Der junge Mohammed - aus dem Film "The Lady of Heaven".
Story der Woche

Skandalfilm über Mohammed: Bislang kein Schweizer Verleih für «The Lady of Heaven»

Ein britischer Film verstösst gegen das islamische Bilderverbot und zeigt Mohammed und seine Tochter Fatima. In England gab es einen grossen Skandal, in manchen Ländern ist der Film verboten. In der Schweiz hat sich bislang kein Abnehmer gefunden.

Sarah Stutte

Der britische Historienfilm «The Lady of Heaven» erzählt die Geschichte von Fatima al-Zahra, Mohammeds Tochter. Sie soll in der saudi-arabischen Stadt Medina vor 1400 Jahren das erste Opfer von Terrorismus geworden sein. So wird es einem Kind aus dem kriegsgebeutelten Irak erzählt, dessen Mutter durch den IS ermordet wurde. 

120’000 Menschen fordern die Absetzung des Films

Doch nicht die blutigen Religionskämpfe lösten zahlreiche Proteste aus. Sondern der Vorwurf, dass der Film eine rein schiitische Perspektive einnehme – und im Verlauf der Handlung Mohammeds Gesicht erkennbar wird. Trotz Lichteffekte und Silhouetten, um alle heiligen Figuren zu verschleiern, ist das für sunnitische Muslime ein Sakrileg.

Während der Produktion des Films "The Lady of Heaven".
Während der Produktion des Films "The Lady of Heaven".

Mehrere islamische Organisationen machten im Internet Stimmung gegen den Film. Mehr als 120’000 Menschen unterstützten eine Petition, mit der sie die Absetzung des Films forderten. Es folgten Demonstrationen vor Kinos. 

Drohungen gegen Mitarbeitende des Filmverleihs

Der Protest zeigte Wirkung: Eine grosse Filmverleih-Kette zog den Streifen aus dem Programm, weil Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Drohungen erhalten hatten. 

Fatima wird nur als Silhouette, verschleiert oder von hinten gezeigt.
Fatima wird nur als Silhouette, verschleiert oder von hinten gezeigt.

In Pakistan, dem Iran, Ägypten und Marokko darf «The Lady of Heaven» nicht gezeigt werden. Angeblich sollen sich Schweizer Verleihfirmen für den Film interessieren, wie die NZZ in einem Artikel schrieb

Bislang kein Interesse von Schweizer Filmverleihern

Eine Umfrage von kath.ch unter den wichtigsten Schweizer Verleihern ergab: Bislang hat niemand angebissen. Offenbar spricht der Film nur ein Nischenpublikum an und dürfte sich an den Kinokassen nicht auszahlen. Die Londoner Produktionsfirma teilt mit, sie stehe mit mehreren Schweizern Verleihern in Verhandlung – unter anderem einem Genfer Verleih. Allerdings sei noch nichts spruchreif.  

Beten in Mekka: Szene aus "The Lady of Heaven".
Beten in Mekka: Szene aus "The Lady of Heaven".

Alles heisse Luft? Vermutlich, sagt SRF-Filmjournalist Michael Sennhauser. Er glaubt nicht daran, dass der Film in die Schweiz kommen wird. 

Im internen Kreis zeigen

«Ich wüsste keinen kommerziellen Schweizer Verleiher, der sich auf einen solchen Film einlassen würde. Die Frage ist, wer sich wirklich dafür interessiert und ob der Skandal den finanziellen Aufwand wert ist», sagt Sennhauser. 

Blutige Kampfszenen in "The Lady of Heaven".
Blutige Kampfszenen in "The Lady of Heaven".

Es gäbe aber durchaus kleinere Verleihfirmen, die sich spezifisch an eine bestimmte Zielgruppe richteten. «Tamilische oder türkische Filme werden von einem Generalimporteur dann im kleinen Kreis gezeigt. Diese Werke werden auch nicht ausserhalb der Klientel beworben, die sich dafür interessieren könnte», sagt Michael Sennhauser.

Potential für einen Filmskandal

Der Historiker und Religionswissenschaftler Martin Bürgin programmiert in Baden AG eine monatliche Reihe zu Skandalfilmen. Diese heisst «Royal Scandal Cinema – Erregung auf Zelluloid». Laut Bürgin liefert «The Lady of Heaven» verschiedene Zutaten, die eine Skandalisierung begünstigen.

Verehrte Lichtgestalten: Szene aus "The Lady of Heaven".
Verehrte Lichtgestalten: Szene aus "The Lady of Heaven".

Der Fatima-Mohammed-Film aus der schiitischen Perspektive gebe ein Narrativ nach den religiösen Traditionen der Schia wieder und visualisiere dies auch so. «Im schiitischen Islam ist es völlig in Ordnung, Fatima auch bildlich darzustellen. Für Sunniten jedoch nicht. Zudem werden hier Kalifen als Terroristen dargestellt», sagt Bürgin. 

Angst vor Cancel Culture?

Wenn der Film gezeigt wird, würden sich die Sunniten wehren. Werde er abgesetzt, seien die Schiiten dagegen. «Wird der Film gar nicht gezeigt, wirft man den Verleihern vermutlich Cancel Culture aus Angst vor», mutmasst Bürgin.

Falls der Film tatsächlich in die Schweiz komme, könne er sich durchaus vorstellen, dass auch hierzulande eine Diskussion darüber entbrenne. «Das Phänomen von Demonstrationen vor Kinos gibt es in der Schweiz eher selten, aber dass es zu einem medialen Aufruf kommt und Petitionen gegen den Film lanciert werden, ist fast vorprogrammiert», sagt der Experte für Skandalfilme.

Aus Religionsgeschichte wird Religionspolitik

Aus religionswissenschaftlicher Perspektive sei «The Lady of Heaven» durchaus spannend: «Die Drehbuchautorinnen und Autoren haben sehr eng mit schiitischen Religionsgelehrten zusammengearbeitet und unterschiedliche Aspekte einfliessen lassen. Interessant ist auch, dass hier Geschichte und aktuelles Zeitgeschehen miteinander verknüpft werden», findet Bürgin. Und: «Aus Religionsgeschichte entsteht so Religionspolitik in der Gegenwart.»

Blasphemie? Sakrileg? Filmskandale in der Schweiz

Auch in der Schweiz sorgten Skandalfilme für heftige Diskussionen. SRF-Filmexperte Michael Sennhauser erinnert sich an Martin Scorseses «Die letzte Versuchung Christi» aus dem Jahr 1988.

Ultrachristliche Kreise gegen «Die letzte Versuchung Christi»

«Damals gab es Streikposten von ultrachristlichen Kreisen und Sicherheitsleute bei den Einlässen. In Basel stellten die Kinos selbst eine Schutzstaffel auf, damit das Publikum in die Säle gelangt», sagt der Filmjournalist. Die Geschichte eines Jesus, der an seiner Berufung als Sohn Gottes zweifelt, eine Frau begehrt, sich seinem Tod am Kreuz entzieht und eine Familie gründet, wurde als Blasphemie betrachtet. 

Filmjournalist Michael Sennhauser
Filmjournalist Michael Sennhauser

Auch sonst kann sich Sennhauser an den ein oder anderen cineastischen «Mini-Skandal» erinnern, wie er sagt. Etwa der Film «Das Gespenst»  des bayrischen Regisseurs Herbert Achternbusch von 1982. In dem Film klettert Jesus in einem Kloster von seinem Kreuz herunter und geht mit einer Klostervorsteherin ins Bett.

Zürcher Behörden beschlagnahmen «Das Gespenst»

Die bewusste Provokation löste einen jahrelangen Rechtsstreit aus. Daraufhin wurde der Film in Zürich, wo er damals im Verleih von Filmcoopi lief, kurzfristig beschlagnahmt. «Ob der Skandal Filmcoopi geholfen hat, mehr Zuschauerinnen und Zuschauer ins Kino zu locken, weiss ich allerdings nicht», sagt Sennhauser. 

Der Historiker Martin Bürgin im Kino "Royal" in Baden.
Der Historiker Martin Bürgin im Kino "Royal" in Baden.

An den Rummel um «Das Gespenst» erinnert sich auch Martin Bürgin. Gegen den Film habe es nicht nur Demonstrationen, sondern sogar Sühneprozessionen gegeben.

Türkischer Propagandafilm «Can Feda»

Zu einem weiteren, kleineren Skandal in der Schweiz sei es 2018 gekommen. Damals stand der türkische Propagandafilm «Can Feda» in der Kritik. Nur wenige Tage nachdem er in den Kitag-Kinos in Zürich angelaufen war, empörte sich der «Blick» darüber, woraufhin der Film wieder aus dem Programm genommen wurde.

Es gab Proteste von türkischen Nationalisten, die sich wiederum darüber aufregten, dass die Kinokette den Film zurückzog. Martin Bürgin ist sich sicher: «Dieses Für und Wider wird ›The Lady of Heaven’ auch auslösen.» (sas)


Der junge Mohammed – aus dem Film «The Lady of Heaven». | © Screenshot, Enligthened Kingdom
29. Juli 2022 | 05:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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