Pro-Palästina-Demo in Zürich
Schweiz

Pro-Palästina Demo wettert gegen «zionistischen Apartheidsstaat»

Die Kundgebung des Palestine Comitee Zürich hatte schon im Vorfeld heftige Diskussionen ausgelöst. Israelnahe Organisationen werfen den Veranstaltern verklausulierten Antisemitismus vor. Dennoch waren mehrere Hundert Menschen auf den Helvetiaplatz gekommen, um ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk auszudrücken.

Magdalena Thiele

Nicht von der Limmat bis zum Zürichsee, aber doch über den ganzen Helvetiaplatz schallten am Samstagnachmittag die Sprechchöre. Mehrere Hundert Menschen waren dem Aufruf der Organisatoren vom Palestine Comitee Zürich gefolgt, gegen das «zionistische Kolonialregime und deren Unterstützer» und den «Genozid am palästinensischen Volk» zu demonstrieren.

Menschen bei der Pro-Palästina-Demo in Zürich
Menschen bei der Pro-Palästina-Demo in Zürich

Diese ist nicht die erste Kundgebung dieser Art in der Schweiz. Sie hatte allerdings im Vorfeld starke Kritik aushalten müssen. Verschiedene israelnahe Organisationen hatten sich daran gestört, dass die Stadt Zürich die Veranstaltung ausgerechnet am Internationalen Holocaust-Gedenktag genehmigte. Spontan wurde daraufhin auch eine Holocaust-Gedenkaktion mit dem Titel «Stille Erinnerung» auf dem Tessinerplatz beim Bahnhof Enge angemeldet.

Stadtpolizei äussert sich nicht

Provokation oder Zufall? Bereits im Dezember seien Solidaritätskundgebungen an allen Samstagen im Januar und Februar beantragt worden, schreiben die Veranstalter auf deren Instagram-Account. Die Spezialabteilung der Stadtpolizei für komplexe Veranstaltung habe selbst in Rücksichtnahme auf das vorher stattfindende Weltwirtschaftsforum in Davos den 27. Januar festgesetzt.

Die Medienstelle der Zürcher Stadtpolizei wollte dazu am Samstag kath.ch gegenüber keine Stellung nehmen und verwies auf das zuständige Sicherheitsdepartement der Stadt Zürich, das letztlich die Bewilligung verfügt hatte. Am Wochenende war dort jedoch niemand zu erreichen.

Bühne der Pro-Palästina-Demo in Zürich
Bühne der Pro-Palästina-Demo in Zürich

«Gaza ist in Dunkelheit, wo ist Schweizer Menschlichkeit», riefen die Demonstranten. Aber mit Abstand am häufigsten war der Slogan «From the River to the sea, Palestine will be free» zu hören. Diese Worte standen auf Arabisch auch auf einem Flyer, mit dem die Veranstaltung zuvor beworben wurde.

Strafanzeige erstattet

Anlass für den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) Strafanzeige gegen die Veranstalter zu erstatten. Das sei ein direkter Aufruf zur Gewalt am israelischen Volk und impliziere die Auslöschung Israels, hatte SIG-Generalsekretär Jonathan Kreutner in einem Interview mit der NZZ beklagt.

Verhüllte Rednerin
Verhüllte Rednerin

Es sei eine «niederträchtige Verfälschung» diesen weltweit von der pro-palästinensischen Bewegung benutzten Spruch als Antisemitismus zu brandmarken, sagte dazu eine der Rednerinnen auf dem Podium. «Der faschistische Apartheidsstaat Israel» ermorde das palästinensische Volk nicht erst seit 100 Tagen, sondern seit 75 Jahren. Klare Worte, doch durch die rot-weisse Kufiya, auch «Palästinenserschal» genannt, eine Kappe und eine schwarze Einwegmaske war die junge Frau für ihre Zuhörer nicht klar zu erkennen.

Kampf gegen Kapitalismus

Auch Vertreter der ultra-linken Gruppe «Der Funke» hatten sich der Kundgebung angeschlossen und nutzten die Zeit vor offiziellem Veranstaltungsbeginn, ihre Botschaften per Megafon kundzutun. «Der Kampf, der in Palästina geführt wird, ist unser Kampf. Wir haben denselben Feind: den Kapitalismus.»

Pro-Palästina-Demo in Zürich
Pro-Palästina-Demo in Zürich

Weniger kampfeslustig waren indes andere Teilnehmer. «Ich bin hier, um Solidarität mit den Menschen in Palästina zu zeigen», erklärt die 33-jährige Nina. Ihre jüdischen Freundinnen und Freunde hätten kein Problem damit, dass die Kundgebung ausgerechnet heute stattfinde, fügt sie hinzu. Deshalb sei sie guten Gewissens gekommen.

«Ich habe einfach schreckliche Mühe mit den Bildern sterbender Kinder und junger Erwachsener, die für die israelische Armee in den Krieg ziehen müssen», erklärt ein anderer Teilnehmer. Den 43-Jährigen störe auch, dass jeder, der etwas gegen die israelische Besatzung sagt, gleich als Antisemit abgestempelt werde. «From the River to the Sea», dieselben Worte habe Benjamin Netanjahu neulich selbst gebraucht, «dem wirft niemand Antisemitismus vor.»

Häufiges Wort bei Demo: Genozid

Auch der Libanese Hani war mit seiner Tochter Sina gekommen. Er lebe seit 1999 in der Schweiz, ein Problem mit Juden habe er nicht, aber mit der Politik des Staates Israel. «Ich erinnere mich noch genau daran, als im Libanon die Bomben fielen», erzählt er. «Der Luftalarm hat uns Kinder nicht mehr beängstigt – es war unser Alltag.»

Ein Wort fällt an diesem Samstagnachmittag immer wieder: Genozid. Auch deshalb sei es eigentlich sehr passend, am heutigen Tag zu protestieren, sagen einige der Demonstrantinnen und Demonstranten. Wie etwa der 26-jährige Allessio, der aus dem Kanton Schwyz angereist ist. Oder der gebürtige Pakistaner Abdullah, der zusammen mit Freunden gratis heissen Tee verteilt.

Gratis Tee bei Demo
Gratis Tee bei Demo

Südafrika verklagt den Staat Israel derzeit vor dem internationalen Gerichtshof und wirft Israel Völkermord vor. Die Regierung Israels weist das zurück und spricht von der Ausübung eines Selbstverteidigungsrechts. Insgesamt wurden nach dem jüngsten Terroranschlag der Hamas im Süden Israels bei der Gegenoffensive des israelischen Militärs nach nicht überprüfbaren Angaben der Gesundheitsbehörden der Hamas über 25›000 Menschen im Gazastreifen getötet.

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Schliesslich wird in Zürich zum Ende der etwa einstündigen Veranstaltung auch der Holocaust heute noch einmal Thema: «Wir gedenken der Opfer des Holocaust, der Opfer des Genozids an den Herero und Nama in Namibia, dem Vorläufer des Holocaust und all denen, die ermordet wurden, weil sie Widerstand oder Fluchthilfe geleistet haben», sagt eine andere junge Frau auf dem Podium.

Pray for Palestine-Schild an Demonstration in Zürich.
Pray for Palestine-Schild an Demonstration in Zürich.

Die Stimmung blieb trotz einiger provokanter Parolen friedlich. Für die Polizistinnen und Polizisten, die vor Ort waren, war das Beunruhigendste wohl die herrenlose Tasche am Fussgängerüberweg, die sich später als doch nicht herrenlos und ungefährlich herausstellte.


Pro-Palästina-Demo in Zürich | © Magdalena Thiele
28. Januar 2024 | 12:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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