Daniel Ortega, der Machthaber von Nicaragua.
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Nicaragua: Wenn Paramilitärs und Polizei die Predigten der Priester kontrollieren

Die katholische Kirche in Nicaragua ist laut Angaben von Menschenrechtsexperten Ziel massiver Spionageaktivitäten durch das herrschende Ortega/Murillo-Regime. Die Diktatur habe in den vergangenen Monaten ein enges Netzwerk geknüpft, so die Forscherin Martha Molina, um alle katholischen Kirchen des Landes zu kontrollieren und Priester oder Laien schon beim geringsten Verdacht einer gegen die Regierung gerichteten Äusserung mit Gefängnisstrafen zu belegen.

Bei jedem Gottesdienst und jeglicher sonstiger pfarrlichen Aktivität seien drei Paramilitärs oder Polizisten zugegen und hätten den Auftrag, «Augen und Ohren der Diktatur zu sein» und insbesondere die Predigten zu überwachen oder aufzuzeichnen, erklärte Molina. Längst wisse man in den Pfarren, wer die mit dieser «Drecksarbeit» beauftragten sei. Gefährlich sei diese Präsenz jedoch allemal.

Muss jetzt nicht 26 Jahre ins Gefängnis: Bischof Rolando Alvarez.
Muss jetzt nicht 26 Jahre ins Gefängnis: Bischof Rolando Alvarez.

Inhaftierung eines weiteren Priesters

Als jüngstes Beispiel nannte Molina die Inhaftierung des Priesters Osman Jose Amador Guillen vergangenen Freitag. Dem Priester der Diözese Esteli, der früher letzter Direktor der im Februar von den Regionalbehörden aufgelösten diözesanen Caritas war, dürfte zum Verhängnis geworden sein, dass er im Gottesdienst um Gebete für den zu 26 Jahren Haft verurteilten Bischof Rolando Alvarez aufgerufen hatte. Die genauen Gründe sind ebenso wie Amadors Aufenthaltsort bislang unbekannt.

Ortega: Kirche kriminelle Organisation

Zur Begründung der «Entführung» des Priesters Amador «kann die Polizei jedes Verbrechen erfinden oder es mit dem Fall der angeblichen Geldwäsche der Kirche in Verbindung bringen», erklärte Molina. Das Ortega-Regime hatte die katholische Kirche bereits am 27. Mai bezichtigt, eine kriminelle Organisation zu sein, die «Geldwäsche» betreibe, worauf die Bankkonten der Diözesen eingefroren wurden.

Werbung für den Ortega-Clan (2018) in Nicaragua.
Werbung für den Ortega-Clan (2018) in Nicaragua.

In den Monaten seither seien keine eine derartige Anschuldigung stützenden Beweise präsentiert worden, sagte die Forscherin. Ganz offensichtlich suche das Regime nach einer Möglichkeit, «der Kirche das Geld zu stehlen».

Exil-Bischof schimpft Polizei und Armee

Anders als die in Nicaragua verbliebenen Priester nehmen sich die im Exil lebenden Geistlichen des Landes kein Blatt vor den Mund. Darunter der in Miami im US-Bundesstaat Florida lebende Weihbischof Silvio Jose Baez Ortega, der am Sonntag scharf gegen das Regime und dessen Handlanger predigte.

Proteste in Nicaragua – hier Archivaufnahmen von 2018.
Proteste in Nicaragua – hier Archivaufnahmen von 2018.

Die Anführer der nicaraguanischen Armee sei «hochmütig, korrupt und der Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig», sagte der Bischof laut dem Portal «La Prensa»; dies war wenige Tage, nachdem Armeechef Julio Cesar Aviles in einer Rede die unabhängigen Medien des Landes als «Söldner» und «Lügner» bezeichnet hatte.

Ins Gebet genommen

Doch auch Nicaraguas Polizei nahm der Exil-Bischof ins Gebet: Jeden aus ihren Reihen, der «unschuldige Menschen unterdrückt, einsperrt und foltert, sagen wir: Ihr seid hier, um dem Volk zu dienen, nicht um es zu vernichten! Respektiert das Volk, unterwerft euch nicht unmenschlichen Befehlen!»

«Der Versuch, die Stimme Gottes zum Schweigen zu bringen, ist sinnlos».

Jose Baez Ortega

Schliesslich richtete Baez auch allen, «die die Kirchen unterwandern, um mutige Priester, die das Wort Gottes verkünden, einzuschüchtern und auszuspionieren», aus: «Der Versuch, die Stimme Gottes zum Schweigen zu bringen, ist sinnlos».

Systematische Menschenrechtsverletzungen

Nicaraguas Kirche, Nichtregierungsorganisationen und unabhängige Medien kritisierten in den vergangenen Jahren immer wieder in scharfer Form systematische Menschenrechtsverletzungen der Regierung von Daniel Ortega und Rosario Murillo. Sie forderten unter anderem die Freilassung von politischen Gefangenen. Inzwischen sind tausende zivilgesellschaftliche Organisationen verboten worden. Hunderte Oppositionelle wurden des Landes verwiesen. (kap)


Daniel Ortega, der Machthaber von Nicaragua. | © Nueva Sociedad
11. September 2023 | 15:30
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