Kloster Ettal
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Prozess wegen Missbrauch: Benediktiner spricht von harmlosem Streicheln

München, 22.1.2015 (kath.ch) Zum Auftakt des Missbrauchsprozesses gegen ihn hat der Ettaler Benediktinerpater G. vor dem Landgericht München II am Donnerstag alle Vorwürfe bestritten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Internatspräfekten 24 sexuelle Übergriffe auf vier 12- bis 15-jährige Schüler vor. Die Taten soll der heute 44-Jährige zwischen 2001 und 2005 begangen haben. Im Falle einer Verurteilung drohen ihm bis zu zehn Jahren Haft.

Die Vorwürfe waren im Zuge der Enthüllungen der Misshandlungs- und Missbrauchsvergangenheit von Kloster Ettal im deutschen Bundesland Bayern vor fünf Jahren ans Licht gekommen. Damals wurden mehrere Patres beschuldigt. Aber nur im Falle von G. waren die Vorwürfe noch nicht verjährt.

Der in einem dunkelgrauen Strassenanzug mit Krawatte vor Gericht erschienene Ordensmann trug nach der Verlesung der Anklageschrift mit fester Stimme eine fast dreistündige Erklärung vor. Dabei räumte er ein, wiederholt die Distanz zu Schülern nicht gewahrt zu haben, und verwies dabei auch auf seine fehlende pädagogische Ausbildung. Als gelernter Bankkaufmann und Diplomtheologe habe er sich von den Konflikten im Internat zunehmend überfordert gefühlt. Schüler hätten ihre Probleme, auch mit der eigenen Familie, auf ihn übertragen und in ihm einen Ersatz für Vater und Mutter gesehen. Das habe ihm geschmeichelt.

Schüler an Bauch und Rücken gestreichelt

Der Pater gab zu, mehrfach Schüler an Bauch und Rücken gestreichelt zu haben, um sie zu trösten. Das habe seine eigene Mutter bei ihm früher auch getan. Es habe sich durchweg um junge Menschen mit grossen Problemen mit Schule, Elternhaus und Mitschülern gehandelt. Weil er selbst dreimal sitzengeblieben sei und auch einmal die Schule habe verlassen müssen, habe er sich in die Schüler einfühlen können. Zu keinem Zeitpunkt aber habe er sich einem von ihnen in sexuell motivierter Absicht genähert. Laut Anklage soll der Ordensmann mehreren Schülern bei verschiedenen Gelegenheiten in die Hose gegriffen und sie an ihrem Geschlechtsteil berührt haben. Dies sei unzutreffend, sagte der Priester.

Der Angeklagte trat 1995 in Ettal ein. Am 7. Mai 2005 wurde er aus dem Internat abgezogen, nachdem der Klosterleitung Distanzlosigkeiten gegenüber Schülern bekanntgeworden waren. Bis heute heben die Verantwortlichen hervor, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Missbrauchsvorwürfe im Raum gestanden seien. Ein psychiatrisches Gutachten bei einem renommierten Fachmann habe zudem keine Hinweise auf eine pädophile Veranlagung bei dem Mitbruder ergeben. Dieser wurde daraufhin in die Ettaler Filiale Wechselburg in Sachsen versetzt. Dort war der Pater bis 2010 unter anderem ein beliebter Jugendseelsorger.

An dem Prozess, für den sieben Verhandlungstage angesetzt sind, nehmen vier Sachverständige teil, die vom Gericht und von der Verteidigung bestellt worden sind. Sie sollen die Glaubwürdigkeit der Aussagen des Angeklagten und der Zeugen begutachten. Ein mutmassliches Opfer ist als Nebenkläger vertreten. (kna)

Nicht mehr in klösterlicher Gemeinschaft

Als beim Erzbistum München und Freising im Zuge der Enthüllungen des Frühjahrs 2010 neue Vorwürfe gegen den Ordensmann eingingen und sowohl Abt wie Schulleiter von Ettal vorübergehend zurücktraten, wurde der Pater auch von seinen Seelsorgeaufgaben in Wechselburg entbunden. Er lebt heute nicht mehr in klösterlicher Gemeinschaft. (kna)

Lesen Sie dazu auch den kath.ch-Hintergrundbericht:

Entschädigung für Missbrauchsopfer in der Kirche: Wo steht die Schweiz?

https://www.kath.ch/newsd/sexueller-missbrauch-entschaedigung-fuer-opfer-rueckt-naeher/

 

Kloster Ettal | © kath.ch
22. Januar 2015 | 17:12
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