Seelsorgende brechen das Schweigen: diskriminiert wegen Lebensform
Schweiz

Seelsorgende outen sich: So mischte sich die Bistumsleitung ins Privatleben ein

Sechs Seelsorgende berichten in einem Brief an die Luzerner Synode, was sie bei der kirchlichen Jobsuche erlitten haben. Sie haben Diskriminierung erfahren, weil sie geschieden, homosexuell oder laisiert sind. Sie mussten zum Teil jahrelang ihre Partnerin oder ihren Partner verleugnen und Druck der Bistumsleitung ertragen. Nun schildern sie ihre Erlebnisse und wollen damit ein Zeichen setzen.

Jacqueline Straub

Herbert Gut ist Pfarreileiter St. Johannes in Luzern, geschieden und lebt seit 12 Jahren in einer neuen Beziehung. Als er sich auf die Stelle bewarb, wurde ihm vom Personalverantwortlichen des Bistums Basel gesagt, dass Bischof Felix unterstützt, dass er die Stelle als Pfarreileiter bekommt – unter der Bedingung, dass er und seine Partnerin nicht offen zusammenleben und wegen der Beziehung kein öffentliches Ärgernis entsteht.

«Wenn nur eine Person einen Brief nach Rom schreibt und reklamiert, muss der Bischof dir die Missio entziehen und die Kirchgemeinde muss dir kündigen», wurde Herbert Gut gesagt – wie er im Brief an die Luzerner Synode schreibt. Später wurde ihm dringend geraten, nicht zusammen im Pfarrhaus zu wohnen, sondern im Quartier, um nicht Anstoss zu erregen.

«Ich sei für ihn eine zu grosse Zumutung.»

Barbara Lehner

Die freischaffende Theologin Barbara Lehner ist Ritualfachfrau und Ausbildnerin für Trauerbegleitung in Kriens. Sie lebt seit 33 Jahren mit einer Frau zusammen. Aufgrund dessen wurde im Jahr 2000 ihre Bewerbung in einer Luzerner Pfarrei abgelehnt.

«Ich könne nicht angestellt werden, weil ich meine langjährige Partnerschaft mit einer Frau im Gespräch offen erwähnt hatte und als Frau meine priesterliche Berufung erwähnte», heisst es im Brief der Seelsorgenden. «Der Pfarrer, der das Bewerbungsgespräch führte, sagte mir bei der Absage am Telefon, er könne mich leider nicht anstellen, ich sei für ihn eine zu grosse Zumutung.»

Kreuz auf Regenbogenfahne
Kreuz auf Regenbogenfahne

2016 wurde Bruno Fluder aus Sargans eine Anstellung bei der Caritas im Bistum St. Gallen verweigert wegen seines Engagements für die Rechte Homosexueller in der Schweizer Kirche. Er ist seit Jahren Pressesprecher bei Adamim, dem Verein Schwule Seelsorger Schweiz. Bischof Markus Büchel legte Veto ein, so Fluder.

Bischof Markus Büchel soll Angst gehabt haben, dass Rom oder der Nachbarbischof aus Chur, Vitus Huonder, sich bei ihm melden könnten, wenn sie erfahren, dass der Pressesprecher von Adamim eine diözesane Fachstelle innehat, schreibt Fluder im Brief an die Luzerner Synode.

Lieber «zivilen» Beruf nachgehen

«Weil ich 2011 offen zu Frau und Kind gestanden bin, wurde ich sofort vom Dienst suspendiert», schreibt der laisierte Priester Pius Blättler. Früher war er im Bistum Chur tätig. Als laisierter Priester erhalte er keine bischöfliche Missio mehr: Vom Bistum Basel höre er, dass aus «bekannten Gründen» nicht auf die Bewerbungen eingegangen werden könne, so Blättler. Ihm wurde mehrmals empfohlen, einen «zivilen» Beruf auszuüben.

Eheringe
Eheringe

1997 hat Daniel Ammann zum zweiten Mal geheiratet. Im Jahr 2008 bewarb er sich auf eine Stelle als Seelsorger in einer Pfarrei der Stadt Luzern. Das ganze Seelsorgeteam wollte ihn anstellen. Nach langem Warten erhielt er vom Personalamt des Bistums Basel den schriftlichen Bescheid: «Wie ich Ihnen bereits telefonisch mitgeteilt habe, bestehen die grossen Vorbehalte gegen einen Einsatz von Ihnen als Pastoralassistent in der Pfarrei St. Karl, Luzern in keiner Weise auf Grund der Fähigkeitskompetenz, sondern auf Grund der Lebensform. Da Bischof Kurt hinter den getroffenen Entscheidungen stehen muss, sehen wir einen Einsatz als Pastoralassistent zurzeit nicht.» Inzwischen ist der Seelsorger im Pastoralraum Hürntal.

«Jahrelang musste ich meinen Partner leugnen.»

Franz Zemp

Der Theologe Franz Zemp lebt seit 20 Jahren in einer homosexuellen Partnerschaft. «Mit meiner Arbeit für die Kirche erfuhr ich einen massiven Eingriff in mein Leben. Dies zeigte sich insbesondere bei meinen Bewerbungen», heisst es im Brief der Seelsorgenden.

Ihm wurde eine Stelle in der Pastoral nur gegeben, wenn er seine Homosexualität nicht öffentlich bekannt machte. «Jahrelang musste ich meinen Partner leugnen.» Als er sich 2020 auf eine Pfarreileitung bewarb, durfte er beim Bewerbungsgespräch auf Anweisung der Bistumsvertretung bei der zuständigen Kommission nicht erwähnen, dass er einen Partner hat.


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30. November 2023 | 17:00
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