Anstehen am «Foodsave-Bankett» in Bern
Schweiz

Salat von gestern für Leute von heute an Berner Erntedankfest

Bern, 23.9.16 (kth.ch) Eine Initiative junger Leute gemeinsam mit der offenen Kirche Heiliger Geist in Bern wurde zum vollen Erfolg. Schon lange bevor um 18 Uhr das Speisebuffet für «Foodsave-Bankett» am Donnerstag auf dem Bahnhofplatz eröffnet wurde, waren die 400 Sitzplätze besetzt. Für das Erntedankfest wurden «unkalibrierte» Speisen zubereitet.

Georges Scherrer

Die Leute stehen in zwei über dreissig Meter langen Schlangen an. Am Ausschank steht Mirko Muri. Er ist Küchenchef beim ersten Foodwaste-Restaurant der Schweiz «Mein Küchenchef«. Für einen Koch ist es das höchste der Gefühle, wenn er endlich seine zubereiteten Speisen an die Hungrigen weitergeben kann. Der Küchenchef bietet eine Gemüse-Curry mit Blumenkohl, Lauch, Brokkoli und Karotten an, «alles Biogemüse, das nicht kalibriert ist und weggeworfen würde». Nun landet es «in den Mägen der Berner und die sind alle heiss darauf», so der Koch.

Ein behäbiger Berner sitzt etwas verdattert an einem Tisch und bemerkt. «Ich habe aus Versehen mit dem Dessert angefangen. Es ist aber sehr gut.» Dass vor ihm ein Dessert aus Wegwerfbeständen steht, wusste er nicht. Sein Freund habe ihn einfach mitgeschleppt. Dieser hat es besser getroffen. Der bunte Salatteller, ein «Wegwerfessen», wie er sagt, schmeckt ihm ausgezeichnet und der Anlass ist «eine gute Idee». Eine Passantin sagt: «Das sieht aber gut aus!» Die Pendlerin eilt aber weiter, denn sie muss auf den Zug.

Urbane Form des Dankes

Über die Hintergründe des Anlasses klärt der reformierte Pfarrer Andreas Nufer auf, der dem Projektleitungsteam der offenen Kirche Heiliger Geist beim Berner Bahnhof angehört. Zusammen mit einem grossen Organisationskomitee wurde als Erntedankfest das «Foodsave-Bankett» auf die Beine gestellt. Dieses stelle einen «urbane Form des Dankes» dafür dar, dass «alles gut läuft im Leben und jeden Tag das Essen auf den Tisch kommt».

In der christlichen Tradition gehörten «Danken und Denken zusammen». Aus diesem Grund wolle das Erntedankfest auf dem Berner Bahnhofplatz sanft darauf hinweisen, dass etwa ein Drittel der Nahrungsmittel in der Schweiz fortgeworfen werden, «was auf Neudeutsch foodwaste heisst», so Nufer.

Mit dieser Botschaft wollen die Organisatoren nicht am schlechten Gewissen bei den Hunderten von Essenden rütteln. Flyer werden nicht verteilt. Auf dem Platz stehen aber einige Plakate zum Thema «foodwaste». Diese wurde von einer Klasse der Schule für Gestaltung in Basel kreiert. Der Schule wurde erlaubt, diese in Bern aufzustellen.

Bier vom Discounter und Salat vom Bauer

Zu Tisch sind alle Volksschichten willkommen. Mehr als zwanzig Organisationen, darunter NGO, Basisgruppen, Studentinnen-Gruppen, beteiligen sich am Anlass. Gegen fünfzig Freiwillige helfen mit. Ein grosses Team kocht in der Küche des Fünf-Stern-Hotels «Schweizerhof», das am Bahnhofplatz liegt. Randständige, die jeweils den Bahnhofplatz bevölkern, haben geholfen, die Tische aufzustellen und zu schmücken.

«Alle Speisen, die gekocht werden, landen normalerweise im Abfall oder auf dem Komposthaufen», erklärt Nufer weiter. Das Material wurde von der «Schweizertafel«  und von mehreren Bauernhöfen in der Umgebung Berns geliefert. Diese lieferten Gemüse, «das nicht der Norm entspricht und darum den Grossverteilern nicht verkauft werden kann.» Die Aktion soll gemäss Nufer wenn möglich in den kommenden Jahren wiederholt werden.

Einfach super

Cedrik gehört zu jenen, welche beim Aufstellen der Tische halfen. Auf dem Tisch stehen Bierdosen. Zum Teller, den er vor sich hat, sagt er: «Das ist super. Vier verschiedene Salate und das Curry mit Gemüse: Das ist also fantastisch.» Dass das Buffet kein Fleisch anbietet, stört ihn nicht. Er weiss aber, woher die Rohspeisen stammen – «und das ist eine Superidee».

Zwei Frauen geniessen sichtlich die Speisen. Die Damen gesetzteren Alters müssen stehen, weil es an den Tischen keinen Platz mehr hat. «Zuhause achte ich darauf, dass ich nichts wergwerfe», erklärt eine der beiden. Die Aktion sei super. «Man hat nicht mit so vielen Leuten gerechnet. Mich nimmt es wunder, ob es für alle reichen wird. Also, mit dem Tupperware mitbringen, um etwas für sich mit nach Hause zu nehmen, das liegt heute sicher nicht drin», sagt sie und fährt mit der Gabel erneut in ihren Teller.

Anstehen am «Foodsave-Bankett» in Bern | © 2016 Georges Scherrer
23. September 2016 | 15:38
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