Schwester Maria-Amadea komponiert und ist Kirchenmusikerin.
Porträt

Schwester Maria-Amadea: Von der Kosmetikverkäuferin zur Kirchenmusikerin

Die 55-jährige Ordensfrau spielt nicht nur Orgel in den Gottesdiensten im Kloster Heiligkreuz in Cham. Sie ist auch Komponistin und Kirchenmusikerin. Aus ihrer Sicht kann Musik zur Gottesoffenbarung werden. «Aber die Musik ist nicht Gott», stellt sie klar. Persönlich gefallen ihr die Songs von Leonard Cohen sehr gut.

Wolfgang Holz

Nomen ist nicht immer omen. Im Fall von Schwester Maria-Amadea gesteht die Olivetaner-Benediktinerin im Interview freimütig, dass sie sich mit ihrem berühmten Namensvetter bislang noch zu wenig beschäftigt habe. Gemeint ist Wolfgang Amadeus Mozart, das Musik-Genie schlechthin, das auch wohltönende Kirchenmusik komponierte.

Rheinberger statt Mozart

«Mein Herz schlägt eher für Josef Gabriel Rheinberger», sagt die 55-Jährige. Josef Gabriel Rheinberger war ein in Liechtenstein geborener Komponist, Organist und Musikpädagoge. «Seine romantische Musik gefällt mir vom Klang her.» Auch Johann Sebastian Bach spielt sie viel, vor allem seine Trio-Sonaten und die grossen Fugen haben es ihr angetan.

Schwester Maria-Amadea an der Orgel
Schwester Maria-Amadea an der Orgel

Wobei Schwester Maria-Amadea noch etwas Originelles zu ihrem Namensvetter bemerkt. «Ich habe einmal jemanden sagen hören, dass nicht jeder ein Mozart ist, aber jeder ein Amadeus, also, ein von Gott Geliebter.»

«Für mich ist Musik auch ein Dienst.»

Schwester Maria-Amadea

Für Schwester Maria-Amadea ist Musik bei Weitem nicht nur das Schwelgen in schönen Tönen. «Für mich ist Musik auch ein Dienst», stellt sie klar. «Gott richtet ein Fest aus – und ich darf gleichsam die Musik beisteuern». So spielt sie in Gottesdiensten regelmässig die Orgel in der Klosterkirche Heiligkreuz in Lindencham im Kanton Zug.

Früher gestaltete sie auswärts liturgisch-konzertante Feierstunden, während derer sie auch kirchenfernen Menschen etwas bieten wollte. «Feierstunden, bei denen ein Stück Ewigkeit das Herz erreichen konnte und bei denen die «Zwischentöne der Göttlichen Präsenz» zum Klingen und in Resonanz kamen», so Schwester Maria-Amadea. Leider fehle ihr inzwischen die Zeit, grössere Projekte einzustudieren.

Geistliches Leben als Gefäss

«Ich bin nicht nur Komponistin und Kirchenmusikerin, sondern zuerst und vor allem Ordensfrau», bekennt sie bescheiden. Zwar mache sie mit ihrer Musik etwas Besonderes, «man ist deshalb aber nichts Besonderes.» Das geistliche Leben in Gemeinschaft sei das Gefäss, aus dem heraus sie alles erwirke.

«Dieses Leben gibt auch meinen Kompositionen eine eigene Note, fliesst gleichsam in sie hinein», erklärt sie. «Die Musik ist einfach ein Teil von mir.» Neben ihren liturgischen Diensten näht sie Schleier, Kragen, Schleierbänder der klösterlichen Ordenstracht und flickt.

Auf der Anhöhe bei Lindencham thront das Kloster Heiligkreuz.
Auf der Anhöhe bei Lindencham thront das Kloster Heiligkreuz.

Aber wie ist sie eigentlich überhaupt ins Kloster gekommen? Und wie hat sie dann zur Musik gefunden? Die in Zug gebürtige Ordensfrau stammt zwar aus einer religiösen Familie. Sie hat aber anfangs durchaus einen nicht religiösen, kurvenreichen Lebensweg eingeschlagen.

Zuerst Kosmetikverkäuferin

«Eigentlich wollte ich Velomechanikerin oder Schuhmacherin werden», sagt sie. Da ihr dies nicht erlaubt wurde, arbeitete sie zunächst als Kosmetikverkäuferin und -beraterin bei der Migros, wofür sie entsprechende Kurse besuchte. Zwar hatte sie die Gelegenheit, den Tagesablauf von Ordensfrauen mitzuerleben, als sie in den Sommerferien in einem Kloster arbeitete. «Das war eine positive Erfahrung für mich», erinnert sich Schwester Maria-Amadea. Doch mit 17 hatte sie einen festen Freund – der eigentlich kein grosses Interesse an Religion hatte.

«Als die Schwester mich damals zum Vespergebet ins Oratorium führte, wusste ich sofort: Ich heirate nicht.»

Schwester Maria-Amadea

Als sie dann aber einmal an einem auswärtigen Ort übernachten musste und sie sich aus Gründen ihres schmalen Budgets für eine Nacht im Kloster entschied, war es plötzlich um sie geschehen.

«Als die Schwester mich damals zum Vespergebet ins Oratorium führte, wusste ich sofort: Ich heirate nicht», erzählt sie. Als sie diese Entscheidung dann wenig später ihrem Freund mitgeteilt habe, sei dieser «völlig platt» gewesen. «Irgendetwas hat mir einfach in meinem Leben gefehlt», resümiert sie aus heutiger Sicht.

Im Kloster Heiligkreuz seit 2005

Vor ihrem Eintritt ins Kloster begann sie die Ausbildung in Psychiatrischer Krankenpflege, die sie jedoch nach dem ersten Zwischenabschluss abbrach. Von 1988 bis 2005 lebte Schwester Maria-Amadea im St. Josefsheim (»Karmel vom Göttlichen Herzen Jesu») in Dietikon. Nach der Aufhebung der Niederlassung trat sie 2005 ins Kloster Heiligkreuz in Cham über, wo sie seither lebt.

Das Kreuz in der Klosterkirche Heiligkreuz in Cham
Das Kreuz in der Klosterkirche Heiligkreuz in Cham

Zur Musik kam die Olivetaner-Benediktinerin zum einen durch ihr Blockflötenspiel. Zum anderen machte sie nach ihrem Eintritt ins Kloster Heiligkreuz eine Ausbildung zur Kirchenmusikerin B mit Schwerpunktfach Orgel an der Diözesanen Kirchenmusikschule St.Gallen (DMKS) von 2005 bis 2007.

Während zwei Semestern belegte sie beim Domorganisten Willibald Guggenmos das Fach Liturgisches Orgelspiel und Improvisation. In Komposition wurde Schwester Maria-Amadea von Stephan Simeon geschult. Ihm war es wichtig, dass sie verschiedene Kompositionstechniken lernte, aber dann ihren eigenen Stil findet.

Eigener Kompositionsstil

«Ich pflege einen Kompositionsstil, den ich chromatische Progression nenne», erklärt Schwester Maria-Amadea. Im Vordergrund stehen für sie der Klang und seine Entwicklung. So denkt sie nicht in Tonarten, sondern in Farbe und Emotion.

«Da meine Werke einen eigenen Klangweg beschreiten, fordern sie von den Ausführenden Offenheit für Ungewohntes und Engagement in der Klanggestaltung.» Ihr Wunsch sei es, Musik zu erschaffen, die je nach den Interpretierenden neu entstehe.

Register an der Orgel in der Klosterkirche Heiligkreuz
Register an der Orgel in der Klosterkirche Heiligkreuz

«Die meisten von mir vertonten Texte haben einen explizit religiösen Inhalt, aber auch die rein instrumentale Musik ist «religiös» im Sinne von «religere» – rückgebunden – an jenen Göttlichen Seins- und Urgrund, aus dem ich schöpfe, mit dem ich in Beziehung lebe», sagt sie.

Von daher verstehe sie ihre Musik als «klingende Theologie», nicht «studierte» Theologie, sondern viel eher «gelebte» – oder vielleicht noch besser als «ertastete» Theologie. Schwester Maria-Amadea: «Denn was ich glaube, will je neu gesucht und verkostet werden, bleibt stets ein Stück weit auch in Schatten und Dunkel gehüllt. Glaube ist nie ein Wissen.»

«Das Meer und die Stille»

Inzwischen sitzt Schwester Maria-Amadea an der Orgel in der Klosterkirche und gibt eine Kostprobe ihrer Kompositionswelt. «La Mer et le silence» (»Das Meer und die Stille»), ein mystisches Poem für Orgel solo, lässt sie erklingen.

Ein sehr gefühlvolles Musikstück erschallt im Kirchenraum. Unter die Noten hat sie folgenden Text geschrieben: «La mer und la mère ist klanglich ohne Kontext nicht zu unterscheiden. So vermischen sich Urmeer, Urmutter, Urgrund, Ursprung…und tropfen still in die Zeit. Eine Stille, die stillen will…»

Bearbeitet ihre Komposition: Schwester Maria-Amadea
Bearbeitet ihre Komposition: Schwester Maria-Amadea

Zahlreiche Psalmen vertont

Das Werk von Schwester Maria-Amadea wirkt sehr vielfältig und sehr hochstehend. Ihr neuestes Werk «via lucis» ist eine musikalische «Urerfahrung» des ersten Schöpfungstages, die in diesem Werk zu «Klang» werden will.

Sie hat unter anderem ein «Te Deum» komponiert, eine «Missa a capella» für einen Doppelchor, eine Regenbogensuite, eine «Trostmusik für ein ungelebtes Leben» – und nicht zuletzt zahlreiche Psalmen vertont. «Das Psalmengebet gehört zum täglichen Brot im Kloster», sagt sie.

Gott versteckt sich zwischen Noten

Aus ihrer Sicht kann Musik zur Gottesoffenbarung werden. «Aber Musik ist nicht Gott – er versteckt sich in und zwischen den Noten und will auch im Klang gefunden werden. Wenn die Musik einen erreicht, geschieht Himmel und Ewigkeit», stellt Schwester Maria-Amadea klar.

Sie selbst schätzt es, wenn sie beim Musizieren in einen Flow gerät und mit Gott auf einer anderen Ebene über die Musik kommunizieren könne. «Man kann mit sich selber auf diese Weise auch in Resonanz kommen.»

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Was sie immer freut: Wenn sie von Mitschwestern positive Rückmeldungen zu ihren musikalischen Gottesdienstgestaltungen erhält. «Man kann aber nicht alle Geschmäcker treffen», räumt sie ein.

Und welche Musik hört Schwester Maria-Amadea selbst gerne – wenn sie mal nicht komponiert, an der Orgel sitzt oder im klassischen Genre unterwegs ist?

Blues und Reggae

«Die Songs von Leonard Cohen gefallen mir sehr gut – ebenso bluesiger und souliger Jazz», verrät sie. Auch Reggae töne auf der Orgel gut. Mit Hard Rock- und Heavy Metal-Musik im Stile von AC/DC’s «Highway to hell» – die in ihrer Jugend populär gewesen sei – kann sie sich dagegen nicht so anfreunden.


Schwester Maria-Amadea komponiert und ist Kirchenmusikerin. | © Wolfgang Holz
14. Mai 2024 | 06:00
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