Nuntius Thomas E. Gullickson, Botschafter des Vatikan in der Schweiz
Schweiz

Nuntius Gullickson: Katholiken suchen Hilfe beim Bundesrat – dieser lehnt ab

Zürich, 1.2.16 (kath.ch) Der neue Nuntius, Thomas E. Gullickson, sorgt für Unruhe unter den Schweizer Katholiken. Nach einem ersten öffentlichen Protest vergangene Woche suchen liberale katholische Kreise Hilfe beim Bundesrat. Sowohl der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) als auch der Theologe Markus Arnold haben ein Schreiben an Bundesrätin Doris Leuthard und an Bundespräsident Johann Schneider-Ammann gerichtet. Man werde keine Massnahme treffen, teilte das zuständige Departement am Montag, 1. Februar, gegenüber kath.ch mit. Der Theologe Erwin Koller, selbst ein Kritiker des Nuntius, betrachtet die Briefaktion skeptisch.

Barbara Ludwig

Der SKF schickt sein Schreiben an Doris Leuthard am Montag, 1. Februar, ab, wie er gegenüber kath.ch bestätigte. Der Verband, hinter dem rund 150’000 katholische Frauen stehen und dem auch die CVP-Bundesrätin angehört, wolle mit dem Brief den Bundesrat dazu bewegen, dass er «im Vatikan vorstellig wird». Der SKF befürchet, Gullickson werde mit seiner «erzkonservativen» Haltung den religiösen Frieden in der Schweiz «akut» gefährden, wenn nicht interveniert werde.

«Im Fall Haas zeigte sich, dass erst etwas in Bewegung kam, als der Bundesrat beim Heiligen Stuhl interveniert hatte», so der Verband gegenüber kath.ch. Damit nimmt der SKF Bezug auf die diplomatische Demarche des Bundesrates, die dieser 1996 auf Drängen der Churer Bistumskantone unternommen hatte und die schliesslich dazu führte, dass der damalige Churer Bischof Wolfgang Haas 1997 ins neu errichtete Erzbistum Vaduz versetzt wurde.

Arnold streicht antiliberale Haltung des Nuntius hervor

Der SKF bestätigte, seine Briefaktion mit derjenigen des liberalen Theologen Markus Arnold abgesprochen zu haben. Auch Arnold ist der Ansicht, Gullickson gefährde den religiösen Frieden, wie er auf Anfrage gegenüber kath.ch mitteilte. Der Theologe hat das Schreiben als Studienleiter des Religionspädagogischen Instituts an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern unterzeichnet. In seinem Brief an den Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann macht Arnold, der nach eigenen Angaben aus einer liberalen Luzerner Familie stammt, darauf aufmerksam, dass der Nuntius ein antimodernistisches Buch aus dem 19. Jahrhundert mit dem Titel «Liberalismus ist Sünde» zur Lektüre empfiehlt. Der Kampf zwischen dem schweizerischen Bundesstaat und Ultramontanisten habe jahrzehntelang das Klima in der Schweiz «vergiftet», schreibt Arnold in seinem Schreiben, das kath.ch vorliegt.

Nun wolle der Nuntius «offensichtlich das Klima in der Schweiz nachhaltig vergiften», nicht nur in der katholischen Kirche, aber auch in der Ökumene und im Staat, so der Theologe weiter. Man habe aber bereits genug Probleme mit «religiösen Fanatikern». Arnold bittet den Bundesrat, beim vatikanischen Staatssekretariat vorstellig zu werden.

Giusep Nay: «Gift für die Ökumene»

Der frühere Bundesgerichtspräsident Giusep Nay ist ebenfalls der Ansicht, die Haltung des Nuntius sei «Gift für die Ökumene». Suche man Unterstützung beim Bundesrat, sollte man nicht den innerkirchlichen Konflikt zwischen konservativen und liberalen Katholiken in den Vordergrund stellen, sondern eher mit dem möglichen Einfluss des Nuntius auf die Wahl des Nachfolgers des Churer Bischofs Vitus Huonder argumentieren.

Der künftige Bischof von Chur könne, je nachdem wie die Wahl ausfalle, durchaus den Frieden mit den Reformierten stören, sagte Nay gegenüber kath.ch.

Erwin Koller: Bischofskonferenz ist gefordert

Erwin Koller, Präsident der Herbert Haag-Stiftung für Freiheit in der Kirche und selber ein Kritiker des Nuntius, betrachtet die Briefaktion skeptisch. «Es müssten Fakten gegen Gullickson vorliegen», sagte er auf Anfrage gegenüber kath.ch. Der durch den Nuntius gestiftete Unfriede in der katholischen Kirche der Schweiz müsste zunächst «manifest» geworden sein, was im Moment nicht der Fall sei. «Es ist noch nicht Zeit für Interventionen», so Koller. «Als der Bundesrat im Fall Haas intervenierte, hatte man gegen zehn Jahre Streit hinter sich.» Der Theologe schliesst allerdings nicht aus, dass es – nach Haas und dem ebenfalls umstrittenen Bischof Huonder – zu einer «dritten Katastrophe» kommt.

Natürlich müsse der Bundesrat beobachten, was im Lande vor sich gehe und wo sich etwas zusammenbraue, findet Koller. Aber der Bundesrat sei nun mal kein Kirchenvertreter und dürfe sich als politische Instanz nicht in religiöse Fragen einmischen. Aus Kollers Sicht sind gegenwärtig vor allem die Schweizer Bischöfe gefordert.

«Die Bischofskonferenz müsste gegenüber Rom aktiv werden, weil Gullickson wesentliche Entscheidungen des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnt.» Koller hat in einem Beitrag auf der Internetplattform «Journal21.ch» das vom Nuntius propagierte antimodernistische Buch des spanischen Priesters Félix Sardá y Salvany unter die Lupe genommen.

EDA handelt nicht

Das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung bestätigte am Montag, 1. Februar, gegenüber kath.ch den Eingang des Schreibens von Arnold an Bundespräsident Schneider-Ammann. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) teilte indes gegenüber kath.ch mit, es werde in der vorliegenden Angelegenheit «keine Massnahmen» treffen.

Die «Schweiz am Sonntag» (31. Januar) hatte die beiden Briefaktionen aufgedeckt.   (bal)

Neuer Nuntius – die kirchliche Allianz «Es reicht!» will Konsequenzen

Nuntius Thomas E. Gullickson, Botschafter des Vatikan in der Schweiz | © 2016 screenshot SRF
1. Februar 2016 | 18:09
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