Juli Gudehus
Schweiz

Schöpfungsgeschichte mit Lacoste, Starbucks und Mercedes

Basel, 7.12.17 (kath.ch) Im neuen Buch «Genesis» aus dem Patmos-Verlag stellt die Gestalterin Juli Gudehus die Schöpfungsgeschichte in Piktogrammen dar: einfache Zeichen aus Computerschriftarten, aber auch Markenzeichen, die passend zur Geschichte Sterne, Tiere oder Pflanzen darstellten. Entstanden ist das Buch aus rein künstlerischem Impuls. Kath.ch hat sich dennoch im christlichen Kontext umgehört, zu was das Buch taugt: zum Predigen oder einfach für ein christliches Schmunzeln?     

Boris Burkhardt

Am fünften Tage erschuf Gott Lacoste, Starbucks, Erdal, Shell und den Fischer-Verlag…? Hoffentlich sind die meisten Leser von Juli Gudehus’ neuem Buch «Genesis» mit dem Originaltext im Alten Testament vertraut genug, um zu wissen, dass hierbei nicht tatsächlich die Marken und ihre Produkte gemeint sein können.

Genesis in Piktogrammen | © Patmos-Verlag/Juli Gudehus

Denn die Gestalterin (Jahrgang 1968), die heute in Berlin wohnt, hat mit ihrem Buch keineswegs eine Parodie der Schöpfungsgeschichte geschaffen, sondern eine durchaus ernstgemeinte, wenn auch mit einem Augenzwinkern zu lesende Interpretation, die die Schöpfungsgeschichte in Zeichen bildlich darstellt – bereichert eben mit einigen Markenzeichen, die zum Beispiel wie eingangs erwähnt als Krokodil, Meerjungfrau, Frosch, Muschel und Fischtrio die Erschaffung «allen Getiers, davon das Wasser wimmelt,» darstellen.

Ähnlichkeit mit den Hieroglyphen Ägyptens

Als Studentin der Visuellen Kommunikation veröffentlichte Gudehus diese Piktogramm-Version bereits 1992, wie sie sich erinnert, «damals noch mit Kopierer und Filzstift». Das heutige Buch, erschienen im Patmos-Verlag, ist eine Überarbeitung und Modernisierung der damaligen Studentenarbeit. Auf den linken Seiten des Buchs steht der Text in wenigen Zeilen, rechts die entsprechende Übertragung in die Bildsprache. Natürlich fiel auch der Autorin sogleich die Ähnlichkeit mit den Hieroglyphen der Ägypter auf. Doch Gudehus’ Bildsprache bleibt bei der oberflächlichen Ähnlichkeit.

«Die Zeichen sind losgelöst von ihrem Kontext»

So suchte sich Gudehus nach eigener Aussage die verwendeten Zeichen nach rein optischen Gesichtspunkten aus; ihre ursprüngliche Bedeutung solle keine Rolle mehr spielen: «Es ist der Clou, dass die Zeichen losgelöst sind von ihrem Kontext.» Also dürfte selbst Don Camillo das Buch ohne Wutanfall auf Peppone lesen, wenn er «Da machte Gott» bildlich als Hammer und Sichel dargestellt sähe. Tatsächlich sei interessant, wieviel Symbolik Konzerne aus der Bibel übernommen hätten, meint Gudehus, so den Apple-Apfel der Erkenntnis, die Dove-Friedenstaube oder den Ichthys-Nordsee-Fisch.

Symbol der Freimaurerei für Gott

Einige Zeichen in der nun veröffentlichten Neuauflage sind allerdings von Gudehus bearbeitet. Viel Zeit habe sie auf die Suche nach einem Zeichen für Gott verwendet: Sie fand ihn schliesslich in einem Dreieck mit Auge und Strahlenkranz, so wie Gott bisweilen auch in Cartoons dargestellt wird – dass das ein Symbol der Freimaurerei ist, habe sie erst später erfahren. Den Punkt mit dem Bogen darüber, die im Dreiecksymbol Pupille und Augenbraue darstellen, verwendet Gudehus später wieder, als Gott sich am siebten Tage als Strichmännchen in seinen Sessel niederlässt: Dort stellen sie seinen Kopf mit dem Heiligenschein darüber dar.

Genesis in Piktogrammen | © Patmos-Verlag/Juli Gudehus

Konsequenterweise wählte sie das WLAN-Zeichen, ein Punkt mit vielen Bogen darüber, für den Heiligen Geist. Die Schöpfung von Pflanzen und Tieren, wie eben der Meeresbewohner, stellte Gudehus bewusst in ihrer Mannigfaltigkeit dar: «Seid fruchtbar und mehret euch – das habe ich sehr ausführlich dargestellt», lacht sie.

Die vielen Markzeichen, so auch die Sternenhimmel auf den Umschlagsinnenseiten, in denen Mercedes, NASA, EU, Dream Works, Subaru und sogar die Red Hot Chili Peppers prangen, irritierten auch Pfarrer Stefan Kemmler von der Basler Pfarrei St. Anton auf den ersten Blick.

«Ich könnte mir ein Quiz damit vorstellen.»

«Mein erster Gedanke war, ob das ganze amerikanische Zeugs wirklich sein müsse, bis ich merkte, dass die Autorin diese Markenzeichen generell verwendet», erzählt er. Der katholische Geistliche bleibt skeptisch: Verwenden würde er das Buch vermutlich nicht, weder in einer Predigt noch in pädagogischer Arbeit mit Menschen verschiedenen Alters. «Die Bildtexte sind anstrengend zu lesen», sagt er; «ich könnte mir höchstens ein Quiz damit vorstellen, wo man die Bilderreihen dem richtigen Textabschnitt zuordnen muss.»

Genesis in Piktogrammen | © Patmos-Verlag/Juli Gudehus

Roland Dobler von der Fachstelle für Unterricht der Reformierten Kirche Baselland kann mit Gudehus’ Werk deutlich mehr anfangen: Bei Erwachsenen, die mit dem Text vertraut sind, sagt er, «kann die Beschäftigung mit der Symbolschrift durchaus zu Verständnisimpulsen führen». Bei Kindern bleibe es allerdings beim Knobeln und Tüfteln, wenn der Originaltext nicht bekannt sei.

Bibeltext über Verfremdung bewusster wahrnehmen

Mit der nötigen didaktischen Aufbereitung könnte die Bildübersetzung aber «durchaus ein Ziel im Unterricht sein, den eigentlichen Text über die Verfremdung bewusster wahrzunehmen». Die unkonventionelle Darstellung findet Dobler amüsant: «Gottes Schöpfung wird sozusagen in Analogie zu alltäglichen Handlungen wie Kochen oder Lichtanknipsen gesetzt.»

«Das ist ein überholtes Bibelverständnis.»

Wörtlich genommen stellten diese Handlungen allerdings Gott als einen Zauberer vor: «Das ist ein überholtes Bibelverständnis.» Im Gottesdienst hinge es vom Prediger ab, «ob der Text als vertiefender Impuls oder als ‹Verunglimpfung› des Bibeltextes verstanden wird».

«Gottes Schöpfung in Analogie zu Kochen oder Lichtanknipsen»

Die erste Version der «Genesis in Piktogrammen» von 1992 fand so grossen Zuspruch, dass sie in den Religionsbüchern verschiedener deutscher Schulbuchverlage auszugsweise übernommen wurde. So die Zeile, wie Gott Himmel und Erde erschafft, im Buch «Glaube und Naturwissenschaft» des Calwer Verlags Stuttgart für die gymnasiale Oberstufe.

«Die Erschaffung Adams» von Michelangelo | © CC0

Lektor Hans-Jörg Gabler fasziniert an Gudehus’ Versuch vor allem die «Spannung zwischen uraltem Text und moderner ikonographischer Umsetzung». Die Darstellung Gudehus’ in einzelnen Bildern lasse sich gut dem Fresko «Die Erschaffung Adams» von Michelangelo, mit der berühmten Berührung von Gottes Finger, gegenüberstellen: «Michelangelo geht in Form, Farbe, Gegenständlichkeit und Geschlossenheit einer einzigen Szene einen ganz anderen Weg».

«Unbelastet gegenüber dem Christentum»

Für Regine Meyer-Arlt vom Georg-Westermann-Verlag Braunschweig geht es im Religionsunterricht auch «um die Auseinandersetzung mit Kunstwerken und die Gewinnung ästhetischer Kompetenz»: Gudehus’ Piktogramme könnten die Schüler gut mit alten Abbildungen zum selben Thema, beispielsweise in der Grandval-Bibel aus dem 9. Jahrhundert mit vier Seiten Miniaturen, vergleichen.

«Es sind tolle Geschichten in der Bibel.»

Gudehus selbst bezeichnet sich als «unbelastet gegenüber dem Christentum»: Sie sei getauft und konfirmiert, ihre Familie aber «nicht besonders kirchennah». Ihre Arbeit begann sie also aus eher künstlerischem als religiösem Antrieb. Aber ihr Interesse an der Bibel wachse zunehmend, erzählt sie, wenn auch in erster Linie aus historischer und psychologischer Sicht: «Es sind tolle Geschichten in der Bibel. Ich staune selbst, wieviel ich noch weiss.» Erst kürzlich habe sie sich intensiver mit Hiob beschäftigt.

Hinweis: Juli Gudehus: «Genesis: Die biblische Schöpfungsgeschichte in Zeichen zum Wundern», Verlagsgruppe Patmos der Schwabenverlag AG, ISBN 978-3-8436-0963-0. Leseprobe. 

 

Juli Gudehus | © zVg
7. Dezember 2017 | 14:30
Lesezeit: ca. 4 Min.
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