Paul Martone
Schweiz

Paul Martone: «Die Leute auf beiden Seiten des Baches Lonza waren unzufrieden»

Der Priester Paul Martone sorgt im Wallis für Aufruhr mit seiner Aussage, es gebe eine «Berliner Mauer» zwischen Steg und Gampel. Er habe das so als Pfarrer erlebt, schreibt Martone auf Anfrage. Die Leute hätten sich geweigert, die Gottesdienste im Nachbardorf zu besuchen.

Regula Pfeifer

Weshalb haben Sie den beiden Gemeinden Steg und Gampel vorgeworfen, eine Berliner Mauer hochgezogen zu haben?

Paul Martone: Dieser Vorwurf war sicher recht pointiert und er hat auch die entsprechenden Reaktionen hervorgerufen und hoffentlich – und so scheint es zumindest – auch zum Nachdenken angeregt.

«Ich wollte mich nur zur Situation der Pfarreien äussern.»

Ich möchte betonen, dass ich mich nur zur Situation der Pfarreien äussern wollte, die ich aus eigener Erfahrung kenne. Was die Situation der politischen Gemeinden Steg und Gampel betrifft, gehört dies nicht zu meinen Überlegungen und geht mich auch nichts an.

Bergkette im Wallis.
Bergkette im Wallis.

Sie waren dort Pfarrer, nicht wahr?

Martone: Ja, ich war 2016 bis 2017 Pfarrer von Gampel und Steg. Als Hauptaufgabe wurde mir damals vom Bistum übertragen, beide Pfarreien gemeinsam zu betreuen – nicht allein, sondern zusammen mit einem Ständigen Diakon.

«Es kam zu Missstimmungen, weil es zu einer Reduktion der Messfeiern führte.

Was war das pastorale Problem?

Martone: Es war bis anhin so, dass beide Pfarreien einen eigenen Seelsorger hatten, von denen einer in Gampel und der andere in Steg wohnte. Das war nun nicht mehr der Fall und führte schon von Anfang an zu Missstimmungen, auch weil dies notwendigerweise zu einer Reduktion der Messfeiern führte, denn die beiden Pfarreien bestanden aus insgesamt fünf Dörfern, sodass es nicht möglich war, an den Wochenenden in allen Pfarreien eine heilige Messe zu feiern.

Wie wurde das Problem gelöst?

Martone: Anstelle der Eucharistiefeiern hielt der Diakon zusätzlich Wortgottesfeiern, was jedoch vielen nicht gefiel, da es sich dabei ja nur um «halbe» Messen handeln würde. Dass man auch in einem Wortgottesdienst dem auferstandenen Herrn begegnen kann, fand nicht den Weg in die Köpfe und Herzen der Menschen.

Priester Paul Martone segnet den neuen Autobahnabschnitt A9 zwischen Gampel-Steg und Raron, August 2023
Priester Paul Martone segnet den neuen Autobahnabschnitt A9 zwischen Gampel-Steg und Raron, August 2023

«Die Kirchen sind nur durch einen Spaziergang von etwa 15 Minuten voneinander entfernt.»

Natürlich wäre es möglich gewesen im Nachbarort Gampel beziehungsweise Steg abwechslungsweise die Heilige Messe zu besuchen, aber das war manchen Menschen nicht zumutbar, obwohl die Kirchen nur durch einen Spaziergang von etwa 15 Minuten voneinander entfernt sind.

Gab es weitere schwierige Situationen?

Martone: Ja, auch als es darum ging, während der Zeit, als die Pfarrkirche in Gampel renoviert wurde, die Sonntagsmesse in Steg zu besuchen, lehnte dies ein Teil der Bevölkerung von Gampel ab und zog es vor, die Messe in der Aula des Schulhauses von Gampel zu besuchen. Als ein paar Jahre vorher die Pfarrkirche in Steg renoviert wurde, gingen die Steger nach Gampel zur Messe.

Priester feiert Eucharistie.
Priester feiert Eucharistie.

Wie fanden Sie das?

Martone: Ich musste dann relativ früh einsehen, dass es nicht möglich war, beide Pfarreien mit dem genannten Seelsorgeteam zu versehen, da jede Gemeinde sehr stark auf ihre Eigenständigkeit und Eigenart pochte. Die historischen Gründe dafür aufzuzählen, würde den Rahmen dieser Zeilen sprengen.

Wie störte dies das Glaubensleben?

Martone: Wie schon angetönt, waren die Leute auf beiden Seiten des Baches «Lonza» unzufrieden mit der Situation. Kirchliche Synergien zu nutzen, war nicht möglich, da man auch nicht einsehen wollte, dass es bei der angespannten personellen Lage – durch den Priestermangel beispielsweise – nicht mehr möglich war, die bisherigen Gottesdienste im selben Rahmen aufrechtzuerhalten.

«Leider haben ‹unerleuchtete› Menschen immer wieder eine Mär herumgeboten.»

Leider haben «unerleuchtete» Menschen immer wieder die Mär herumgeboten, es würde in Afrika, Indien und Polen genügend Priester geben, die ins Wallis kommen und eine Pfarrei wie Gampel oder Steg übernehmen möchten, aber das Bistum Sitten wolle diese nicht. Man würde stattdessen Laien vorziehen, was in keiner Art und Weise den Tatsachen entspricht!

Ich darf aber unterstreichen, dass ich von den Pfarreiräten in beiden Pfarreien viel Unterstützung erhalten habe und mit ihnen ein gutes Einvernehmen hatte, wofür ich immer noch dankbar bin.

«Ich bin von verschiedenen Leuten als faul taxiert worden.»

War das der Hauptgrund, weshalb Sie die Pfarrstelle aufgegeben haben?

Martone: Der Hauptgrund war, dass ich von verschiedenen Leuten als faul taxiert worden bin, dem alles zu viel sei. Dass auch ich mich nicht halbieren konnte und auch nicht die Gabe der Bilokation hatte und auch heute nicht habe, sahen viele nicht. Es gab auch Menschen, die sagten, sie seien mit meiner Arbeit zwar zufrieden, es sei aber doch besser, wenn ich gehe, da ich doch begreifen müsse, dass sie jeden Tag eine Messe haben müssten. Daher sah ich für mich und die Pläne eines vom Bistum gewünschten Zusammengehens keine Zukunft.

Nun haben Sie Ihre Aussage nachträglich abgeschwächt, weshalb?

Martone: Ich kann sagen, dass mich niemand gezwungen hat, diese Aussage abzuschwächen. Wie gesagt, war die Aussage der Berliner Mauer sehr pointiert, aber sie enthält doch auch etwas Hoffnungsvolles: Die Berliner Mauer existiert ja inzwischen nicht mehr. Wie alle Mauern, die zwischen Völkern und Staaten errichtet wurden, ist auch sie im Laufe der Zeit zusammengefallen.

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Welchen Schluss ziehen Sie daraus?

Martone: So bleibt mir die Hoffnung, dass es in Zukunft auch zwischen diesen beiden Pfarreien ein vermehrtes Zusammengehen geben wird und zwar nicht, weil von «Oben», also vom bischöflichen Ordinariat, oder von den äusseren Umständen Druck gemacht wird. Sondern weil man einsieht, dass es in der Zukunft nurmehr eine Kirche geben wird, die zusammensteht und zusammen den Weg geht, verbunden als Schwestern und Brüder, die an denselben Herrn glauben. Als Gemeinschaft, die «ein Herz und eine Seele» ist, wie es in der Apostelgeschichte heisst, eine Gemeinschaft, die alles gemeinsam hat und in der keiner Not leidet und in der Brücken zueinander nicht nur gebaut, sondern auch begangen werden.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

Die «Berliner Mauer» im Wallis

Als erster Pfarrer war Paul Martone im Jahr 2016/17 sowohl für die Pfarrei Gampel als auch für die Pfarrei Steg-Hohtenn zuständig, schreibt der «Walliser Bote» am Samstag. In dessen Podcast «Unner vier Öige,» habe er seine Zeit in den beiden Gemeinden an der Lonza als «psychisch frustrierend» bezeichnet, weil die Gampjer und die Steger nicht bereit gewesen seien, auch nur einen Schritt aufeinander zuzugehen. Demnach sagte Martone: «Zwischen Gampel und Steg ist nicht die Lonza, der Bach, sondern eine Mauer, die höher ist als die Berliner Mauer.» Darauf meldeten sich die aktuellen und ehemaligen Gemeindepräsidenten von Gampel-Bratsch und Steg-Hohtenn zu Wort. Die Grundaussage: Martone irrt sich. (rp)


Paul Martone | © Vera Rüttimann
25. März 2024 | 16:15
Lesezeit: ca. 4 Min.
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