Sibylle Hardegger vor dem Caritas Baby Hospital in Bethlehem.
Schweiz

Sibylle Hardegger zu Kinderspital Bethlehem: «Medizinische Versorgung ist nicht sichergestellt»

Aufgrund des Krieges in Israel können viele Patientinnen und Patienten nicht mehr ins Caritas Baby Hospital. «Wir befürchten auch eine mögliche Knappheit bei wichtigen Gütern», sagt Sibylle Hardegger, Präsidentin der Kinderhilfe Bethlehem. Die Spitalleitung hat nun Reserven an Medikamenten für den Winter aufgestockt.

Jacqueline Straub

Sie sind die Präsidentin der Kinderhilfe Bethlehem. Wie blicken Sie derzeit nach Israel und Palästina?

Sibylle Hardegger: Ich bin erschüttert, sprachlos und voller Sorge. Die Eskalation der Gewalt nimmt ein nie dagewesenes Mass an. Das ist schwer zu ertragen. Meine Gedanken sind bei allen, die an Leib und Leben bedroht sind, bei jenen, die Angehörige verloren haben, bei jenen, die sich seit Jahren für humanitäre Hilfe in der Region einsetzen und bei jenen, die im Kleinen und Grossen stetig versucht haben, Brücken des Friedens zu bauen.

Kinder in Bethlehem.
Kinder in Bethlehem.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanyahu hat den Kriegszustand für Israel erklärt. Das hat Folgen für die Arbeit des Caritas Baby Hospital, das sich im Westjordanland befindet. Inwiefern?

Hardegger: Die israelische Regierung hat angesichts der eskalierenden Gewalt das Westjordanland abgeriegelt. Der Zugang nach Israel ist für die palästinensische Bevölkerung aus dem besetzten Gebiet nicht mehr möglich. Auch Verbindungen zwischen den palästinensischen Städten und Dörfern sind versperrt. Wir befürchten auch eine mögliche Knappheit bei wichtigen Gütern. Die Spitalleitung hat deshalb umgehend reagiert und die Reserven an Medikamenten, medizinischem Verbrauchsmaterial und Heizöl für den Winter aufgestockt.

«Die Mobilität der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland ist enorm eingeschränkt.»

Was wird nun derzeit nicht mehr möglich sein?

Hardegger: Die Strassenblockaden im besetzen Gebiet haben zur Folge, dass viele Patienten, die nicht in Bethlehem leben, nicht mehr ins Kinderspital gelangen können. Die Mobilität der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland ist enorm eingeschränkt. Sie können nicht mehr von einer Stadt zu andern, von einem Dorf zum nächsten fahren.

Junge mit seiner Mutter
Junge mit seiner Mutter

Und was bedeutet das für die Kinder und Familien?

Hardegger: Die medizinische Versorgung kranker Kinder ist nicht sichergestellt. Das kann etwa bei Frühgeburten sehr gefährlich sein. Derzeit sind nur noch etwa 15 kleine Patienten im Kinderspital in Bethlehem stationär aufgenommen. Ins Ambulatorium kommen weniger als ein Drittel kranke Kinder als üblich.

Wie wird Kindern und deren Familien geholfen, die nun nicht mehr ins Kinderspital gehen können, weil Strassen gesperrt sind?

Hardegger: Unsere Ärztinnen und Ärzte sowie die Sozialarbeiterinnen des Kinderspitals in Bethlehem nehmen nun Kontakt auf mit vor allem chronisch erkrankten Patienten und ihren Familien, um sicherzustellen, dass diese die benötigten Medikamente bekommen. Anfragen von Eltern mit kranken Kindern werden bei Bedarf telefonisch beantwortet. Diese Dienstleistung wurde bereits während der Covid-19-Pandemie angeboten und hat sich bewährt.

«Wir zählen gerade jetzt auf die Unterstützung unserer Spender und Spenderinnen.»

Die Kinderhilfe Bethlehem ist stark auf Spenden angewiesen. Befürchten Sie nun einen Rückgang der Spenden?

Hardegger: Unser Spital ist in der Schweiz gut bekannt und wir haben treue Spenderinnen und Spender. Spenden zugunsten der Kinderhilfe Bethlehem kommen ausschliesslich dem Caritas Baby Hospital und damit der medizinischen Versorgung von kranken Kindern zugute. Wir sind bekannt dafür, dass wir unsere Arbeit für die Kinder tun, ohne auf religiöse oder ethnische Herkunft zu schauen. Wir zählen gerade jetzt auf die Unterstützung unserer Spender und Spenderinnen.

* Sibylle Hardegger (55) ist Präsidentin des Vereins «Kinderhilfe Bethlehem». Die Theologin war früher Teil der Basler Bistumsleitung und ist seit 2021 Radio- und Fernsehbeauftragte des Katholischen Medienzentrums, das auch kath.ch betreibt.


Sibylle Hardegger vor dem Caritas Baby Hospital in Bethlehem. | © zVg
11. Oktober 2023 | 12:00
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