Renata Asal-Steger bei der 50-Jahrfeier.
Schweiz

Renata Asal-Steger: «Es war eine Ehre, als Frau diese Führungsaufgabe zu übernehmen»

Zum Ende ihrer Amtszeit als RKZ-Präsidentin schaut Renata Asal-Steger auf vier bewegte Jahre zurück. Die Ablehnung der Landeskirchen, den Finanzhebel «als ultima ratio» einzusetzen, habe sie überrascht. Ihrem Nachfolger Roland Loos wünscht sie «Kraft und Unterstützung und Gottes reichen Segen».

Annalena Müller

Frau Asal-Steger, im Januar übergeben Sie den Stab an Roland Loos in besonders turbulenten Zeiten. Wie fühlen Sie sich?

Renata Asal-Steger*: Die vier Jahren, in denen ich das Amt der RKZ-Präsidentin ausüben durfte, waren für mich eine ganz besondere Zeit. Ich bin sehr dankbar für die vielen wertvollen Begegnungen und Erfahrungen. Es ist für mich eine Ehre, dass ich als zweite Frau eine solche Führungsverantwortung in der katholischen Kirche ausüben durfte. Neben Dankbarkeit, Freude, Stolz und Wehmut, sind da aber auch weitere Gefühle.

Nämlich?

Asal-Steger: Ich merke, dass das Amt, insbesondere in den letzten Monaten, mich Kraft gekostet hat. Neben der zeitlichen Inanspruchnahme forderte es  emotionale Kraft. Von daher spüre ich neben Wehmut auch eine gewisse Erleichterung. Mit Roland Loos weiss ich das Amt in sehr guten Händen.

Stabwechsel im neuen Jahr: Roland Loos übernimmt das RKZ-Präsidentenamt von Renata Asal-Steger an der Plenarversammlung der RKZ am 1. Dezember 2023.
Stabwechsel im neuen Jahr: Roland Loos übernimmt das RKZ-Präsidentenamt von Renata Asal-Steger an der Plenarversammlung der RKZ am 1. Dezember 2023.

Ihre Amtszeit war vom Thema Missbrauch geprägt – das Aushandeln der Missbrauchsstudie und im September die Veröffentlichung der Pilotstudie. Hat sich ihr Verhältnis zur katholischen Kirche in den letzten vier Jahren geändert?

Asal-Steger: Ich möchte vorausschicken, dass die katholische Kirche meine religiöse Heimat ist und sie mir sehr am Herzen liegt. Das ist nach wie vor so! Es ist aber auch so, dass die Missbrauchsthematik mich tief erschüttert. 

«Menschen, die in unserer Kirche Vertrauen und Schutz gesucht haben, wurde unfassbares Leid zugefügt.»

Dass unsere frohe und befreiende Botschaft, das Evangelium, so mit Füssen getreten wurde und bis heute wird, das schmerzt mich sehr. Ja, in meinem Innern hat sich ein Schmerz eingenistet. Menschen, die in unserer Kirche Vertrauen und Schutz gesucht haben, wurde unfassbares Leid zugefügt. Ihr Leben wurde oftmals zerstört.

Sie sind Mitglied der Genugtuungskommission der Schweizer Bischofskonferenz. Sie sind also an vielen Fällen besonders nah dran…

Asal-Steger: Ja, ich habe Akteneinsicht. Bis zum heutigen Tag kommen Enthüllungen ans Tageslicht. Das erschüttert mich jedes Mal zutiefst. Ich werde ich mich auch weiterhin engagieren, dass der Missbrauch und seine Vertuschung in der Kirche keinen Nährboden mehr finden.

«Als Kirchenverantwortliche müssen wir uns der Aufarbeitung des Missbrauchs stellen.»

Es muss endlich Licht in dieses Dunkel gebracht werden. Als Kirchenverantwortliche müssen wir uns der Aufarbeitung des Missbrauchs stellen. Es ist unsere Pflicht, hinzuschauen, hinzuhören und zu handeln. Und dazu braucht es auch strukturelle Veränderungen.

Welche strukturellen Veränderungen braucht es besonders dringend?

Asal-Steger: Die vier Forderungen der RKZ benennen die wesentlichen. Es braucht eine Teilung der Macht und es braucht die gleiche Würde und die gleichen Rechte für alle Getauften. Auch die problematische Sexualmoral, die in der katholischen Kirche nach wie vor herrscht, muss reformiert werden. All das wissen wir nicht erst seit gestern. Die Zeit drängt. Sie läuft uns davon, genau wie die Menschen, die scharenweise aus der Kirche austreten.

Urs Brosi und Renata Asal-Steger gingen im September auf Konfrontation mit der Schweizer Bischofskonferenz.
Urs Brosi und Renata Asal-Steger gingen im September auf Konfrontation mit der Schweizer Bischofskonferenz.

Im September hat das RKZ-Präsidium die Möglichkeit ins Spiel gebracht, finanzielle Mittel zurückzuhalten, sollten die Bischöfe sich nur unzureichend auf geforderte Reformen einlassen. Letzte Woche ist das Präsidium nun zurückgerudert. Finanzielle Druckmittel sind vom Tisch – warum?

Asal-Steger: Die Möglichkeit des Geldhebels als ultima ratio war ein Vorschlag, um den vier Forderungen, welche das RKZ-Präsidium im September an die Bischofskonferenz gestellt hat, besonderen Nachdruck zu verleihen.

«Falls sich nicht genug bewegt, könnten wir uns vorstellen, finanziell Druck auszuüben.»

In diesem Zusammenhang haben wir gesagt: Falls sich nicht genug bewegt, könnten wir uns vorstellen, finanziell Druck auszuüben. Aber wir haben immer gesagt: Das kann das RKZ-Präsidium nicht entscheiden, das muss in einem Konsultativverfahren mit den Mitgliedern eruiert werden. Und in diesem Verfahren hat sich gezeigt, dass die Mehrheit der kantonalkirchlichen Körperschaften einen solchen Schritt nicht mittragen möchte.

Raphael Meyer, katholischer Synodalratspräsident
Raphael Meyer, katholischer Synodalratspräsident

Hat Sie das überrascht?

Asal-Steger: Die grossmehrheitliche Ablehnung hat mich persönlich überrascht. Viele Mitglieder sahen darin eine Gefährdung für das duale System. Es wurde gesagt: «Das ist nicht die Art und Weise, wie wir im dualen System miteinander umgehen.» Über das weitere Vorgehen wurde demokratisch entschieden und selbstverständlich akzeptiert das Präsidium diesen Entscheid.

Könnte man sagen: Die Bischöfe haben gewonnen?

Asal-Steger: Ich glaube nicht, dass die Bischöfe sich so fühlen. Wir hatten eine sehr offene Aussprache im Kooperationsrat. Dabei haben wir die synodale Gesprächsmethode angewandt, die an der Weltsynode in Rom praktiziert worden ist. Das war sehr spannend und die Erfahrung hat mich beeindruckt.

«Die weiteren Forderungen seitens des RKZ-Präsidiums haben die Bischöfe verletzt.»

Besonders die Offenheit, mit der wir uns dort austauschen konnten. Die weiteren Forderungen seitens des RKZ-Präsidiums haben die Bischöfe verletzt. Ich kann diese Verletztheit ein Stück weit nachvollziehen. Aktuell sind finanzielle Konsequenzen definitiv vom Tisch.

Lässt das RKZ-Präsidium die Luzerner Landeskirche mit der Rücknahme des Finanzhebels im Regen stehen?

Asal-Steger: Ich gehöre dem Luzerner Synodalrat ja selbst an. Und ich würde nicht sagen, dass wir nun im Regen stehen. Auch in Luzern wurde ein grossmehrheitlicher, demokratischer Entscheid getroffen, von der Synode. Es wird nun eine Sonderkommission eingesetzt, die Kriterien aufstellt und dann gemäss diesen Kriterien eine Berichterstattung vom Bistum einfordert. Klar ist aber auch: Die budgetierten Gelder stehen dem Bistum Basel zu.

Luzerner Synodalrätin und RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger (Bildmitte) auf dem Weg zur Abstimmung am 08.11.2023.
Luzerner Synodalrätin und RKZ-Präsidentin Renata Asal-Steger (Bildmitte) auf dem Weg zur Abstimmung am 08.11.2023.

Das heisst?

Asal-Steger: Die Synode der Luzerner Landeskirche hat beschlossen, dass die erste Tranche des Bistumsbeitrages im Frühjahr 2024 vollumfänglich ausbezahlt wird. Für die Auszahlung der zweiten Tranchen wartet die Synode die Berichterstattung des Bistums ab. Und sie entscheidet an der Hebstsession 2024 über die Höhe der Auszahlung der zweiten Tranche. Selbst wenn die Synode beschliessen sollte, die zweite Tranche nicht oder nur teilweise zu überweisen, würde das Geld zu einem späteren Zeitpunkt an das Bistum ausgezahlt, sobald die Anforderungen eben erfüllt wären.

«Die eingeleiteten Schritte werden, sie müssen, weitergehen.»

Das Zähne-Zeigen der RKZ hat eine gewisse Dynamik entfesselt: Viele Reformforderungen sind von den Bistümern bereits in Angriff genommen worden. Haben Sie keine Sorge, dass diese Dynamik nun schwindet?

Asal-Steger: Die eingeleiteten Schritte werden, sie müssen, weitergehen. RKZ und SBK sind dazu miteinander im Gespräch und unterwegs. Wir müssen die kulturellen und strukturellen Reformen, welche unsere Kirche dringend braucht, gemeinsam angehen.

Ihre Amtszeit war nicht nur «Missbrauch». Was war Ihr schönstes Erlebnis als RKZ-Präsidentin?

Asal-Steger: Es gab viele schöne Erlebnisse. Das Highlight war sicher das 50-Jahr-Jubiläum der RKZ, auch wenn wir es wegen Corona erst mit einem Jahr Verspätung begehen konnten. Es tat gut, das Fest in diesem festlichen Rahmen und mit so vielen Gästen zu feiern: mit ehemaligen Delegierten, mit der Bischofskonferenz, mit der Präsidentin der Evangelischen Kirche Schweiz, Rita Famos, mit zahlreichen Vertreterinnen und Vertretern von mitfinanzierten Organisationen.

Renata Asal-Steger bei der 50-Jahrfeier der RKZ.
Renata Asal-Steger bei der 50-Jahrfeier der RKZ.

Sie waren auch viel international unterwegs…

Asal-Steger: Ja und diese Einladungen ins Ausland waren für mich persönlich sehr wertvoll. Im Bistum Speyer durfte ich im Frühling 2023 über die geschwisterliche Kirche ein Referat halten. Und im September 2023 war ich für die RKZ in Leipzig, bei der Tagung «Gottes starke Töchter». Auch dort durfte ich einen Redebeitrag leisten. Zu dieser Tagung wird Ende Februar ein Heft mit den verschiedenen Referaten erscheinen. Für all die Begegnungs-, Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten bin ich sehr dankbar.

«Ich werde mich auch künftig für eine gleichwertige, eine gleichberechtigte Kirche engagieren.»

Worauf freuen Sie sich besonders nach dem Ende Ihrer Amtszeit als Präsidentin?

Asal-Steger: Ich freue mich wieder auf etwas mehr Freiraum. Mehr Zeit für meine Familie, für meine Freundinnen und Freunde, aber auch für mich persönlich. Ich werde mich auch künftig für eine gleichwertige, eine gleichberechtigte Kirche engagieren. Einfach nicht mehr an vorderster Front.

Welchen Ratschlag geben Sie Ihrem bisherigen Vize und designierten Nachfolger Roland Loos mit auf den Weg?

Asal-Steger: Die letzten vier Jahre durfte ich mit Roland Loos eng zusammenarbeiten, er war ja Vize-Präsident. Ich weiss also, dass er sehr gut vorbereitet und sehr dossiersicher ist. Er braucht keine Ratschläge von mir. Aber ich wünsche ihm, dass er auch so viel Freude an diesem Amt hat wie ich. Und dass er die nötige Kraft und Unterstützung hat für all die Herausforderungen, die auf ihn zukommen. Das wünsche ich ihm von Herzen und dazu Gottes reichen Segen.

*Renata Asal-Steger ist bis zum 31.12.2023 Präsidentin der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). Ausserdem ist sie Synodalrätin der Landeskirche Luzern. Sie ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.


Renata Asal-Steger bei der 50-Jahrfeier. | © Roberto Conciatori
26. Dezember 2023 | 12:00
Lesezeit: ca. 6 Min.
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