Zahlreiche Personen erschienen zur Manifest-Kundgebung auf dem Franziskanerplatz, Luzern.
Kommentar

Rebellion wird zum Aufstand: Was der Entscheid der Luzerner Synode bedeutet

«Es ist ein echter Paukenschlag, der durch die katholische Kirche donnert», meint Charles Martig. Die Synode Luzern hat am Mittwoch beschlossen, dass sie konkrete Massnahmen zur Missbrauchsbekämpfung durchsetzen will. Sonst wird dem Bistum Basel der Geldhahn zugedreht.

Charles Martig

Die Rebellion hat in acht Luzerner Kirchgemeinden begonnen. Jetzt breitet sie sich aus und erfasst den ganzen Kanton Luzern. Die Rede ist von einem Manifest, das griffige Massnahmen gegen Missbrauch in der Kirche verlangt. Es geht um die unabhängige Untersuchung von Vertuschung durch Schweizer Bischöfe. Es geht um eine schweizweite unabhängige Meldestelle mit Biss. Es geht auch um die Einführung eines nationalen Strafgerichts. Das Manifest will zudem eine Abkehr von der «lebensfeindlichen und homophoben Sexualmoral». Die Luzerner Synode verlangt, dass keine Akten mehr vernichtet werden und dass die Nuntiatur in Bern ihr Archiv zu Missbrauchsfällen öffnet.

«Sobald die Motion umgesetzt wird, wird es für Bischof Felix Gmür ungemütlich.»

Die Luzerner Synode stellt sich somit hinter die vier Forderungen der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz. Und sie geht darüber hinaus. Sie fordert Akteneinsicht bei der Nuntiatur. Und sie setzt den Finanzhebel an. Sobald die Motion der Synode vom Luzerner Synodalrat umgesetzt wird, wird es für Bischof Felix Gmür ungemütlich. Weitere Kantonalkirchen könnten sich anschliessen. Insgesamt umfasst das Bistum Basel 10 Kantone. Die Rebellion hat also das Zeug zu einem grossen Aufstand.

«Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass ausgerechnet das Bistum Basel von diesem Widerstand betroffen ist.»

Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass ausgerechnet das Bistum Basel von diesem Widerstand betroffen ist. Warum nicht das Bistum Lugano oder das Bistum LGF, in denen der Zustand der Archive besonders deplorabel ist. Wo es derzeit klare Schwächen gibt in der Bearbeitung von Missbrauchsfällen. Ausgerechnet das progressive Vorzeige-Bistum Basel gerät massiv unter Druck.

«Der Schaden ist angerichtet. Jetzt wollen die Synodalen mitreden.»

Bischof Felix Gmür hat sich das wohl selbst zuzuschreiben. Konkrete Fälle aus den letzten Monaten haben gezeigt, dass das Offizialat in Solothurn das kirchliche Strafrecht nicht kennt und grobe Fehler gemacht hat. Der Schaden ist angerichtet. Jetzt wollen die Synodalen der Landeskirchen mitreden und Einfluss nehmen.

«Wenn der mutige Entscheid der Luzerner Synode Schule macht, ist das ein starkes Zeichen.»

Sie tun das nicht zum Selbstzweck. Der Drohung mit den Finanzen soll noch schlimmere Folgen für die Kirche abwenden. Wenn der mutige Entscheid der Luzerner Synode Schule macht, ist das ein starkes Zeichen. Die Kirchenmitglieder stellen sich auf die Hinterfüsse und fordern griffige Massnahmen. Und zwar sofort. Das ist ein Paukenschlag, der lange nachhallen wird. Vor allem wenn sich weitere Landeskirchen anschliessen.


Zahlreiche Personen erschienen zur Manifest-Kundgebung auf dem Franziskanerplatz, Luzern. | © Wolfgang Holz
9. November 2023 | 08:00
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