Stiftsschatz-Konservator Urs-Beat Frei mit einem der historischen Kirchenschlüssel aus der Ausstellung
Schweiz

Sesam-öffne-dich zu sakralem Glanz – Historische Schlüssel im Luzerner Stiftsschatz zu sehen

Wer das erste Mal den Stiftsschatz in der Luzerner Hofkirche sieht, wird fast geblendet vom goldenen Glanz der kirchlichen Pretiosen. Eine kleine, aber feine Schau von Kirchenschlüsseln vom Mittelalter bis in die heutige Zeit führt einem derzeit nicht nur vor Augen, dass ein Schatz ohne Schlüssel eigentlich keiner ist.

Wolfgang Holz 

Man könnte ihm stundenlang zuhören. Denn sobald Urs-Beat Frei*, Konservator des Luzerner Stiftsschatzes, die Hofkirche betritt, spürt man, dass er den bedeutendsten Spätrenaissancebau der Schweiz fast wie seine Westentasche kennt.

Das prächtige Chorherrengestühl in der Hofkirche
Das prächtige Chorherrengestühl in der Hofkirche

So, wie der 67-Jährige über die kunstgeschichtlichen und theologischen Zusammenhänge der Luzerner Stifts- und Pfarrkirche St. Leodegar spricht, hat man ständig das Gefühl, dass er selbst wie einer der sieben aktuellen Chorherren in der Kirche ein- und ausgeht.

«Antireformatorisches Programm»

«Hier beten die Chorherren des Stifts zwei Mal täglich», sagt er zu seinem Gast von kath.ch, als er mit ihm den durch ein perspektivisches Gitter abgetrennten Chorraum betritt. Man traut kaum seinen Augen ob
des Meisterwerks von einem Renaissance-Chorgestühl, das links und rechts aus dunklem Holz mit vielen Heiligenfiguren reliefartig geschnitzt ist und eine lange Blickachse auf den Hochaltar im römischen Stil mit schwarzem Marmor eröffnet.

Ausschnitt des Art déco-Gewölbes in der Luzerner Stiftsschatzkammer
Ausschnitt des Art déco-Gewölbes in der Luzerner Stiftsschatzkammer

 «Das ist wohl das einzige Chorgestühl in der Schweiz mit einem antireformatorischen Programm», erklärt er. Sagt es, und man versteht schnell, welche enorme Stellung der Katholizismus einmal in Luzern einnahm. «Die päpstliche Nuntiatur hatte ja früher auch ihren Sitz in Luzern.»

Himmlisches Jerusalem

 In der Stiftsschatzkammer angekommen, überrascht einen ein ganz anderes, geradezu paradiesisches Ambiente. Das Gewölbe, Ende letzten Jahres fertig restauriert, verzaubert den Blick durch eine eigentliche Farbensymphonie. «Diese Ausmalung des Schatzkammerraums von 1933 im Art déco-Stil, die das himmlische Jerusalem zeigt, ist schweizweit einzigartig», schwärmt Frei.

Das wertvollste Stück des Luzerner Stiftsschatzes: Ein Kelch aus der Burgunderbeute der Eidgenossen von 1476
Das wertvollste Stück des Luzerner Stiftsschatzes: Ein Kelch aus der Burgunderbeute der Eidgenossen von 1476

Sagts und öffnet flugs die einzelnen «Schatztruhen» der Schatzkammer, die hinter einer holzgeschnitzten Fassade in Panzerschränken eine wahre Glitzerwelt sakraler Kultgegenstände aus Gold und edlen Materialien zum Strahlen bringt.

Kelch von Karl dem Kühnen

Monstranzen, Heiligenreliquiare mit Knochen und Knöchelchen, Kreuze, Kelche und fast lebensgrosse, silberne Reliquienbüsten sowie gold- und seidenbestickte Messgewänder betören einem die Sinne. Als wahres Juwel und Meisterwerk mittelalterlicher Goldschmiedekunst gilt der eher schlicht anmutende Kelch aus der Burgunderbeute der Eidgenossen, erobert von Karl dem Kühnen in der Schlacht von Murten anno 1476.

Barocke Kirchenschlüssel aus der Ausstellung im Luzerner Stiftsschatz
Barocke Kirchenschlüssel aus der Ausstellung im Luzerner Stiftsschatz

Fast bescheiden mutet da die eigentliche, neue Schau historischer Kirchenschlüssel an, die in zwei Schubladen 23 mehr oder weniger ornamentierte und gewichtige Türöffner zeigt.

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«Die Schlüssel wurden uns von einem über 90-jährigen Sammler angeboten, der über einen riesigen Schlüsselschatz verfügt – mit der Aussicht, dass er diesen einmal unserer Schatzkammer vermacht», verrät Urs-Beat Frei und lächelt.

Marienmonogramme und das Lamm Gottes

Schmuckstücke der im Luzerner Stiftsschatz ausgestellten Kirchenschlüssel sind zum einen ein aus dem 9. Jahrhundert stammender mittelalterlicher Türöffner, zum anderen barocke Schlüssel aus dem 17. Jahrhundert – deren Köpfe, sogenannte «Reiten», jeweils mit einem christlichen Zeichen verziert sind. Man erkennt Symbole wie ein JHS, ein C für Christus, Marienmonogramme, Kreuze sowie ein Lamm Gottes. Die meisten der Schlüssel sind solide aus Eisen geschmiedet und wirken sehr schwer.

Schlüssel der Hofkirche in Luzern, die auch heute noch gebraucht werden,  in der Ausstellung.
Schlüssel der Hofkirche in Luzern, die auch heute noch gebraucht werden, in der Ausstellung.

Diese Schlüsselsammlung ist ergänzt durch eine Reihe alter Schlüssel der Hofkirche selbst, die bis zum heutigen Tag noch zum Öffnen und Schliessen der einzelnen Portale des Gotteshauses benutzt werden.

Der Bischof und der Schlüssel im Bauch des Fisches

Apropos Öffnen und Schliessen: Konservator Urs-Beat Frei hat es überidies unternommen, in dieser Schlüsselausstellung auch die facettenreiche Symbolik von Schlüsseln zu thematisieren. Unter anderem illustrieren dies zwei Flaschen Wein mit dem heraldischen Zeichen des Papstes aus Tiara und den zwei Schlüsseln des Apostels Petrus, eine davon, der Rotwein, der bekannten und noblen Marke Chateau-Neuf du Pape.

Zwei fast lebensgrosse, silberne Reliquienbüsten: Rechts der Heilige Leodegar
Zwei fast lebensgrosse, silberne Reliquienbüsten: Rechts der Heilige Leodegar

Auch mittelalterliche Legenden wie die von Bischof Benno von Meissen, der eine Zeitlang seines Amtes enthoben war, wird durch ein Gemälde zum Leben erweckt. Ein Schlüssel, den er einst in die Elbe warf, soll nämlich von einem Fisch verschluckt und nach Rückkehr des Bischofs im Fischbauch wieder gefunden worden sein. Daraus entstand das Wappen des Bistums Meissen: ein Schlüssel und ein Fisch, die sich kreuzen.

«Auch Jesus wird mit einem Schlüssel in Verbindung gebracht.»

Urs-Beat Frei, Konservator des Luzerner Stiftsschatzes

«Das Thema Schlüssel hat eine hohe symbolisch-religiöse Bedeutung, auch Jesus wird mit einem Schlüssel in Verbindung gebracht», erklärt Frei. Er selbst werde als Schlüssel gesehen, der den «Kerker der Finsternis und die Fessel des Todes» öffne (O-Antiphon, gesungen vor Weihnacht). Zudem übergebe er etwa Petrus die Schlüssel des Paradieses – eine Szene, die zum Beispiel der französische Maler Ingres verewigt hat.

Ein Blick in einen der Schaukästen des Luzerner Stiftsschatzes mit Heiligenreliquiaren
Ein Blick in einen der Schaukästen des Luzerner Stiftsschatzes mit Heiligenreliquiaren

Auch kulturhistorisch sei die Bedeutung von Schlüsseln nicht zu unterschätzen, so der Konservator. «Wer einen Schlüssel hat, verfügt auch über Eigentum. Und gerade eine Schatzkammer ohne Schlüssel wäre ja keine Schatzkammer.»

«Früher eine Art Rumpelkammer»

Nicht zuletzt versteht er es als «Schlüsselmoment», dass diese Schlüsselausstellung gerade zum richtigen Augenblick für die Öffentlichkeit kommt, um die nun abgeschlossene Restaurierung der Schatzkammer des Stiftschatzes zu bewundern. «Vor 2018 war der Raum ja noch eine Art Rumpelkammer.»

Vor der Hofkirche: Urs-Beat Frei, Konservator der Luzerner Stiftsschatzkammer
Vor der Hofkirche: Urs-Beat Frei, Konservator der Luzerner Stiftsschatzkammer

Und gibt es eigentlich auch noch ein ganz persönliches Schlüsselerlebnis für Urs-Beat Frei? «Sicher ein Schlüsselerlebnis war für mich, als ich meine Frau kennenlernte», sagt er. Und strahlt.

*Urs-Beat-Frei (68) ist seit 2018 Konservator des Luzerner Stiftsschatzes. Er studierte Theologie, Kunstgeschichte und Philosophie. Er ist Spezialist für christliche Sakralkunst und -kultur. Die Schlüsselausstellung im Luzerner Stiftsschatz ist bis Ende März zu sehen. Auskünfte und Buchungen erfolgen unter post@luzern-kirchenschatz.org.



 

Stiftsschatz-Konservator Urs-Beat Frei mit einem der historischen Kirchenschlüssel aus der Ausstellung | © Wolfgang Holz
12. Januar 2024 | 09:00
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