Patti Basler
Schweiz

Patti Basler: Satire, Sozialkritik, Seitenhiebe auf die Kirche

Die Kabarettistin Patti Basler ist aus der SRF-»Arena» bekannt. Sie erhebt ihre Stimme für die Flüchtlinge auf Lesbos. Religion und Satire? Auch hierzu hat sie flotte Sprüche: «Herumhuren, beichten – alles ist wieder gut.»

Raphael Rauch

Auf Twitter schreiben Sie:

Wie ernst ist Ihr Aufruf, Flüchtlinge aus dem abgebrannten Lager Moria aufzunehmen?

Patti Basler: Meine Rechnung ist absichtlich naiv, aber durchaus ernst. Eine Familie pro Gemeinde und Moria ist geräumt.

«Meine Gästewohnung steht wegen Corona meistens leer.»

Und Sie würden Ihre Gästewohnung hergeben?

Basler: Als Schweizerin und Katholikin bin ich die geborene Krisengewinnlerin. Ich habe ein Atelier samt kleinem Studio, in dem Künstler auf Tournee übernachten können. Es steht wegen Corona meistens leer. Gemeinde und Kanton könnten die Untermiete gewissenhaft und im Voraus bezahlen. Für von Corona krisengeschüttelte Bühnenmenschen gibt es zurzeit kein besseres Geschäft.

Und jetzt mal ernsthaft?

Basler: Die bürokratischen Hürden sind wahrscheinlich zu hoch. Mindestens so hoch wie die Hecken und Zäune um die grossen Häuser aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Die Gigi Öris, Magdalena Martullos, Roger Federers und Tidjane Thiams der Schweiz hätten vielleicht auch noch ein Plätzchen.

Welche Antwort auf Ihren Tweet hat Sie berührt?

Basler: Wenn ich mich als Satirikerin von Twitter-Antworten zu sehr berühren liesse, müsste ich über einen Jobwechsel nachdenken.

«Privilegierte Menschen können sich moralisch profilieren.»

Nicht jeder kommt mit Ihrer Art von Satire klar.

Basler: Es gibt den Reflex, dass Menschen hervorstreichen: Wir haben selber genügend Probleme, wir haben keine Gästewohnung, es gibt auch Arme und Alleinerziehende in der Schweiz. Aber privilegierte Menschen wie ich können sich moralisch profilieren, indem sie grossmäulig ihre Gästewohnung anbieten.

Patti Basler
Patti Basler

Es ist müssig, Abgehängte und Flüchtlinge gegeneinander auszuspielen.

Basler: Deshalb haben wir das System mit den Steuern erfunden: Privilegierte Menschen sollen Steuern bezahlen, Arme wenig bis nichts. Die Superreichen schaffen es aber, uns immer wieder einzureden: Die Steuern für Reiche müssen gesenkt werden – wie aktuell bei der Vorlage für die Kinderabzüge bei Gutverdienenden. Es ist das alte Matthäus-Paradoxon: Wer hat, dem wird gegeben. Das Problem ist nicht, dass wir zu viel Geld für Geflüchtete ausgeben. Sondern dass die grossen Profiteure zu wenig bezahlen.

Welche Twitter-Antwort hat Sie empört?

Basler: Empörung ist ein Konzept, das ich so nicht kenne.

Überzeugt Sie das Engagement von Papst Franziskus für Flüchtlinge?

Basler: Welches Engagement?

«Man hört eher was vom HEKS.»

Bekommen Sie etwas vom Engagement der Schweizer Bischöfe in Flüchtlingsfragen mit?

Basler: Man hört eher etwas von der konfessionellen Konkurrenz-Veranstaltung, vom HEKS.

Der Bund will 20 Minderjährige aus dem Lager Moria aufnehmen. Hilft Zynismus, um die Zahl zu verdauen?

Basler: Da braucht es gar keinen Zynismus. Das ist Zynismus.

Sie engagieren sich nicht nur digital, sondern auch in «real life». Berührt Sie da etwas?

Basler: Ich war vor ein paar Tagen an einer Schule für einen Slam-Poetry-Workshop. Von den 60 Kindern haben fast alle einen Migrationshintergrund. Ein Mädchen ist vor wenigen Monaten als Flüchtlingskind in die Schweiz gekommen. Sie hat einen unglaublich guten Text auf Deutsch und Arabisch geschrieben: über Süssigkeiten, übers Fastenbrechen. Ich hatte nach ihrem Vortrag Hunger und hätte auch in der strengsten Fastenzeit kurz sündigen müssen.

Ein Tweet von Ihnen zu einem ganz anderen Thema war:

Was haben Sie eigentlich für ein Verhältnis zum Thema Religion?

Basler: Ich kenne die Bibel etwa so wie ich die römische oder die germanische Mythologie kenne. Sie ist Teil unseres kulturellen Erbes. Religionen gehören zur Gesellschaft und haben für viele Menschen eine wichtige soziale Bedeutung. Selbst wenn die Deutungshoheit und die Prägung vom Diskurs heute bei der Wissenschaft und bei der Wirtschaft liegen.

Taugt Religion für Satire?

Basler: In Zeiten, wo sogar die CVP das heilige C ablegt, kann man nur noch sagen: Der Zweck heiligt die Mitte. Religion ist immer wieder Inspiration zur Kreativität. Schon beim Beichten musste ich früher Sünden erfinden.

«Inzwischen hat jedes Gebäude etwas von einer katholischen Kirche.»

Kommen wir zur katholischen Kirche…

Basler: Fressen, saufen, herumhuren, danach beichten – und alles ist wieder gut: Das passt mir natürlich. Das Fasten leider weniger. Der Katholizismus ist ein grossartig pompöses Theater, eine traditionalistische Veranstaltung. Inzwischen hat jedes Gebäude etwas von einer katholischen Kirche. Statt Weihwasser steht da allerdings Desinfektionsmittel, statt einer Bekreuzigung werden die Hände bis zur Unschuld gewaschen.

Die katholische Kirche scheint Ihnen richtig Spass zu machen.

Basler: Alles wunderbar, wenn unter den katholischen Traditions-Strukturen nicht Andersgläubige, Frauen, von Pädosexuellen missbrauchte Kinder, sexuelle Minderheiten, indigene Volksstämme und viele andere leiden müssten. Die Magie der Messe hat an sich etwas Vereinnahmendes. Wasser zu Wein verwandeln, Wein zu Blut, Brot zu Fleisch. Brot zu Fleisch verwandeln kann ich allerdings auch. Direkt am Körper. Amen.


Patti Basler | © zVg / Sandro LaMarca
13. September 2020 | 06:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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Patti Basler

Patti Basler ist eine ehemalige Lehrerin und arbeitet als Autorin und Kabarettistin. Seit zwei Jahren ist sie «Instant-Protokollantin» der «Arena» von SRF. Während der Corona-Krise gaben ihre «Briefe aus dem Lockdown» zu reden. (rr)