Peter G. Kirchschläger
Schweiz

Peter Kirchschläger fordert Einrichtung gegen IT-Missbrauch

Daten sammeln und weitergeben: Konzerne wie Google und Facebook stehen in der Kritik. Der Luzerner Ethiker Peter Kirchschläger fordert ein Kontrollgremium wie die Internationale Atomenergiebehörde.

Der Ethiker und Theologe Peter Kirchschläger hat heftige Kritik an der Missachtung von Menschenrechten durch IT-Konzerne geäussert. Menschenrechte seien zwar rechtlich verbindlich, «müssen aber auch im Bereich von datenbasierten Systemen angewendet und umgesetzt werden». Das geschehe bislang nicht, beklagte Kirchschläger in einem Interview mit der Wochenzeitung «Die Furche».

Kirchschläger ist Professor für Theologische Ethik und Leiter des Sozialethik-Instituts ISE an der Universität Luzern. Als Lösung schlug der Autor des jüngst erschienenen Buches «Digital Transformation and Ethics» eine globale Behörde gegen IT-Missbrauch vor.

Menschen erlauben immer lückenlosere Überwachung

Hauptkritikpunkt Kirchschlägers ist das ständige Sammeln von Benutzerdaten in Sucheingaben, sozialen Netzwerken und Apps sowie deren Weitergabe an Höchstbietende. Menschen erlaubten damit Konzernen eine immer lückenlosere Überwachung ihrer Daten, etwa im Bereich Bewegung und Gesundheit. Dies habe in den USA bereits dazu geführt, dass einige Krankenversicherungen ihre Prämien danach ausrichten, wie viel sich die Kunden bewegen – beruhend auf einer massiven Verletzung der Privatsphäre.

Soziale Netzwerke und Apps sammeln Daten von Usern.
Soziale Netzwerke und Apps sammeln Daten von Usern.

Zusätzlich seien viele Online-Angebote und Apps darauf ausgerichtet, den Menschen profitable Handlungsmuster anzutrainieren. «An sich gesunde» Geschäftsmodelle von Facebook und Co. umfassten im Kern auch Menschenrechtsverletzungen, da sie ohne jegliche Berechtigung Menschen manipulieren, grundlegende politische und gesellschaftliche Änderungen erzeugen und die Freiheit einschränken würden.

«Es wird mit uns im Dienste von knallharten wirtschaftlichen und politischen Eigeninteressen gespielt, und wir tanzen da wie Marionetten an Fäden, ohne dass wir das wahrnehmen und uns dagegen wehren können», sagte der Ethiker.

Unterwanderung von Menschenrechten

Besonders Google unterwandere Menschenrechte systematisch oder stelle sie in Frage, sagte Kirchschläger. Auf «absurde» Weise argumentiere der Konzern damit, dass es bei der Entwicklung der Menschenrechte 1948 ja noch kein Internet gegeben habe. Diese Denkweise führe jedoch in letzter Konsequenz zu noch viel zahlreicheren Menschenrechtsverletzungen wie etwa in China, mahnte der Theologe. Dort habe die Überwachung der eigenen Bevölkerung bereits Formen angenommen, «die jetzt schon weit über die bisherigen Vorstellungen totalitärer Überwachung hinausgehen».

In China hat die Überwachung der Bevölkerung bereits Formen angenommen, kritisiert Peter Kirchschläger.
In China hat die Überwachung der Bevölkerung bereits Formen angenommen, kritisiert Peter Kirchschläger.

Auf mehreren Ebenen müsse den Ansätzen entgegenhalten werden, forderte Kirchschläger. Notwendig sei vor allem der Bürgerprotest gegen die Entwicklung von Überwachungstechnologien oder deren Verkauf an totalitäre Systeme. Mitarbeitende sollten von ihren Unternehmen einfordern, «den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken und nicht alles der Gewinnmaximierung unterzuordnen». Zudem sollten bereits existierende Normen durch den Staat umgesetzt werden.

Als dringend notwendig bezeichnete der Luzerner Sozialethiker auch die Schaffung einer Agentur für datenbasierte Systeme. Diese könnte, ähnlich der Internationalen Atomenergiebehörde, auf internationaler Ebene ein Controlling mit Sanktions- und Durchgriffsrechten wahrnehmen.

Umfassendere Manipulation

Gelinge es nicht, die Kontrolle über die eigenen Daten zurückzugewinnen, sei schon absehbar, dass es zu noch umfassenderer Manipulation komme, mahnte der Experte: Nämlich durch «einige wenige multinationale Technologiekonzerne, die gleichzeitig die Politik so unter Druck setzen und in der Hand haben, dass der Rechtsstaat den Zugriff auf sie verliert». (kap)


Peter G. Kirchschläger | © Georges Scherrer
5. Januar 2022 | 17:27
Lesezeit: ca. 2 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!