Werbung für den Ortega-Clan (2018) in Nicaragua.
International

Nicaragua, was ist aus dir geworden?

Viele katholische Eine-Welt-Fans waren von Nicaragua begeistert und halfen früher auf Kaffeeplantagen. Sie träumten von einem «christlichen, sozialistischen, solidarischen» Weg. Heute erkennen sie ihr Nicaragua nicht wieder. Der Ortega-Clan zieht die Daumenschrauben an. Wird aus Nicaragua ein zweites Nordkorea?

Tobias Käufer

Wer zuletzt einmal durch Nicaragua gefahren ist, hat sie gesehen, die Plakate des strahlenden Präsidentenpaares: «Christlich, sozialistisch, solidarisch» war darauf zu lesen. Machthaber Daniel Ortega und seine Ehefrau Rosario Murillo winken von oben herab. 

Nordkoreanische Verhältnisse

Sie und die sieben Kinder sind der Fixstern, um den sich in Nicaragua alles dreht. Seit den Protesten 2018 hat das Paar Ortega/Murillo die Daumenschrauben für Regierungskritiker massiv angezogen. Beobachterinnen und Beobachter sprechen mittlerweile von nordkoreanischen Verhältnissen.

Daniel Ortega, der Machthaber von Nicaragua.
Daniel Ortega, der Machthaber von Nicaragua.

Zuletzt ging die Familiendiktatur mit aller Härte gegen alle vor, die sich irgendwann in der Vergangenheit kritisch zur Regierung und zur Lage im Land äusserten. Die «Säuberungsaktion» hat viele Scherben hinterlassen: Tausende Nichtregierungsorganisationen sind inzwischen verboten, darunter auch solche, die sich um die Ärmsten der Armen, um die Schulspeisung von Kindern, um die Betreuung von missbrauchten Jugendlichen kümmerten.

Beziehungen zum Heiligen Stuhl «suspendiert»

Handelskammern und Unternehmerverbände sind ebenso verboten wie die Tageszeitung «La Prensa». Gebäude und Druckerei wurden beschlagnahmt. Dort wird jetzt gefällige Propaganda «für das Volk» gedruckt. 

Proteste in Nicaragua – hier Archivaufnahmen von 2018.
Proteste in Nicaragua – hier Archivaufnahmen von 2018.

Die Caritas, der soziale Arm der katholischen Kirche: aufgelöst. Unbequeme Bischöfe und Priester sitzen im Gefängnis oder im Exil. Die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan wurden obendrein «suspendiert», weil Papst Franziskus jüngst in einem Interview kritische Worte fand.

Nur Venezuela und Kuba halten zum Ortega-Clan

Nahezu die gesamte politische Opposition in Nicaragua wurde erst eingesperrt, dann ausser Landes gebracht. Von dort aus agiert sie hilf- und machtlos. Auch ehemalige Weggefährten der sandinistischen Revolution, die ihre Stimme erhoben, wurden inhaftiert, als Verräter gebrandmarkt oder über die Grenze geschafft.

Seine Stimme ist verstummt: Ernesto Cardenal starb 2020.
Seine Stimme ist verstummt: Ernesto Cardenal starb 2020.

Schriftstellerin Gioconda Belli sagt dazu: «Ortega hat Angst vor seinem eigenen Volk.» Seine Auftritte werden derweil immer bizarrer. Sogar die einst verbündete Linke in Lateinamerika hat sich weitgehend von ihm abgewandt, nimmt die wegen «Vaterlandsverrats» ausgebürgerten politischen Gefangenen auf und stattet sie mit neuen Pässen aus. Nur die Linksautokraten Nicolas Maduro in Venezuela und Miguel Diaz-Canel in Kuba stehen noch zu Ortega und ermuntern ihn, die «Souveränität» zu verteidigen.

Die Kirche prangert Menschenrechtsverletzungen offen an

Dessen Repressionsapparat geht zurzeit vor allem gegen die katholische Kirche vor. Selbst kirchliche Prozessionen sind in Nicaragua neuerdings verboten. Berta Valle, Menschenrechtsaktivistin und Ehefrau des lange inhaftierten und kürzlich in die USA ausgeflogenen Ex-Präsidentschaftskandidaten Felix Maradiaga, vermutet dahinter eine klare Strategie. «Der Hauptgrund ist, dass die Kirche eine Institution war, die Menschenrechtsverletzungen offen anprangerte und sich für das nicaraguanische Volk einsetzte», sagte Valle jüngst der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Bischof Rolando Alvarez betete vor seinem Haus. Mittlerweile sass er im Gefängnis. Jetzt wird er vom Ortega-Regime abgeschoben in den Vatikan.
Bischof Rolando Alvarez betete vor seinem Haus. Mittlerweile sass er im Gefängnis. Jetzt wird er vom Ortega-Regime abgeschoben in den Vatikan.

Insbesondere die einfachen Priester, aber auch der zu 26 Jahren Haft verurteilte Bischof Rolando Alvarez, seien einige dieser Stimmen gewesen, die lautstark Gerechtigkeit und Freiheit in Nicaragua gefordert hätten. «Das Regime versucht nun, diese Stimmen und diese Institution zum Schweigen zu bringen», sagt Valle. Ähnlich äusserte sich am Dienstag Edgar Lamm, Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in Frankfurt: «Meinungs- und Religionsfreiheit sind im diktatorisch regierten Nicaragua praktisch nicht mehr vorhanden.»

Die Menschen wollen nur noch weg

Das alles hat Konsequenzen: Im Nachbarland Costa Rica und an der mexikanischen Nordgrenze zu den USA sammeln sich Tausende verzweifelte Menschen aus Nicaragua, die nur noch weg wollen. Weg aus einemLand, in dem sie keine Zukunft mehr für sich sehen.


Werbung für den Ortega-Clan (2018) in Nicaragua. | © Tobias Käufer/KNA
14. März 2023 | 13:47
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