Peter Spichtig, Fachmann für Liturgie
Schweiz

Peter Spichtig freut sich über den Medienhype ums Vaterunser

Freiburg, 13.12.17 (kath.ch) Peter Spichtig freut sich über den jüngsten medialen «Hype» ums Vaterunser. Der Co-Leiter des Liturgischen Instituts in Freiburg hält es für eine «gute Nachricht», dass in den Medien wieder einmal über zentrale christliche Glaubenssätze debattiert wird. Aber er stellt klar, dass es bei der Schweizer Bischofskonferenz keine Pläne für eine Neuübersetzung der sechsten Vaterunser-Bitte gebe.

Barbara Ludwig

Am 9. Dezember war in der Ausgabe der Boulevardzeitung «Blick» das Vaterunser abgedruckt, unter dem Titel «Müssen wir das Vaterunser neu lernen?». Dem Papst sei Dank. Das katholische Kirchenoberhaupt hatte mit Äusserungen in einem am 6. Dezember ausgestrahlten TV-Interview eine Debatte über die richtige Übersetzung der sechsten Vaterunser-Bitte losgetreten: Die auch im Deutschen verwendete Übersetzung «Und führe uns nicht in Versuchung» findet Papst Franziskus nicht gut. Die französische Neufassung hingegen schon. Seit Anfang Dezember beten Frankreichs Katholiken «Et ne nous laisse pas entrer en tentation» (wörtlich: «Lass uns nicht in die Versuchung eintreten»).

Nuancen des Gottesbildes werden sichtbar

Es blieb nicht bei dem einen «Blick»-Artikel zu dem zentralen Gebet der Christen. Bereits zuvor hatten sich in Deutschland und Österreich Theologen zu Wort gemeldet. Peter Spichtig freut sich über das mediale Interesse. Es sei eine «gute Nachricht», dass in den Medien wieder einmal über zentrale christliche Glaubenssätze diskutiert wird, sagte der Co-Leiter des Liturgischen Instituts der deutschsprachigen Schweiz auf Anfrage gegenüber kath.ch. Er hoffe bloss, dass die Diskussion nun auch in die Tiefe gehe.

«Es sind legitime Nuancen. Im Schillernden kommt man der Wahrheit näher.»

Die beiden möglichen Übersetzungen der Gebetszeile könnten einem bewusst machen, dass unterschiedliche «Nuancen des Gottesbildes» existierten. «Es sind legitime Nuancen. Im Schillernden kommt man der Wahrheit näher», so der Dominikaner.

Beide Übersetzungen sind legitim

Das Liturgische Institut, eine sprachregionale Arbeitsstelle der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), hatte am Montag auf seiner Webseite eine Stellungnahme von Adrian Schenker zur Debatte veröffentlicht. Darin bezeichnet der emeritierte Professor für alttestamentliche Wissenschaft beide Übersetzungen als möglich und theologisch legitim.

Gott als Versucher. Daran stossen sich manche bei der deutschen Fassung der Gebetszeile «Und führe uns nicht in Versuchung». Schenker erklärt, dass sowohl Gott als auch «der Böse» den Menschen versuchten, aber in «entgegengesetzter Absicht». «Gott stellt jemanden auf die Probe, um ihm Gelegenheit zum Wachsen zu geben. Durch die Prüfung soll er reifen und an Kraft gewinnen. Der Satan tut es, um den Menschen zu Fall zu bringen.»

Für Schenker wird damit deutlich, dass man die Versuchungs-Bitte zweifach verstehen kann: Zum einen bitten wir Gott, uns nicht in Versuchung zu führen, weil wir Angst haben, in der gut gemeinten Erprobung zu versagen. Zum andern bitten wir ihn, den Bösen daran zu hindern, uns auf die Probe zu stellen, weil dieser unser Unglück will.

Keine Pläne für eine neue deutsche Übersetzung

Laut Spichtig gibt es bei der Schweizer Bischofskonferenz keine Pläne für eine Neuübersetzung der sechsten Vaterunser-Bitte. Der Co-Leiter des Instituts erinnerte daran, dass gerade erst im vergangenen Jahr eine neue katholische Einheitsübersetzung der Bibel in deutscher Sprache erschienen ist. Und er wies darauf hin, dass es sich dabei nur um eine Revision der bereits bestehenden Einheitsübersetzung von 1979/80 handelte und nicht um eine Neuübersetzung.

Dabei sei die bisherige Fassung des Vaterunsers übernommen worden. Auf diesen Gebetstext hätten sich in den Jahren 1966 und 1967 die Katholiken in Zusammenarbeit mit den Protestanten geeinigt, was ein «wichtiger Fortschritt in der Ökumene» gewesen sei. Bei der jüngsten Revision der Bibelübersetzung habe man sich am Grundsatz orientiert, «nicht ohne Not Texte zu ändern», erklärte Spichtig.

«Die Aussagen von Papst Franziskus können die Debatte beleben.»

Der Dominikaner rechnet damit, dass der bisherige Text des Vaterunsers auch in das Messbuch übernommen wird, dessen Neuübersetzung für den deutschen Sprachraum seit 2013 auf Eis liegt.

Interview-Aussagen sind nicht verpflichtend

Spichtig rückt auch die Papstäusserungen ins rechte Licht. «Die Aussagen von Papst Franziskus in dem italienischen TV-Interview können zwar die Debatte beleben. Es handelt sich dabei aber nicht um eine lehramtliche Äusserung.» Die Worte des Papstes seien deshalb nicht verpflichtend. Franziskus selbst hat eben erst die Rolle der Bischofskonferenzen bei der Übersetzung liturgischer Texte in die Landessprachen gestärkt. In seinem Schreiben «Magnum principium» vom 3. September legte er fest, dass für solche Übersetzungen im Wesentlichen die Bischöfe zuständig sind. Mit dem Erlass, der am 1. Oktober in Kraft trat, sollen massive Eingriffe aus Rom verhindert werden.


Peter Spichtig, Fachmann für Liturgie | © Josef Bossart
13. Dezember 2017 | 10:45
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