frauen.

Wenn ich als SKF-Präsidentin noch einmal anfangen müsste, dann würde ich nicht so sanft einsteigen

Was ist der spezielle Link zum EFS?

Koller-Schmid: Alle Fragen, welche die Kirche betreffen. Der christlich-ethische Hintergrund verbindet uns. Auf dieser Basis können wir uns gemeinsam für die Frauen einsetzen. Im Fall der Präimplantationsdiagnostik zum Beispiel argumentieren wir auf der gleichen Wellenlänge.

Gelingt es dem SKF auch aufgrund der erwähnten Verbindungen politisch Macht auszuüben?

Koller-Schmid: Der SKF ist ein Vernehmlassungspartner des Bundes. Unsere Stimme wird gehört. Darüber sind wir sehr glücklich. Unsere Arbeit wird von der Politik anerkannt. An der kommenden Delegiertenversammlung wird Bundesrätin Doris Leuthard anwesend sein. Wir sind mit vielen Nationalrätinnen eng verbunden. Viele Frauen, die wichtige Posten in der Politik einnehmen, sind Mitglied des SKF. Etliche Frauen haben über ihre Verbindungen zum SKF den Sprung in die Politik geschafft.

Was ist der wesentliche Unterschied in der Zusammenarbeit zwischen in der Kirche engagierten – sei es beruflich oder als Freiwillige – Frauen und Männern an der Basis und in der Hierarchie?

Koller-Schmid: Die Allianz «Es reicht!» zeigt, dass die Zusammenarbeit über die Gender-Grenzen wunderbar auch in der Kirche funktioniert. Je höher man in der kirchlichen Hierarchie steigt, desto rarer werden die Frauen. In der kirchlichen Hierarchie sitzen oben nur Männer und oftmals fragt man sich, ob man von diesen überhaupt gehört wird. Wertschätzung wird uns zum Teil von diesen Verantwortungsträgern entgegengebracht. Es gibt aber auch andere Stimmen.

Was geben Sie als scheidende SKF-Präsidentin den Bischöfen mit?
Koller-Schmid: Hört auf die Frauen und bezieht sie in die Arbeit mit ein! Wenn die Arbeit der Frauen, welche diese heute freiwillig für die Kirche leisten, wegfallen würde, dann wäre es um die Kirche ganz schlimm bestellt. Eine gelungene Wertschätzung würden dann bestehen, wenn die Bischöfe auf die Frauen hören und dieses auch umsetzen würden. Gute Kirche kann nur im Miteinander funktionieren.

Zurzeit pilgern Frauen nach Rom. Wird der Vatikan ein offeneres Ohr als die SBK für die Anliegen der Frauen haben?

Koller-Schmid: Wenn wir diese Hoffnung nicht hätten, würden wir nicht nach Rom pilgern. Wir wissen, dass der Weg, den die Frauen in der Kirche gehen, schwierig ist. Wir sind schon lange dran. Wir geben nicht auf. Wir bleiben dran.

Würden Sie jetzt das Amt der SKF-Präsidentin antreten statt abgeben, worauf würden Sie aufgrund Ihrer Erfahrung hinarbeiten?

Koller-Schmid: Als SKF-Präsidentin bin ich um sehr viele Erfahrungen reicher geworden. Ich würde weitermachen, so wie ich es bisher getan habe. Bei den kirchenpolitischen Fragen muss man dran bleiben. Etwas anderes kommt für uns Frauen gar nicht in Frage. Steter Tropfen höhlt den Stein – oder wie es der Einsiedler Alt-Abt Martin Werlen sagte: Wo immer sich in der Kirche etwas bewegt, sind Frauen am Werk. Wenn ich als SKF-Präsidentin noch einmal anfangen müsste, dann würde ich nicht so sanft einsteigen, wie ich es damals getan habe. Um etwas zu erreichen, muss man konsequent hinstehen.

Wie sieht Ihre Zukunft im SKF aus?

Koller-Schmid: Ich bin im SFK-Ortsverein Appenzell gross geworden, war dort Präsidentin und stieg dann in den Kantonalverband auf. Wenn man so lange SFK-Arbeit leistet, kann man das nicht einfach wegstecken. Dann ist man einfach SKF-Frau – ein Leben lang, auch als Normal-Mitglied.

Welchen Satz geben Sie den SKF-Frauen mit auf ihrem weiteren Weg?

Koller-Schmid: Ich rufe die Frauen auf, für ihre Überzeugungen einzustehen. Frauen dürfen nicht wegschauen. Jene Katholikinnen, die nicht dem SKF angehören, wissen nicht, was ihnen alles entgeht. Das Engagement und die Vielfalt im SKF sind den Einsatz wert. Kurz: Der SKF ist eine tolle Frauenbande!

Rosmarie Koller-Schmid | © 2016 Georges Scherrer
23. Mai 2016 | 15:30
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Rosmarie Koller-Schmid

Rosmarie Koller-Schmid wurde 2009 zur Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) gewählt. Auf die Delegiertenversammlung von Dienstag, 24. Mai, im Verkehrshaus Luzern gibt sie ihr Amt ab. Als Nachfolgerin stellt sich die frühere CVP-Vizepräsidentin Simone Curau-Aepli aus Weinfelden TG zur Wahl. Zur Delegiertenversammlung werden Bundesrätin Doris Leuthard, Bischof Markus Büchel und Weihbischof Denis Theurillat als Gäste erwartet.