Irene Gassmann vor der Schwarzen Madonna im Kloster Fahr.
Schweiz

Priorin Irene Gassmann ist seit sieben Jahren eine Feministin

Die Benediktinerin Irene Gassmann (55) fordert Gleichberechtigung in der katholischen Kirche. Die «weiblichen Charismen» sollten «fruchtbar» gemacht werden. Die Lust an einer feministischen Kirchenpolitik entdeckte sie erst vor sieben Jahren.

Raphael Rauch und kathpress

Der Weltfrauentag am 8. März muss ohne die Benediktinerinnen des Klosters Fahr stattfinden. «Da wir von Sonntag an bis Donnerstag Konvent-Exerzitien haben, bin ich am 8. März in der grossen Stille», sagt die Priorin Irene Gassmann.

Zum Weltgebetstag blicken die Schwestern nach Vanuatu

Das hat die Benediktinerin aber nicht daran gehindert, den Weltgebetstag der Frauen und den Weltfrauentag vorzufeiern. Bereits am Donnerstag gab es im Kloster Fahr Informationen über Vanuatu, dem thematischen Schwerpunkt des diesjährigen Weltgebetstags.

Südsee-Flair: Der Weltgebetstag der Frauen 2021.
Südsee-Flair: Der Weltgebetstag der Frauen 2021.

«Wir haben das Bild von Julietta Pita betrachtet», sagt Irene Gassmann. Damit meint sie eine Künstlerin aus Vanuatu. Sie schuf das Bild mit dem Titel: «Das Land ist für uns wie eine Mutter für ihr kleines Kind.»

Irene Gassmann nimmt an der synodalen Versammlung des Bistums Basel teil.
Irene Gassmann nimmt an der synodalen Versammlung des Bistums Basel teil.

Auf der Website des Weltgebetstages steht: «Das Bild erinnert an den zerstörerischen Zyklon Pam im Jahr 2015. Damals wurde Juliette selbst durch schützende Palmen gerettet; sie ist überzeugt, dass Gott ihre Gebete erhört hat.»

Mit Stiefeln auf den «Pilger*innenweg»

Irene Gassmann berichtet: «Anschliessend haben wir den Bibeltext gelesen und uns ausgetauscht. Das war stimmig und verbindet uns heute mit all den Frauen rund um den Globus. Das gibt Kraft und stärkt.»

Irene Gassmann
Irene Gassmann

Die Priorin unterstützt auch die Aktion «Walk in her shoes». Hierzu ruft das «Catholic Women’s Council» auf. Als Zeichen der Solidarität machen sich Frauen auf den Weg: Jede Frau solle – coronabedingt allein – einen Weg gehen, der ihr viel bedeute. Oder den gewohnten Weg zur Kirche bewusst als «Pilger*innenweg» gehen.

«Gebet am Donnerstag» für Veränderung in der Kirche

Dabei solle sie an eine oder mehrere Frauen auf der Welt denken. Und sie solle zwei weisse Bändel oder Halstücher mittragen und diese an einen Ambo in der Kirche oder an die Kirchentür binden. Oder zu Maria legen. «Weiss steht für die Taufe und das Zeichen der Gleichwürdigkeit von Frauen», heisst es in dem Aufruf. Auf der Facebook-Seite der Priorin sind Momente ihres Wanderweges zu sehen – und ihre Stiefel.

Unterwegs in Stiefeln: Priorin Irene Gassmann.
Unterwegs in Stiefeln: Priorin Irene Gassmann.

Die Ordensfrau leitet seit 2003 die Gemeinschaft der Benediktinerinnen im Kloster Fahr bei Zürich. Sie ist die Initiatorin des «Gebets am Donnerstag», bei dem wöchentlich für die Gleichstellung von Frauen in der Kirche gebetet wird.

Kurz vor dem Internationalen Weltfrauentag am 8. März fordert sie, dass Ordensfrauen in einem Kloster nicht mehr auf einen Priester und Diakon angewiesen sein sollten.

Krankensalbung sollten auch Frauen spenden dürfen

«Bei uns gibt es viele Schwestern, die älter sind. Wir bräuchten eine aus unserer Reihe, die das Sakrament der Krankensalbung spenden könnte, um nicht immer auf geweihte Männer angewiesen zu sein», sagt Gassmann. Die Sakramente müssten neu gedacht werden. Ob es dabei für Frauen die klassische Priesterinnenweihe brauche, lässt die Priorin offen.

Irene Gassmann zündet eine Kerze zu Ehren der Schwarzen Madonna an.
Irene Gassmann zündet eine Kerze zu Ehren der Schwarzen Madonna an.

«Es geht darum, unseren Schatz, den wir in der katholischen Kirche haben, in unserer Zeit auch mit den weiblichen Charismen fruchtbar zu machen», sagt die Ordensfrau. Dabei brauche es auch kreative neue Formen und Elemente, um die nötige Veränderung in der Kirche voranzubringen.

Gassmann ist erst seit sieben Jahren eine Feministin

Für Gassmann, die auf einem Bauernhof im Kanton Luzern aufgewachsen ist, war Gleichberechtigung lange kein Thema. Erst im Jahr 2014 ist die Ordensfrau im Zuge von Kontakten, Literatur und einem Projekt mit dieser Frage konfrontiert worden.

Priorin Irene Gassmann
Priorin Irene Gassmann

Dabei habe sie «immer stärker gemerkt, wie weit entfernt gerade die katholische Kirche von Gleichberechtigung ist und dass Frauen nicht einbezogen sind in Leitung, in Entscheide, in Ämter, in die Sakramentenspendung.»

«Schritt für Schritt» für den Wandel in der Kirche beten

Als erschütternd bezeichnete die Benediktinerin den 2019 erschienenen Dokumentarfilm «Gottes missbrauchte Dienerinnen», der den geistigen und sexuellen Missbrauch von Ordensfrauen durch Geistliche thematisierte.

Irene Gassmann vor einem Bild der heiligen Gertrud.
Irene Gassmann vor einem Bild der heiligen Gertrud.

«Da ist mir bewusst geworden, dass das heutige System krank ist. Es braucht eine Gleichberechtigung in allen Diensten und Ämtern, damit unsere Kirche gesunden kann», sagt die Priorin. Ihr Kloster wurde um 1130 gegründet und untersteht seither der Abtei Einsiedeln.

Irene Gassmann
Irene Gassmann

Als Reaktion auf den Reformbedarf initiierte Gassmann das wöchentliche «Gebet am Donnerstag», bei dem seit zwei Jahren unter dem Motto «Schritt für Schritt» für einen Wandel in der Kirche gebetet wird.

«Halt in schwierigen Zeiten»

«Es braucht Frauen und Männer, die ihre Stimme erheben, die die Missstände benennen, aber ich glaube es braucht unbedingt auch die Kraft des gemeinsamen Gebets», erläuterte die Ordensfrau die Gebetsaktion. Die Initiative hat sich bereits über das Kloster Fahr ausgebreitet und ist mittlerweile Teil der Schweizer «#JuniaInitiative».

Klosterfrauen in der Kirche des Klosters Fahr.
Klosterfrauen in der Kirche des Klosters Fahr.

Ihren Glauben bezeichnete die Priorin als «Halt in schwierigen Zeiten». Den Entschluss, in einen Orden einzutreten, fasste die Benediktinerin 1986, nachdem sie die Bäuerinnenschule im Kloster Fahr begonnen hatte.

«Entscheiden müssen wir selber»

«Ich dachte, da könnte ich meinen Beruf ausleben und hätte auch Zeit für den Herrgott, fürs Beten.» Die Berufung sei jedoch nicht in Form eines einzelnen Erlebnisses gekommen: «Gott legt uns die Sehnsucht ins Herz, aber entscheiden müssen wir selber. Er nimmt uns die Entscheidung nicht ab.»

Die Tapete im Kloster Fahr zeigt die Anlage um 1740.
Die Tapete im Kloster Fahr zeigt die Anlage um 1740.

Als das typisch «Benediktinische» bezeichnete Gassmann das Wechselspiel zwischen Glauben und Leben. Dies spiegle sich unter anderem im Rhythmus des Ordens wider, der sich zwischen Arbeit und Gebet abspiele: «Nach den vielen Ansprüchen des Alltags kann ich im Gebet wieder herunterfahren, zu Gott zurückkehren und mich gleichzeitig auch wieder ausrichten auf das, was kommt. Der Rhythmus gibt eine Balance, eine Ausgeglichenheit.»

«Viele leben nonstop und sind dann ausgebrannt»

Ein Rhythmus wie dieser könne auch gegen Überforderung vorsorgen, auch bei Menschen ausserhalb des Klosters, merkte Gassmann an. «Viele leben nonstop und sind dann ausgebrannt. Man arbeitet, macht noch eine Sitzung, isst ein Sandwich dazu – und das geht immer so weiter.»

Anders im Kloster, wo die Arbeitseinheiten relativ kurz, aber intensiv und produktiv seien; danach könne man sich im Gebet «wieder entspannen, Kraft holen und wieder voller Energie in die Arbeit hineingehen».

Fastenzeit: 40 Tage Klöster

Das Christentum verändert sich. Und auch die Klöster sind im Wandel. Sie haben schon viele Krisen durchgemacht – und müssen sich weiter ändern, um ihr Nachwuchsproblem zu lösen. In der Fastenzeit beleuchten wir Geschichten über Klöster und Orden in verschiedenen Facetten.


Irene Gassmann vor der Schwarzen Madonna im Kloster Fahr. | © Christian Merz
5. März 2021 | 19:24
Lesezeit: ca. 4 Min.
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