Hat gut lachen: Schwester Rut Buschor träumt vom Finaleinzug der Schweiz bei der WM in Katar.
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Schwester Rut Maria Buschor träumt vom WM-Finale mit der Schweizer Fussball-Nati

Ob sie die Weltmeisterschaft in Katar anschauen wird, weiss sie noch nicht. Klar ist, dass Schwester Rut Maria Buschor (51), Äbtissin des Sarner Benediktinerinnenklosters St. Andreas, sich seit frühester Kindheit für den Fussball begeistert. Sie hat sogar schon Maradona live gesehen.

Wolfgang Holz

Grün-weiss. Ihre Leidenschaft hat zwei Farben. Die Farben des FC St. Gallen. «Schon als kleiner Knopf bin ich am Wochenende mit meinem Vater auf den Fussballplatz gegangen», erzählt Schwester Rut Maria Buschor. Zuerst ging es nur um die Matches des FC Goldach, dem Verein ihrer Heimat. Doch sehr schnell schlug das Herz des in St. Gallen geborenen Mädchens vor allem für den FC St. Gallen. Grün-weiss eben.

Selbst gefertigter Fanschal: 35 Jahre alt

«Im Alter von 16 Jahren habe ich mir diesen grün-weissen Fanschal glismet», sagt die Äbtissin des St. Andreas-Frauenklosters in Sarnen. Dort leben derzeit fünf Benediktinerinnen zusammen mit 14 anderen Schwestern aus den Klostergemeinschaften Melchtal und Wikon. «Und ich trage diesen Schal heute noch immer, wenn ich fane», strahlt sie stolz und streckt das rund zwei Meter lange Fan-Insignium aus Wolle in die Höhe.

«Unsere ganze Familie sass bei Fussballspielen vor dem Fernseher.»

Schwester Rut Maria Buschor

Aber wie kommt es, dass sie sich so leidenschaftlich für das Spiel mit dem runden Leder begeistert – und das auch heute noch als Äbtissin? «Unsere ganze Familie sass bei Fussballspielen vor dem Fernseher», erinnert sie sich.

Grün-weiss ist ihre Leidenschaft: Ihren St. Gallen-Fanschal hat Schwester Rut vor 35 selbst gelismet.
Grün-weiss ist ihre Leidenschaft: Ihren St. Gallen-Fanschal hat Schwester Rut vor 35 selbst gelismet.

Will heissen: Ihr Vater, der ein kleines Baugeschäft führte und selbst ein guter Fussballspieler gewesen sei, war Fussballfan. So wie ihre beiden Brüder und ihre Schwester. «Nur meine Mutter interessierte sich nicht für den Fussball.»

Leider keine Maidlimannschaft

Sie selbst hätte auch gerne selbst Fussball gespielt. «Doch in unserem Verein gab es keine Maidlimannschaft, deshalb bin ich dann eben in den Handball gegangen», sagt Schwester Rut.

«Die Fussballleidenschaft ist einfach wie ein Virus, der einen befällt.»

Schwester Rut Maria Buschor, Äbtissin in Sarnen

Trotzdem hat sie in ihrer Freizeit auch bei Grümpel-Turnieren mitgespielt. «Ich war oft im Tor, ich hatte nie Angst vor dem Ball.» Mutig.

«Die Fussballleidenschaft ist einfach wie ein Virus, der einen befällt», versichert die Ordensfrau. Genau erklären lasse sich das nicht, warum ihr Fussball so viel Spass mache. «Im Fussball gibt es viele Regeln, und in einer benediktinischen Klostergemeinschaft auch». Ein interessanter übergreifender Ansatz.

Das Frauenkloster in Sarnen: 19 Ordensfrauen leben derzeit hier.
Das Frauenkloster in Sarnen: 19 Ordensfrauen leben derzeit hier.

Als Teenager und danach in der Zeit während ihrer KV-Lehre war sie dann regelmässig mit ihren Freundinnen im St. Galler Espenmoos im Stadion, um den Matches ihrer geliebten «Grün-Weissen» beizuwohnen.

Schwärmt vom FC St. Gallen

Sie schwärmt heute noch von den Stars von damals. Von Ivan Zamorano etwa. Einem Chilenen, der zwei Jahre beim FC St. Gallen spielte und dann nach Sevilla wechselte. Oder von Helmuth Johannsen, dem legendären deutschen Trainer des FC St. Gallen, mit dem der ostschweizerische Club auch wieder im UEFA-Pokal, also europäisch, spielte.

«Es war immer schön, im Espenmoos-Stadium dabei zu sein. Man konnte eben nach den Spielen Kontakt zu den Spielern bekommen», berichtet sie. Auch habe es in dieser Zeit, in den 1980-er Jahren, einige Freundschaftsspiele zwischen St. Gallen und Eintracht Frankfurt aus der deutschen Bundesliga gegeben.

Diese Bundesliga-Eintrittskarte hat Schwester Rut noch heute: Der "FC" verliert am 18.11. 1989 mit 3:5 gegen Frankfurt.
Diese Bundesliga-Eintrittskarte hat Schwester Rut noch heute: Der "FC" verliert am 18.11. 1989 mit 3:5 gegen Frankfurt.

Genau. Eintracht Frankfurt. Dieser deutsche Bundesligaklub hatte es ihr denn schnell ebenfalls angetan und wurde zu ihrer zweiten Fan-Liebe. «Mit Bayern München konnte ich nie etwas anfangen. Auch für eine Zürcher Mannschaft hätte ich nie fanen können.»

Freude über 5:3-Sieg von Eintracht Frankfurt

Ihre Beziehung zu Frankfurt wurde für sie denn auch zu einem Schlüsselerlebnis. Sie kann sich nämlich noch genau an den Tag des 18. November 1989 erinnern. Sie war damals 18-jährig.

Als sich die junge Frau bei einem Nachtreffen eines internationalen Jugendlagers in Köln aufhielt, kickte just an diesem Tag die Eintracht aus Frankfurt gegen den Kölner «FC». Sie entschied sich spontan sofort, den Match anzuschauen. Unter Zehntausenden Fans reihte sich die junge Ostschweizerin schliesslich irgendwo in einem Fanblock ein. Mutterseelenallein. Die Eintrittskarte besitzt sie heute noch.

«Die Eintracht gewann damals sensationell mit 5:3 in Köln», freut sie sich heute noch. Ein Sieg, der allerdings nicht allen gefiel. Vor allem nicht den Kölner Fans, die sich nach dem Spiel vor dem Stadion mit Frankfurter Fans prügelten.

«Dieses Erlebnis war ein Schock für mich, denn ich hatte vorher noch nie eine derartige Hooligan-Gewalt erlebt.»

Benediktinische Ordensfrau

Zwischen den Fans versuchte die Polizei hoch zu Ross mit Schlagstöcken in die Parade zu fahren, um die Situation zu kontrollieren. «Dieses Erlebnis war ein Schock für mich, denn ich hatte vorher noch nie eine derartige Hooligan-Gewalt erlebt», sagt Schwester Rut heute.

Frankfurter Fan beschützte sie

Auch im Fanbus der Frankfurter, in dem sich die 18-Jährige irgendwie plötzlich wiederfand, kam es zu Schlägereien – weil der Busfahrer die Türen nicht öffnen wollte. Als dann einem Frankfurt-Anhänger der weibliche Fan im Bus aufgefallen war, habe dieser sie dann beschützt, damit ihr nichts passiere. «Das war ein sehr prägendes Erlebnis für mich.» Die Eintracht aus Frankfurt hat sie längst in ihr Fussballherz geschlossen.

Voll im Fussballfieber: "Fussball ist wie ein Virus", sagt Schwester Rut Buschor.
Voll im Fussballfieber: "Fussball ist wie ein Virus", sagt Schwester Rut Buschor.

Ein anderes prägendes Erlebnis für die junge Frau war es, in den 1980-er Jahren zusammen mit ihrer Familie «Fussballgott» Maradona einmal live spielen zu sehen. Und zwar als der legendäre Diego Armando für Neapel in einem Ligaspiel der italienischen «Seria A» mit Neapel in Como kickte.

Alle wollten Maradona sehen

«Das war natürlich unglaublich, wobei wir von den Sitzplätzen zunächst nicht viel erkennen konnten – weil alle Zuschauer auf den Sitzen standen, um einen besseren Blick auf Maradona erhaschen zu können.» Einen Fussballgott gibt es für Schwester Rut aber nicht. «Es gibt nur einen Gott im Himmel.»  

Und der gehört inzwischen zu ihren Hauptaufgaben. Beziehungsweise das Management des Frauenklosters in Sarnen. Seitdem sie dort ist, und das ist Schwester Rut Maria nun schon seit 30 Jahren, kann sie ihrer Fussballleidenschaft natürlich nicht mehr so intensiv wie früher frönen.

«Hin und wieder schaue ich mir im Fernsehen einen Fussballmatch an», bekennt die 51-Jährige. Dabei müsse sie ihren Mitschwestern immer wieder erklären, wie das Abseits im Fussball funktioniere.

«Ich träume davon, dass die Schweiz ins Finale kommt.»

Schwester Rut Maria Buschor

Zuletzt im Stadion war sie in Basel im September 2021 beim WM-Qualifikationsspiel Schweiz-Italien. Dies ging bekanntlich 0:0 aus, weil Italien einen Elfmeter verschoss. Die Schweiz ist nun bei der WM in Katar, die jetzt beginnt, dabei. Italien muss dagegen zuhause bleiben.

Die Schweizer Nati ist immer begehrter und beliebter - vor allem, wenn sie gewinnt.
Die Schweizer Nati ist immer begehrter und beliebter - vor allem, wenn sie gewinnt.

«Ich träume davon, dass die Schweiz ins Finale kommt», sagt Schwester Rut, die auch einen seidenen roten Nati-Schal ihr Eigen nennt. Realistisch sei durchaus das Erreichen des Viertelfinals.

Katar: Ein grosser Zwiespalt

Aber wie hält sie es denn mit Katar? Schaut sie sich diese umstrittene WM überhaupt an? «Ich weiss es noch nicht. Der Zwiespalt ist für mich gross – wegen meiner Freude am Fussball.» Sie empfindet vor allem viele Sympathien für Goalie Yann Sommer. «Der hext unglaublich bei seinen Paraden.»

Schwester Rut empfindet Fussball generell als etwas sehr Entspannendes – auch im Klosteralltag. Neben dem Gebet. «Als wir 2005 das Hochwasser hatten, von dem unser Kloster auch betroffen war, konnte ich beim Fussballschauen zwischendurch abschalten.» Sagt’s und wickelt ihren Fanschal um den Hals. Grün-weiss, eben.


Hat gut lachen: Schwester Rut Buschor träumt vom Finaleinzug der Schweiz bei der WM in Katar. | © Wolfgang Holz
18. November 2022 | 05:00
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