Die Menora ist ein Symbol fürs Judentum.
Schweiz

Schweizer Bischöfe zum Tag des Judentums: «Wir müssen solidarisch gegen das Böse kämpfen»

Christen und Juden haben eine gemeinsame messianische Hoffnung: Frieden auf Erden. Diese gelte es aufrechtzuerhalten, auch angesichts der aktuellen Gewalt in Nahost, schreibt Mariano Delgado. Er hat die Botschaft der Schweizer Bischofskonferenz zum Tag des Judentums am Sonntag verfasst.

Regula Pfeifer

Die messianische Hoffnung der Juden und Christen muss wachgehalten werden, ist Mariano Delgado überzeugt. «Denn wir brauchen Friedensvisionen als kontrafaktische Sehnsucht zur real existierenden Geschichte.» Dies sei besonders notwendig «in diesen Tagen, in denen in Palästina der brutale Terrorangriff von Hamas den Teufelskreis der Gewalt erneut entfesselt hat.» Mariano Delgado schreibt die Botschaft als Mitglied der Jüdisch/Römisch-katholischen Gesprächskommission (JRGK). Er ist Professor für Kirchengeschichte und Direktor des Instituts für das Studium der Religionen und den interreligiösen Dialog an der Universität Freiburg (Schweiz).

Die Friedensbotschaft der Engel

Die Friedensvision ist laut Delgado in der Friedensbotschaft der Engel ausgedrückt. Diese besagt: «Verherrlicht ist Gott in der Höhe, und auf Erden ist Friede bei den Menschen seiner Gnade» (Lk 2,14). Damit reihe der Evangelist Lukas die Geburt Jesu in die Tradition des messianischen Friedensfürsten (Jes 9,5) ein.

Ein Engel im bischöflichen Ordinariat in Freiburg.
Ein Engel im bischöflichen Ordinariat in Freiburg.

Doch eigentlich seien sowohl die Menschheitsgeschichte als auch die Kirchengeschichte von Gewalt geprägt, schreibt Delgado weiter. Trotz der Heiligen Allianz von 1815 seien die Nationen Europas im Ersten Weltkrieg «brutal aufeinander losgegangen».

Gewalt auch im Christentum vorherrschend

In der Kirchengeschichte hätte zwar «die Friedensbotschaft der Engel eine besondere Resonanz finden sollen.» Doch auch im Christentum sei Gewalt vorherrschend gewesen – Stichworte: «intolerante Ausschliesslichkeit, die Kreuzzüge, die Ketzer- und Hexenprozesse, den Antijudaismus». Gewalt wurzelt laut Delgado nicht nur in der Natur des Menschen, sondern auch in der biblischen Erzählung. Die Menschheitsgeschichte beginne da mit Gewalt und Brudermord.

Hochreligionen stellten den Versuch dar, die Natur des Menschen zu «zähmen», den «homo homini lupus» (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf) in einen «homo homini amicus» (der Mensch ist dem Menschen ein Freund) zu verwandeln, heisst es in der Botschaft weiter. Allerdings sei der bisherige Fortschritt vor allem technischer Art gewesen.

Das Gewaltproblem bleibe weiterhin ungelöst – trotz Zivilisation und Beitrag der Weltreligionen dazu. Zwar sei die Gewalt durch das Gewaltmonopol des modernen Rechtsstaates oder durch die kulturelle Domestikation der tierischen Natur des Menschen zeitweise eingedämmt worden, aber mit Rückschlägen.

«Man kann wohl sagen, dass die Welt ein Stück weit ‹zusammengewachsen› ist.»

Immerhin gebe es Hoffnung. So sei das Bewusstsein der Einheit der «Menschheitsfamilie» gewachsen, nicht zuletzt dank der Wirkung des biblischen Gedankens der universalen Gottebenbildlichkeit aller Menschen. Verwiesen wird dabei auf die internationale Foren, in denen die Weltprobleme gemeinsam besprochen würden, auf die weltweite Solidarität bei Katastrophen und das – durch Reisen und Medien beflügelte – Wachstum des Bewusstseins, «dass die leidenden Fernsten uns zum Nächsten werden können». «Man kann wohl sagen, dass die Welt ein Stück weit ‹zusammengewachsen› ist», folgert Delgado.

Krieg in Nahost: Schwester Nabila kümmert sich um Notleidende
Krieg in Nahost: Schwester Nabila kümmert sich um Notleidende

Beitrag zum Kommen des Reiches Gottes leisten

Er ruft – im Namen der Schweizer Bischöfe – die Juden- und Christen dazu auf, an ihrer gemeinsamen messianischen Hoffnung festzuhalten –  im Bewusstsein ihrer von Gewalt geprägten Geschichte. «Wir müssen gegen das Böse solidarisch kämpfen. So können wir unseren Beitrag zum endgültigen Kommen des Reiches Gottes leisten, das ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens, der Wahrheit und der Freiheit ‹für alle› ist», lautet die Botschaft. «Wenn wir uns Gott, seiner Barmherzigkeit und Gnade öffnen, kann die Kraft des Guten die Gewalt des Bösen überwinden, in uns und in der Welt.»

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Die Menora ist ein Symbol fürs Judentum. | © Christoph Knoch
19. Januar 2024 | 13:00
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