Renata Asal-Steger
Schweiz

Renata Asal-Steger: «Gleichberechtigung gibt es nicht in Raten»

Dass sich die katholische Kirche nicht an die Menschenrechte hält, findet Renata Asal-Steger «schamlos». Auch wenn Frauen in der Pastoral der Schweizer Kirche schon viel machen können: Die Realität der Ungleichheit spiegele «sich ungeschönt im Altarraum wider». Bei einem Ereignis kamen ihre sogar die Tränen.

Jacqueline Straub

«Auf dem politischen Parkett hat sich zwar in den letzten Jahrzehnten in Richtung Gleichberechtigung einiges getan, aber nicht in unserer Kirche», schreibt Renata Asal-Steger in der aktuellen «Herder Korrespondenz». Sie war bis Ende Dezember 2023 Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ) und war Schweizer Online-Delegierte bei der Kontinentalsynode in Prag.

"Gottes starke Töchter", Herder Korrespondenz
"Gottes starke Töchter", Herder Korrespondenz

In ihrem Beitrag kritisiert sie, dass die katholische Kirche nach aussen für die Einhaltung der Menschenrechte und die Gleichwürdigkeit aller Menschen plädiert. «Doch in ihrer eigenen Organisation setzt sie sich schamlos über diesen Massstab hinweg, obwohl es für die Zulassung der Frauen zu allen geistlichen Ämtern gute theologische Gründe gibt.» Zahlreiche Berufungserfahrungen von Frauen bestätigen, dass «Gott es so will». Sie zitiert damit ein im Jahr 2021 erschienener Band der deutschen Benediktinerin Philippa Rath, die über 150 Frauen, die eine diakonische oder priesterliche Berufung spüren, zu Wort kommen liess.

«Eine Kirche, in der die Gläubigen auch die Verkündigung, die Liturgie, die ethischen Positionen und die Ausgestaltung der Ämter und Dienste verantwortlich mitprägen können, wäre nicht nur geschwisterlicher, sondern auch glaubwürdiger und in der Gesellschaft besser verankert», schreibt sie.

Entwicklungen aus pastoraler Not

Auch wenn in der Pastoral der Schweizer Kirche bereits vieles möglich ist, spüre sie dennoch strukturelle Grenzen im Alltag für die Frauen und erinnert daran, dass die Entwicklungen – etwa, dass es Gemeindeleiterinnen gibt – aus einer pastoralen Not heraus entstanden und «nicht gleichzusetzen mit Gleichwertigkeit» sind.

Nicht geweihte Männer und Frauen stehen weiter hinten
Nicht geweihte Männer und Frauen stehen weiter hinten

So standen bei der Bischofsweihe des Basler Weihbischofs Josef Stübi die Regionalverantwortlichen des Bischofsvikariat (immer ein Priester und eine nicht geweihte Person) nicht zusammen am Altar, sondern nach geltender kirchlichen Rangordnung: Die Bischofsvikare standen zusammen in der Mitte, die Frauen und die nicht geweihten Männer waren am Rande platziert. «Die Realität spiegelte sich ungeschönt im Altarraum wider», so Asal-Steger.

Zweite Reihe für die Frau

Renata Asal-Steger berichtet von einer Feier zur Einrichtung eines Pastoralraumes, bei welcher die Leiterin des Pastoralraumes nicht zusammen mit ihren Priesterkollegen am Altar stand. «Ihr Platz war ein bis zwei Meter weiter hinten. Keiner der Männer, auch nicht der Bischof, holte diese Seelsorgerin nach vorne! Ganz allein liess man(n) sie hinten stehen. Mir kamen die Tränen. Noch heute erfüllt mich diese Erinnerung mit Trauer, Schmerz und Wut», schreibt sie.

Frau im liturgischen Gewand
Frau im liturgischen Gewand

Für Asal-Steger steht fest: Wenn die katholische Kirche das Evangelium glaubwürdig verkünden will, darf sie den Frauen nicht weiterhin die gleichen Rechte vorenthalten. «Gleichberechtigung gibt es nicht in Raten. Gleichberechtigung lässt sich nicht aufteilen. Gleichberechtigung gibt es ganz – oder gar nicht.»

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Die Frauenfrage darf deshalb nicht mehr schrittweise angegangen werden. Da die Gleichberechtigung noch nicht umfassend vorhanden ist, brauche es Menschen, «die nicht müde werden, aufzustehen, ihre Stimme zu erheben, sicht- und hörbar dafür einzustehen, dass Frauen gleich- und vollwertige Mitglieder der Kirche sind».

Wandel von unten

Die Geschichte des schweizerischen Frauenstimmrechts zeige, dass Entschlossenheit und Beharrlichkeit Erfolg haben. In der katholischen Kirche brauche es einen ganz besonders langen Atem, so Asal-Steger.

Sie gibt die Hoffnung nicht auf und will sich weiterhin für eine glaubwürdige Kirche einsetzen. Inzwischen ist sie davon überzeugt, dass der Wandel von unten herbeigeführt werden muss.


Renata Asal-Steger | © Christian Merz
31. März 2024 | 17:00
Lesezeit: ca. 2 Min.
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