Mit Rauchfass: Erzbischof Peter Zurbriggen weiht ein Bienenhaus in Ried-Brig ein.
Schweiz

«Peter Zurbriggen hat unser Bienenhaus mit Weihrauch gesegnet»

Vom Wallis in die weite Welt: Das Bistum Sitten trauert um Erzbischof Peter Zurbriggen. Der Chiropraktor Thomas Vicentini war mit dem ehemaligen Vatikan-Diplomaten befreundet. Warum Peter Zurbriggen sein Bienenhaus segnete und der Ex-Nuntius Benedikt XVI. näher stand als Franziskus.

Sarah Stutte

Nuntius Zurbriggen war gut mit Ihnen und Ihrer Familie befreundet. Seit wann kannten Sie ihn?

Thomas Vicentini*: Ganz vage erinnere ich mich, dass er einmal hier im Wallis einen Gottesdienst hielt und ich dort als Ministrant am Altar stand. Richtig kennengelernt habe ich ihn aber erst, als ich mit meiner Familie zusammen 2013 eine Reise nach Wien unternahm. Ich kannte seinen Bruder Daniel, den ich fragte, ob Peter Zurbriggen sich freuen würde, wenn wir ihn in der Nuntiatur besuchen würden. Er sagte: Auf jeden Fall – und so rief ich ihn an. 

Thomas Vicentini
Thomas Vicentini

Und dann?

Vicentini: Wenig später empfing er meine Frau und mich, unsere zwei Söhne, meine Eltern und meinen Bruder in Wien und zeigte uns die Nuntiatur. Danach waren wir zusammen essen. Aus dieser Begegnung ist mit der Zeit eine tiefe Freundschaft entstanden. Fortan war er an verschiedenen Familienanlässen dabei. Der Kontakt hat sich intensiviert, als er von Wien wieder zurück ins Wallis gekommen ist. 

"Spirituosen Sanctus": Kunst am Kollegium Spiritus Sanctus in Brig.
"Spirituosen Sanctus": Kunst am Kollegium Spiritus Sanctus in Brig.

Was verbindet Sie noch?

Vicentini: Peter Zurbriggen gehörte wie ich der Studentenverbindung der ehemaligen Kollegiumsschüler des Spiritus Sanctus Brig an. Darüber hinaus waren wir beide Mitglieder im Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem. 

«Peter Zurbriggen war ein lebensfroher Mensch, der die Geselligkeit sehr geschätzt und gepflegt hat.»

Wie war er als Mensch?

Vicentini: Sehr intelligent. Unsere bereichernden Gespräche habe ich stets geschätzt. Er war bestens über Themen informiert, brachte viel Lebenserfahrung mit durch seine Auslandsaufenthalte und hatte sehr viele spannende Geschichten zu erzählen. 

Besuch in der Nuntiatur in Wien 2013. Zweiter von rechts: Erzbischof Peter Zurbriggen.
Besuch in der Nuntiatur in Wien 2013. Zweiter von rechts: Erzbischof Peter Zurbriggen.

Durch seine Erlebnisse, die er während seiner mannigfaltigen Stationen rund um den Erdball machte, sah er Zusammenhänge und setzte gewisse Überlegungen geopolitisch in einen anderen Kontext. Hinzu kommt: Peter Zurbriggen war ein lebensfroher Mensch, der die Geselligkeit sehr geschätzt und gepflegt hat. 

Erzbischof Peter Zurbriggen (Mitte).
Erzbischof Peter Zurbriggen (Mitte).

An welche Anekdote erinnern Sie sich gerne?

Vicentini: Peter Zurbriggen hat 2014 unser Bienenhaus gesegnet. Die Bienenzucht gehörte meinem Vater und wir hatten für diese ein neues Bienenhaus in Ried-Brig gebaut. Bistumssprecher Paul Martone kam auf die Idee, Peter Zurbriggen anzufragen, ob er dieses Häuschen segnen könne, weil er sich zu dieser Zeit gerade wieder im Wallis befand. Das tat er dann mit Weihrauch und sehr viel Freude. Ich nehme einmal an, dass es auf der Welt nicht so viele Bienenhäuser gibt, die von einem Erzbischof eingeweiht wurden. 

Auch einen Teil unserer Praxis, die im letzten Jahr vergrössert wurde, hat Peter Zurbriggen im November 2021 gesegnet. In der Praxis haben wir dann familienintern eine Messe gefeiert. 

Dieses Bild ist kurz vor Peter Zurbriggens Tod entstanden: Ausflug auf die Wasenalp/Wintrigmatta mit Raclette am 15. August 2022.
Dieses Bild ist kurz vor Peter Zurbriggens Tod entstanden: Ausflug auf die Wasenalp/Wintrigmatta mit Raclette am 15. August 2022.

Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?

Vicentini: Vor zwei Wochen, als er mit unserer Familie, Paul Martone, dem Vikar der Pfarrei Brig, Valentin Studer, sowie einem Kollegen aus dem Ritterorden zusammen in unserer Alphütte war. Dort haben wir noch gemeinsame Pläne geschmiedet. 

Zuletzt war er nicht mehr so fit. Die Gebrechlichkeit und der Umstand, dass er sich vor allem mit einem Rollator fortbewegte, fesselte ihn stark an sein Zuhause. Offizielle Zusammenkünfte waren für ihn deshalb nicht mehr so einfach. Für Besuche im Familienkreis holten wir ihn jedoch immer ab und sorgten dafür, dass die besuchten Plätze einen Lift haben.  

Hausmesse in Brig: Paul Martone (links) und Erzbischof Peter Zurbriggen im September 2021.
Hausmesse in Brig: Paul Martone (links) und Erzbischof Peter Zurbriggen im September 2021.

Wofür hat er sich als Priester eingesetzt? 

Vicentini: Die Kirche und ihre Traditionen waren ihm grundsätzlich wichtig. Er war eher konservativ, aber auch sehr diplomatisch und anpassungsfähig. In Gesprächen sprach er über die verschiedenen Päpste, denen er unterstellt war und wie unterschiedlich sich dadurch jeweils die Weltkirche gestaltet und ausgerichtet hat. Peter Zurbriggen war dabei sicherlich nicht immer derselben Meinung wie der jeweilige Papst, dem er unterstand.

Zudem erzählte er, wie schwierig teilweise die Verhältnisse in den verschiedenen Gebieten waren, in denen er arbeitete. Etwa, was die Sicherheit betrifft. Aber auch, weil die Kirche an gewissen Orten ganz anderen Gesetzmässigkeiten folgte und dass manche Dinge dort nicht so einfach durchzusetzen waren.  

Messe und Segnung des neuen Teils der Praxis im Februar 2022.
Messe und Segnung des neuen Teils der Praxis im Februar 2022.

Vom Wallis in die weite Welt der Vatikan-Diplomatie: Das ist eine ungewöhnliche Karriere.

Vicentini: Das stimmt. Wenn er über Rom berichtete, ging es schnell einmal um gutes Essen und gesellige Anlässe (lacht). 

Nuntius Zurbriggen beim Neujahrsempfang von Bundespräsident van der Bellen.
Nuntius Zurbriggen beim Neujahrsempfang von Bundespräsident van der Bellen.

Peter Zurbriggen war von Bolivien über Südafrika bis in Indien aktiv. Hatte er zu einem Land eine spezielle Bindung?

Vicentini: Wien hat ihm sicher sehr gut gefallen. In Afrika waren vor allem die Vorbereitungen der Ernennung neuer Bischöfe nicht immer einfach. In der Zeit, in der er Nuntius von Georgien, Armenien und Aserbaidschan war, durfte er den Besuch von Johannes Paul II. vorbereiten. Das war eine sehr spannende Erfahrung für ihn.

Auf seinem letzten Posten in Österreich hat er immer wieder Klartext gesprochen. War es ihm wichtig, seine Meinung zu sagen?

Vicentini: Absolut. Wenn er bei uns war, hingen ihm meine beiden Söhne immer an den Lippen. Gerade in Bezug auf die jüngere Generation war es ihm wichtig, zu vermitteln, dass ein Mensch sagen kann, was er denkt und sich nicht verbiegen lassen soll. Das hat er selbst gelebt. Auch wenn er angeeckt ist, stand er immer zu seinen Überzeugungen. 

«Franziskus kommt halt vom anderen Ende der Welt, wie der Papst selbst einmal gesagt hat.»

Stimmt es, dass er kritisch auf das Pontifikat von Franziskus blickte?

Vicentini: Es ist sicher so, dass ihm Papst Benedikt von der Einstellung her und der theologischen Ausrichtung näherstand. Franziskus kommt halt vom anderen Ende der Welt, wie der Papst selbst einmal gesagt hat.

Erzbischof Peter Zurbriggen
Erzbischof Peter Zurbriggen

Was ist für Sie eine besondere Erinnerung an Peter Zurbriggen?

Vicentini: Nach dem Essen an unseren gemeinsamen Abenden haben wir oft zusammen Studentenlieder gesungen. Der Nuntius hat sehr gerne gesungen und hatte sehr viel Spass dabei. 

«Er ist einer von uns geblieben.»

Was bleibt von Peter Zurbriggen für Sie persönlich?

Vicentini: Dass wir uns glücklich schätzen und dankbar für die Freundschaft mit ihm sind. Dass er trotz seiner international wichtigen Aufgabe als päpstlicher Nuntius stets in Bescheidenheit einer von uns geblieben ist und geradlinig seine Werte und seinen Glauben gelebt und vertreten hat. Er wird uns immer in guter Erinnerung bleiben und wir werden seine geistreichen Anekdoten vermissen.

* Thomas Vicentini (43) ist als Chiropraktor in Brig tätig.


Mit Rauchfass: Erzbischof Peter Zurbriggen weiht ein Bienenhaus in Ried-Brig ein. | © zVg
31. August 2022 | 16:08
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