Bereit zur Vereidigung: Yannis Mäder aus Wohlen AG.
Schweiz

Schweizergardist Yannis Mäder: «Ich kenne einige Frauen, die gerne Gardistinnen werden würden»

Heute Samstag wird Yannis Mäder (21) als einer von 23 neuen Schweizergardisten vereidigt. Im Militär hat der Aargauer die Zusammenarbeit mit Frauen geschätzt. Er fände es nicht falsch, wenn auch die Schweizergarde Frauen zulassen würde. Aber er weiss: «Das ist eine Entscheidung, die der Papst fällen muss.»

Marie-Christine Andres Schürch und Eva Meienberg

Warum sind Sie in die Schweizergarde eingetreten?

Yannis Mäder: Als ich Ende 2021 mit der Lehre fertig war, habe mich gefragt, was ich mit meinem Leben anfangen soll. In den gelernten Beruf als Polymechaniker wollte ich nicht zurück. Dann ging ich ins Militär, wo es mir sehr gefallen hat. Da habe ich den Wachtmeister gemacht. Doch wie weiter? Der Weg als Berufsmilitär ist schwierig. Bei der Polizei sehe ich mich noch nicht, mit der Arbeit als Sicherheitsfachkraft wollte ich noch etwas warten. Da habe ich mich über die Schweizergarde informiert und gemerkt, dass ich alle Kriterien erfülle.

Was hat Ihnen im Militär gefallen?

Mäder: Die Disziplin und die Kameradschaft. Im Militär kommen Leute aus verschiedenen Kantonen und unterschiedlichen sozialen Schichten zusammen. Alle tragen die gleiche Uniform und haben das gleiche Ziel. Das fördert die Kameradschaft. Ich sehe den Zweck des Militärdienstes und den Sinn darin für die Schweiz.

Yannis Mäder bei der Vorbereitung auf die Vereidigung.
Yannis Mäder bei der Vorbereitung auf die Vereidigung.

Sie können also gut gehorchen?

Mäder: (Lacht) Ja, vierzehn Jahre Pfadierfahrung machen, dass ich gut auf Befehle hören kann.

Wie sind sie mit der katholischen Kirche verbunden?

Mäder: Ich war Ministrant in Wohlen, bis ich 14 Jahre alt war. Dann ging ich nicht mehr so häufig in die Kirche. Es gehört wahrscheinlich zum Älterwerden, dass man am Glauben zweifelt. Aber ich habe zum Glauben zurückgefunden und hier in Rom ministriere ich wieder. Das gehört zum Dienst.

Gebete und Gottesdienste sind also fester Bestandteil des Gardealltags?

Mäder: Ja, wir sind hier im Vatikan, in der Heiligen Stadt, der Stadt des katholischen Glaubens. Wer hierherkommt, weiss, dass der Glaube wichtig ist. Es gibt aber unterschiedlich gläubige Gardisten. Zum Profil eines Gardisten gehört es, nicht nur ein guter Soldat zu sein, sondern auch ein guter Katholik. Gottesdienst, Kommunion und Beichte gehören dazu.

Schweizergardisten bei einem Gottesdienst in Rom.
Schweizergardisten bei einem Gottesdienst in Rom.

Wenn es hart auf hart kommt, müssten Sie den Papst mit Ihrem Leben verteidigen. Was löst diese Vorstellung bei Ihnen aus?

Mäder: Ein Gefühl der Furcht. Aber auch ein Gefühl von Stolz. Ich weiss, dass ich für jemanden sterben würde, hinter dem ich stehen kann, für eine Sache, die den Menschen hilft. Dass wir für den Papst sterben würden, schwören wir an der Vereidigung.

Spielt es für Sie eine Rolle, ob Ihnen der Papst sympathisch ist?

Mäder: Ich würde jeden Papst beschützen. Der Papst ist nicht eine bestimmte Person. Wenn er stirbt, gibt er sein Amt weiter. Ich gehe davon aus, dass derjenige, der gewählt wurde, der Beste ist. Der Papst ist der Papst und somit Gottes Stellvertreter auf Erden.

«Die Kaserne, die Uniform und die Waffen sind komplett auf Männer ausgerichtet.»

Im Schweizer Militär sind Frauen zugelassen, in der Schweizergarde nicht. Würden Sie es gut finden, wenn da Gleichberechtigung herrschte?

Mäder: Ich bin ein grosser Befürworter der Gleichberechtigung. Frauen sollten nicht nur ins Militär dürfen, sondern müssen. Als Wachtmeister hatte ich in meinem Zug mehrere Frauen. Die Zusammenarbeit hat gut funktioniert. Ich kenne persönlich einige Frauen, die gerne Gardistinnen sein würden. Ich fände das nicht verkehrt. Wir sind ein kleines Korps. Daher würde es uns helfen, wenn Frauen eintreten könnten. Momentan sehe ich einzig das Problem, dass hier die Kaserne, die Uniform und die Waffen komplett auf Männer ausgerichtet sind. Das kann man alles ändern. Aber natürlich ist das eine Entscheidung, die der Papst fällen muss, nicht die Garde.

Ist das ein Thema innerhalb der Garde?

Mäder: Ja, es gibt diese Diskussionen unter den Gardisten. Ich höre Argumente dafür und dagegen.

Schweizergardisten bei einer Audienz auf dem Petersplatz.
Schweizergardisten bei einer Audienz auf dem Petersplatz.

Wie sieht Ihr typischer Tagesablauf aus?

Mäder: Von 7 bis 14 Uhr habe ich Dienst, dann habe ich Pause am Nachmittag. Am Abend mache ich ab und zu Ministrantendienst. Von 20 bis 23 Uhr habe ich nochmals Dienst. Auf der tiefsten Dienststufe, auf der ich bin, habe ich oft Schildwache, in der ich mit der Hellebarde einen Eingang bewache.

Wie werden Sie ausgebildet, um auf eine höhere Dienststufe zu kommen?

Mäder: Mindestens einmal pro Woche haben wir Italienischunterricht. Denn für höhere Stufen braucht man gute Sprachkenntnisse. Zum Beispiel, um am Eingang mit Leuten zu sprechen, um ihnen den Weg zu erklären oder nach ihrem Ausweis zu fragen. Auch als Postenchef muss man gut Italienisch können, um beispielsweise Führungen zu machen.

Ein Schweizergardist im Dienst.
Ein Schweizergardist im Dienst.

Und wie läuft es mit dem Italienischen?

Mäder: Es geht gut voran. Ich muss mich selbst an der Nase nehmen und regelmässig die Hausaufgaben machen. Es hilft, wenn ich hinaus in die Stadt gehe und so viel wie möglich mit den Leuten spreche. Momentan bin ich dem französischsprachigen Geschwader zugeteilt. Weil mein Französisch nicht so gut ist, muss ich dort ebenfalls Italienisch sprechen. Ich fühle mich zum Glück schon recht sicher.

Wen haben Sie an die Vereidigung eingeladen?

Mäder: Familie und Freunde. Ich habe schon einen Plan gemacht, was ich ihnen zeigen will. Wir sehen uns die Kaserne an und in die Vatikanischen Gärten und in den Palast gehen wir auch. Am Abend essen wir auswärts. Es ist schon fünf Monate her, als ich meine Familie länger als ein Wochenende gesehen habe.

«So tief im Süden war ich vorher noch nie.»

Haben Sie manchmal Heimweh?

Mäder: Am Anfang musste ich mich an den neuen Ort gewöhnen. So tief im Süden war ich vorher noch nie. Ich bin in meinem Leben noch nicht so viel herumgereist. Manchmal hat es sich am Anfang schon wie Heimweh angefühlt. Inzwischen bin ich voll im Gardealltag drin, manchmal vergesse ich sogar, welchen Tag wir haben.

Wie ist die Kameradschaft unter den Gardisten?

Mäder: Jeder findet hier einen Kollegen. Immer ist jemand da, der mit einem essen oder einkaufen geht oder mal eine Tour zum Kolosseum macht.

Gardekaplan Pater Kolumban Reichlin und Gardekommandant Christoph Graf im Gespräch.
Gardekaplan Pater Kolumban Reichlin und Gardekommandant Christoph Graf im Gespräch.

Ist der Gardekaplan eine Unterstützung für Sie?

Mäder: Der Kaplan hilft uns sehr. Wenn wir Heimweh haben, Ängste oder Sorgen können wir zu ihm gehen. Er nimmt uns auch die Beichte ab. Ab und zu haben wir auch eine Lektion bei ihm. Er hat uns die Vereidigung erklärt, was auf uns zukommt und was unser Schwur bedeutet. Wir haben mit ihm auch über unsere Gottesbilder gesprochen. Am Sonntag besucht er uns während des Dienstes. Er ist immer bereit für ein Gespräch.

Sie leisten Ihren Dienst als Söldner. Was denken Sie über die Söldnerdienste heute und in der Vergangenheit?

Mäder: Früher war das Söldnertum eine sehr lukrative Methode, um Geld zu verdienen. Neben der Landwirtschaft war das Söldnertum der zweitgrösste Wirtschaftszweig in der Eidgenossenschaft. Die Söldner konnten durch ihre Zuverlässigkeit und Loyalität ein gutes Image der Schweiz aufbauen. Von dem können wir heute noch profitieren. Aktuelle Söldner wie die Wagner-Gruppe aus Russland oder die französischen Fremdenlegionäre haben heute kein gutes Image. Die Gardisten sehe ich nicht als Söldner, sondern eher als Leibgarde des Vatikans. Wir ziehen nicht in den Krieg, aber wir sind parat, um den Papst zu beschützen.


Bereit zur Vereidigung: Yannis Mäder aus Wohlen AG. | © Jessica Krämer
6. Mai 2023 | 09:45
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