Remo Forrer beim Halbfinale des ESC
Kommentar

Prophetischer ESC-Auftritt von Remo Forrer: Junge Menschen sollen sich gegen Krieg auflehnen

Der 21-jährige Schweizer Musiker Remo Forrer singt ein Anti-Kriegslied am Eurovision Song Contest. Das kommt nicht überall gut an. Kritik gibt es vor allem aus der Ukraine. Es ist wichtig, dass sich junge Menschen gegen die Kriegslogik auflehnen, sagt Charles Martig. Er wurde als Militärdienstverweigerer zu fünf Monaten Gefängnishaft verurteilt.

Charles Martig

Am ESC-Halbfinal hat mich der Song «Watergun» des 21-jährigen Ostschweizers Remo Forrer positiv überrascht. Er zeigt ein starkes Engagement gegen den Krieg und dessen zerstörerische Logik. «I don’t wanna be a soldier. I don’t wanna have to play with real blood», gibt der junge Mann mit der eindringlichen Stimme zu verstehen. Er will kein Soldat sein, er will auch nicht mit echtem Blut spielen. Und schon gar nicht zu einem Leichensack werden.

Das sind deutliche Worte. Und das in einem internationalen Wettbewerb mit Millionenpublikum, der seine Seele immer mehr dem Showgeschäft und der Unterhaltung verschrieben hat.

Ausgerechnet Remo Forrer muss sich jetzt den Vorwurf gefallen lassen, dass sein Song in der derzeitigen Kriegssituation in Europa vollständig daneben sei. Vor allem auf sozialen Plattformen wird er als Kriegsgegner attackiert. Der Song polarisiert. Gerade junge Ukrainerinnen und Ukrainer können nicht nachvollziehen, dass die Schweiz einen solchen Song an den ESC entsendet.

Frieden ist die Ausnahme

Der Kampf gegen den Krieg hat immer etwas Kontrafaktisches: Krieg ist der Normalzustand der Welt. Frieden ist die Ausnahme. Das haben wir in Europa und in der Schweiz nun wieder schmerzhaft gelernt. Kriege in Jugoslawien, Irak, Afghanistan, Syrien und in der Ukraine zeigen, dass Menschen und Staaten aggressiv sind. Sie gehen mit Waffengewalt vor. Und ohne Rücksicht auf Verluste. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine führt das in aller Schrecklichkeit vor. Junge Männer werden hier zu Tausenden geopfert.

Dagegen kämpft Remo Forrer an. Das ist kein Spiel mit Wasserpistolen mehr, sondern bitterer Ernst. «Just body bags that we’ve become». Junge Männer sind Kanonenfutter. Sie landen in Leichensäcken und werden entsorgt. Der Kriegsalltag geht weiter. Unerbittlich und mörderisch.

Charles Martig
Charles Martig

In den 1980er-Jahren habe ich den Militärdienst in der Schweizer Armee verweigert. Ich kam vor ein Militärgericht und wurde zu fünf Monaten Gefängnishaft verurteilt. Meine Motivation war in diesen jungen Jahren eine ethisch-politische. Ich war überzeugt: Es braucht junge Menschen, die sich gegen die Aufrüstung und die Kriegslogik wehren. Ich habe es damals getan und einen Preis dafür bezahlt. Ich würde es jederzeit wieder tun.

Es braucht in unserer Wahrnehmung des Krieges den Stachel des Widerstands. Natürlich muss sich Westeuropa gegen die Aggression aus Russland wehren. Natürlich braucht die Ukraine unsere Unterstützung.

Nicht naiv, sondern prophetisch

Aber in all dieser Kriegslogik braucht es auch Menschen, die sich gegen diese Maschinerie wehren. Das ist nicht einfach naiv und weltfremd – sondern mutig und prophetisch. Der Krieg hat einen Impact auf unsere Gesellschaft. Ebenso sollen es auch junge Menschen haben, die sich mit Mitteln der Musik dagegen wehren. Ich wünsche Remo Forrer viel Glück und Engagement im Finale des ESC. Nach dem Motto: «The Show must go on» – aber auch «The War must stop».


Remo Forrer beim Halbfinale des ESC | © EPA/ADAM VAUGHAN
12. Mai 2023 | 17:01
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