Der Salvatorianer-Pater Pankratius Pfeiffer.
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«Pfeiffers Liste»: Salvatorianer rettete Juden in Rom vor den Nazis

Unter der NS-Besatzung in Rom rettete Pater Pankrasius Pfeiffer zahlreiche Juden. Deshalb wurde eine Strasse vor dem Petersplatz nach dem Salvatorianer benannt. Drei Jahre lebte der gebürtige Deutsche auch in der Schweiz. Ein Nachruf zu seinem 150. Geburtstag.

Johannes Schidelko, Christiane Laudage, Sarah Stutte

«Pfeiffers Liste» – das ist der Titel eines Dokumentarfilms aus dem Jahr 2006, der die Bedeutung von Pater Pankratius Pfeiffer während des Zweiten Weltkriegs in Rom thematisiert. Der Salvatorianer führte – ähnlich wie Oskar Schindler – Listen, mit denen er Menschen vor der Ermordung durch die Nationalsozialisten bewahrte.

Nur, dass der Ordensmann erheblich weniger bekannt ist als Schindler (1908–1974). Beide, Schindler und Pfeiffer, bewiesen sehr viel Mut. Die retteten Menschen unter den Augen der Nazis vor dem sicheren Tod.

Pater Karl Meier in der Bibliothek des Salvatorverlages
Pater Karl Meier in der Bibliothek des Salvatorverlages

Im Ersten Weltkrieg in der Schweiz

«Unser Generalatshaus liegt direkt am Petersplatz, an der Via della Conciliazione. Dort versteckte Pater Pankratius Pfeiffer im Sinn und Geist von Papst Pius XII. sehr viele Juden. Das ist ein wenig vergessen gegangen», erzählt Pater Karl Meier vom Zuger Zweig der Salvatorianer. Er weiss auch, dass es Pater Pankratius einige Jahrzehnte früher, während des Ersten Weltkriegs, in die Schweiz verschlug.

«Damals konnten der Ordensgründer, Pater F. Jordan, und andere Salvatorianer als Deutsche nicht in Italien bleiben. So zog die ganze Ordensleitung, zu der auch Pater Pankratius damals schon gehörte, nach Tafers im Kanton Freiburg. Von 1915 bis 1918 waren die Salvatorianer im Haus Maggenberg heimisch. Heute befindet sich dort ein Pflegeheim».

Grosses Panel mit Pater Jordan - dem Gründer des Salvatorianerordens – in der Kirche Tafers FR
Grosses Panel mit Pater Jordan - dem Gründer des Salvatorianerordens – in der Kirche Tafers FR

Pankratius übernimmt die Ordensleitung

Warum verschlug es die Salvatorianer ausgerechnet nach Freiburg? Pater Jordan, der 2021 in Rom seliggesprochen wurde, hatte hier scheinbar schon Beziehungen aus seiner Studentenzeit. Und wie ging es dann weiter? Beim dritten Generalkapitel in Tafers übergab Pater Jordan dann die Leitung des Ordens an Pater Pankratius.

Als Generalvikar und späterer Generaloberer in Rom, wirkte dieser dann von 1915 bis zu seinem Tod. «Unter Pater Pankratius wurde auch der Salvator Verlag in Solothurn gegründet», erzählt Pater Karl Meier.

Sprachbegabtes Organisationstalent

Pfeiffer wurde vor 150 Jahren, am 18. Oktober 1872, in Brunnen im Allgäu geboren. Als 17-Jähriger trat er in den damals jungen Orden der Salvatorianer ein. Offensichtlich mit den entsprechenden menschlichen Fähigkeiten, einer Sprachbegabung wie auch mit Organisationstalent gesegnet, machte er im Orden Karriere, ab 1902 in Leitungsfunktionen.

Im Vatikan übte er eine Nebentätigkeit aus: Er bereitete die deutschsprachigen Audienzen vor. Damit kam er in Kontakt mit wichtigen Persönlichkeiten des kirchlichen und politischen Lebens, die den Salvatorianern später zugutekamen.

Zufluchtsort für Verfolgte

Wozu er bereit war, zeigte sich ab September 1943, als die deutsche Wehrmacht in Rom einmarschierte. Denn die jüdische Gemeinschaft, alliierte Kriegsgefangene, Partisanen oder Menschen, die aus anderen Gründen auf der Liste der Nazis standen, mussten um ihr Leben fürchten.

Baracke im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau
Baracke im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau

Pater Pankratius machte aus dem Dachboden der Ordenszentrale einen Zufluchtsort für Verfolgte. Gleichzeitig erlaubte er den deutschen Soldaten, unten im Haus die Toilette und die Waschräume zu benutzen. So konnte er belastbare Beziehungen zu den NS-Militärs aufbauen, um Menschen zu retten.

Vermittlung durch den Salvatorianer

Der Vatikan und Papst Pius XII. nutzten Pfeiffers Kontakte für ihre humanitären und karitativen Aktionen – vor allem, als ab 1944 der Widerstand gegen die Besatzung wuchs, Sabotage-Anschläge zunahmen und SS-Chef Herbert Kappler mit harten Gegenmassnahmen antwortete.

Der Heilige Stuhl leitete Hilfsgesuche mit der Bitte um Vermittlung an Pater Pankratius weiter. Da ging es um alltägliche Belange wie die Versorgung mit Lebensmitteln oder um Transportgenehmigungen, aber vor allem um die Befreiung von Inhaftierten und politisch Verfolgten.

Holocaust Denkmal in Berlin
Holocaust Denkmal in Berlin

Im besten Sinne ein Vorbild

Pfeiffer war «in dieser Zeit buchstäblich Tag und Nacht unterwegs, um aus Gefängnissen, vor allem aus dem berüchtigten SS-Gefängnis in der Via Tasso, Verfolgte, auch Juden, zu retten und in Sicherheit zu bringen, Vergeltungsmassnahmen der Besatzungsmächte und der SS abzuwenden», heisst es in der Ordenschronik.

Er sei im besten Sinne ein Vorbild gewesen. «Pater Pankratius hat wirklich versucht, die Spiritualität unseres Gründers weiterzuführen. Er war sehr offen und gesprächsbereit. Es spricht auch für ihn, dass er auf Lebenszeit als Generaloberer tätig war. Heute sind Generalobere meistens nur für zwölf Jahre gewählt», sagt Pater Karl Meier.

Retter hatte tödlichen Unfall

Am Nachmittag des 10. Mai 1945, kurz nach Kriegsende, raste ein britischer Militär-Jeep über den römischen Largo Cavalleggeri. Ein älterer Ordensmann wollte den Platz zum Vatikan überqueren, trat auf die Strasse, ging unschlüssig zurück.

Der Fahrer versuchte auszuweichen und erfasste den Geistlichen. Zwei Tage später erlag Pankratius Pfeiffer, Generaloberer der Salvatorianer und während der deutschen Besatzungszeit für viele Menschen Retter in höchster Not, seinen schweren Verletzungen.

«Ich habe nicht für die Geschichte gearbeitet, sondern für die Nächstenliebe», zitiert ihn Stefan Samerski, der eine Biografie des mutigen Paters verfasst hat. Ein Seligsprechungsverfahren für Pankratius Pfeiffer ist in Gang. (kna/kath.ch)


Der Salvatorianer-Pater Pankratius Pfeiffer. | © KNA
20. Oktober 2022 | 15:00
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