Putins Krieg in der Ukraine: Metropolit Hilarion lehnt Mitverantwortung der orthodoxen Kirche ab
Der Moskauer Patriarch Kyrill legitimiert Putins Krieg in der Ukraine. Sein Aussenminister, Metropolit Hilarion, lehnt indes eine Mitverantwortung ab: «Die Kirche kann für Entscheidungen der Politik und für das, was das Militär tut, keine Verantwortung übernehmen».
Das orthodoxe Moskauer Patriarchat weist weiterhin alle Kritik an seiner Haltung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine und zu einer möglichen Mitverantwortung durch die offensive Unterstützung von Präsident Wladimir Putin von sich.
Hilarion spricht von einer «Militäroperation»
«Die Kirche kann für Entscheidungen der Politik und für das, was das Militär tut, keine Verantwortung übernehmen. Sie hat nur die Waffe des Gebets», betonte der Leiter des Aussenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion, in einem ORF-Interview, das am Dienstagabend in Ausschnitten in der Doku-Reihe «Kreuz und quer» sowie in der «ZiB2» (ab Minute 18:50) und der Ö1-Sendung «Religion aktuell» ausgestrahlt wurde.
Als die von Hilarion so bezeichnete «Militäroperation» in der Ukraine begann, sei schliesslich in allen russisch-orthodoxen Kirchen «mit dem Segen des Patriarchen für die Wiederherstellung des Friedens gebetet» worden. Zugleich räumte Hilarion ein, dass die Abwendung und Absetzbewegung von immer mehr Kirchengemeinden vom Moskauer Patriarchat eine «grosse Bewährungsprobe» für die Einheit der Kirche darstelle.
Russland gegen den Westen
«Es kommt noch hinzu, dass in einigen Pfarreien und Diözesen der ukrainisch-orthodoxen Kirche zurzeit der Name des Moskauer Patriarchen im Gottesdienst nicht erwähnt wird.» Dies wiege umso schwerer, als die russisch-orthodoxe Kirche nicht nur die Kirche Russlands sei, «sondern auch die Kirche von Belarus, die Kirche der Ukraine, der baltischen Länder, der Staaten in Mittelasien», so Hilarion weiter.
Im Blick auf den unterschiedlichen Blick, den Ost und West auf den Krieg in der Ukraine haben, betonte der Moskauer Aussenamtsleiter, der früher auch einmal Bischof in Österreich war: «Es gibt jetzt zwei Informationsräume: Die eine Version der Ereignisse hören wir in Russland. Eine völlig andere Version hören die Menschen im Westen.» Beide Seiten müssten laut Hilarion versuchen, einander zu verstehen, ansonsten werde sich der Konflikt vertiefen und könne sich zu einem globalen Konflikt auswachsen: «Denn unsere Welt hat sich in ein Pulverfass verwandelt.»
Wiener Theologe kritisiert Kyrill
Der an der Universität Wien lehrende orthodoxe Theologe Ioan Moga ist überzeugt: Das Schweigen des russischen Patriarchen Kyrill I. zum Krieg und die nur zögerliche Verurteilung der Gewalt habe nicht nur im Westen, sondern auch in den Reihen der eigenen Gläubigen und der Orthodoxie insgesamt zu einer massiven «Beschädigung» des Patriarchen geführt. «Dass ein Kirchenführer im Jahr 2022 einen brutalen Angriffskrieg zu rechtfertigen versucht, ist abstrus», so Moga.
Zugleich zeigte sich Moga jedoch überzeugt, dass es auch in der russisch-orthodoxen Kirche – in Theologie, Klerus und unter den Gläubigen – «moderate Kräfte» gebe, die «ganz frei eine Synthese von proeuropäischem, moderndem Gedankengut, tiefer Glaubensfrömmigkeit und russisch-orthodoxer Identität» leben. «Das gibt es – es ist nur noch nicht zum Zug gekommen. Aber das ist nicht zu bremsen.» (kap)
Hier geht es zur › Bestellung einzelner Beiträge von kath.ch.