«Wir leben nicht nur heute in einer instabilen Zeit!»

Dachsen ZH, 18.7.16 (kath.ch) Roland Gröbli, katholischer Unternehmer, nutzt die Ferien, um seinen Horizont zu erweitern. Dieses Jahr fährt er nach Ostdeutschland und Polen. Begegnungen und Lektüre machen ihm bewusst, wie sehr Veränderungen zum Leben gehören. Ein Beitrag zur Sommerserie «Katholikinnen und Katholiken erzählen von ihren Ferien».

Sylvia Stam

Roland Gröbli, wo verbringen Sie dieses Jahr Ihre Ferien?

Roland Gröbli: Meine Frau, eine kolumbianisch-schweizerische Doppelbürgerin, ist als Referentin einer Sommerakademie nach Jena (D) eingeladen. Wir nehmen dies zum Anlass, Regionen im Osten Deutschlands sowie in Polen kennen zu lernen. Wir freuen uns auf Städte wie Wittenberg (D), Breslau oder Krakau (PL).

Bedeutet Ferien für Sie, Kultur zu geniessen?

Gröbli: Ferien heisst für uns in erster Linie, Neues kennen zu lernen, zum Beispiel Polen. Der Universalgelehrte Conrad Gessner (1516 – 1565) pflegte beispielsweise Briefkontakte mit vielen Persönlichkeiten in jenem Teil Europas. Polen ist Teil der europäischen Kulturlandschaft. Wir sind uns dessen zu wenig bewusst und unterschätzen Polen zu Unrecht.

«Wir unterschätzen Polen als Teil der europäischen Kulturlandschaft zu Unrecht.»

Sind die Ferien auch eine Bereicherung für die Partnerschaft?

Gröbli: Auf jeden Fall! Ferien sind die beste Gelegenheit, das Gespräch mehr zu pflegen. Wir sind jeweils gerne unterwegs: im Zug, im Flugzeug, auf dem Velo. Da gibt es viel zu besprechen, ein Wort gibt das andere.

Eine Partnerschaft muss aber das ganze Jahr über gepflegt werden. Wir haben gemerkt, dass es uns und der Beziehung guttut, jede Woche einen gemeinsamen Abend bewusst zu gestalten.

Sie haben die Lutherstadt Wittenberg erwähnt. Spielt Religion eine Rolle in Ihren Ferien?

Gröbli: Religion im Sinne von Respekt ist mir lieb und wichtig. Ich bin überzeugt, dass wir uns einer Macht anvertrauen dürfen, die über uns steht. Daraus schöpfe ich Urvertrauen und persönliche Gelassenheit. Und deshalb engagiere ich mich als Präsident der VCU Zürich und als Vorstandsmitglied des Trägervereins «600 Jahre Niklaus von Flüe».

2017 dürfen wir sowohl «600 Jahre Niklaus von Flüe» wie «500 Jahre Reformation» feiern. Ein Grund mehr, nach Wittenberg zu fahren. Geschichte fasziniert mich. Je mehr wir von Geschichte verstehen, desto besser können wir aktuelle Entwicklungen einordnen. Solche Lektüre macht mir bewusst, dass wir nicht nur heute in einer instabilen Zeit leben, der stete Wandel ist Teil des Lebens.

Was bedeutet Arbeit für Sie?

Gröbli: Mir ist es wichtig, dass das, was ich tue, sinnvoll ist, und dass ich in dem, was ich tue, einen Sinn sehe. Mit meiner Lohnarbeit trage ich zusammen mit meiner Frau dazu bei, unseren drei Kindern ein Zuhause zu bieten, gemeinsam viel Schönes zu erleben und ihnen Ausbildung und Studium zu finanzieren. In schwierigen beruflichen Situationen hat mir der Gedanke an diesen ‹Sinn der Arbeit› geholfen, gelassener zu bleiben und mit Konflikten besser umzugehen.

Inwiefern spielt Religion in Ihrem Arbeitsalltag eine Rolle?

Gröbli: Ich bin überzeugt, dass wir überall im Leben Ritualen und Regeln begegnen, die als ‹religiös› wahrgenommen werden könnten. In unserer Firma ist es üblich, uns vor jeder Sitzung mit Handschlag zu begrüssen und es ist verpönt, sich abwertend über andere zu äussern. Ich schätze das sehr. Selbstverständlich gilt dies nicht als ‹religiös› sondern als gute Firmenkultur. Neue Mitarbeitende aus aller Welt nehmen diese wahr, weil so viel Respekt nicht in allen Unternehmen selbstverständlich ist.

«Zum Freizeitgefühl gehören für mich die Kappe und bequeme Schuhe.»

Ferien unterbrechen den Berufsalltag. Gibt es in Ihrem Berufsalltag noch andere Formen von Unterbrechung?

Gröbli: Die Antwort lautet Ja und Nein. Ja, denn ich wechsle immer die Kleider, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme. Zum Freizeitgefühl gehören für mich die Kappe und bequeme Schuhe. Andererseits habe ich kein Problem, in der Freizeit Emails zu beantworten und vieles zu erledigen, was zu den beruflichen Aufgaben gehört. Öfters fahre ich am Wochenende mit dem Velo – und in Freizeitkleidung – ins Büro und erledige Liegengebliebenes. Trotzdem ist es ‹meine› freie Zeit.

Andererseits planen wir bei längeren Geschäftsreisen Unterbrechungen bewusst ein. Die einen nutzen diese Zeit für Sport. In Lateinamerika, wo ich sieben Jahre lebte, gibt es die Aussage «Ich habe Zeit verloren» nicht. Es ist immer meine Zeit. Eine Viertelstunde Wartezeit ist kein Zeitverlust, sondern eine Gelegenheit, den Kopf zu lüften, etwas zu lesen oder über etwas nachzudenken.

Was hoffen Sie, aus den Ferien in den Arbeitsalltag mitzunehmen?

Gröbli: Zu meinem Lebenskonzept gehören Ethos, Logos und Pathos. Auch in den Ferien braucht es eine Bereicherung durch Werte (Ethos), etwas für den Kopf (Logos) und etwas fürs Gemüt (Pathos). Das kann ein gutes Essen, eine schöne Wanderung und vieles andere mehr sein. Im Ausland lernt man ausserdem das eigene Land am besten kennen. Man erhält einen Spiegel, kann vergleichen und merkt: Es gibt nicht nur eine Wahrheit. Ferien bestätigen uns immer wieder: Viele Wege führen nach Rom. (sys)

Roland Gröbli ist Präsident der Vereinigung Christlicher Unternehmer Regionalgruppe Zürich sowie Vorstandsmitglied im Trägerverein «600 Jahre Niklaus von Flüe». Beruflich ist er als Generalsekretär bei einem international tätigen Industrieunternehmen in Schaffhausen tätig.

 

Roland Gröbli mit Freizeitkappe | © Sylvia Stam
18. Juli 2016 | 10:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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