Putin und Kyrill im November 2021.
International

Moskau widerspricht Steinmeier: «Antirussische Propaganda wird beim ÖRK nicht erfolgreich sein»

Schlagabtausch in Karlsruhe: Der deutsche Bundespräsident Steinmeier wirft der russisch-orthodoxen Kirche vor, sich mit Putins Verbrechen gemein zu machen. Moskau widerspricht – und wirft Steinmeier vor, politischen Druck auf den Weltkirchenrat auszuüben.

Raphael Rauch

Metropolit Hilarion wurde im März die Einreise in die Schweiz verweigert. Konnten Sie problemlos nach Karlsruhe reisen?

Vakhtang Kipshidze*: Ja, das war kein Problem. Letztes Jahr habe ich ein Visum für mehrfache Einreisen erhalten. Und dieses Visum konnte ich auch dieses Mal bei der Passkontrolle nutzen.

Vakhtang Kipshidze
Vakhtang Kipshidze

Mit welchem Ziel kommt die russisch-orthodoxe Kirche nach Karlsruhe?

Kipshidze: Für uns ist das hier ein ganz normaler Vorgang, dass Mitgliedskirchen an der Vollversammlung des Weltkirchenrates teilnehmen. Wir sind mit 20 Leuten in Karlsruhe vertreten. Unsere Delegation besteht aus mehreren Bischöfen, Priestern, Laien – und auch aus Jugendlichen.

Der deutsche Bundespräsident Steinmeier hat das Verhalten der russisch-orthodoxen Kirche scharf kritisiert. Was sagen Sie dazu?

Kipshidze: Für uns kamen die Beschuldigungen des Bundespräsidenten völlig unerwartet. Wir dachten, es geht um ein Grusswort – und nicht darum, ein Mitglied des Weltkirchenrates einseitig zu kritisieren. Metropolit Antonij hat später hierzu eine Erklärung abgegeben.

«Steinmeiers Rede zeigt, dass sich die Politik in die inneren Angelegenheiten des Weltkirchenrates einmischen will.»

Was steht in dieser Erklärung?

Kipshidze: Metropolit Antonij hat klargestellt: Die Rede des deutschen Bundespräsidenten enthält unbegründete Anschuldigungen, die alle humanitären Bemühungen des Moskauer Patriarchats völlig ausser Acht lassen. Steinmeiers Rede zeigt, dass sich die Politik in die inneren Angelegenheiten des Weltkirchenrates einmischen will. Er stellt den friedensstiftenden und politisch neutralen Charakter des ÖRK in Frage.

Und jetzt?

Kipshidze: Wir haben mit Genugtuung registriert, dass ÖRK-Generalsekretär John Sauka die Bedeutung unserer Anwesenheit hervorgehoben hat. Dies zeigt, dass der ÖRK sich Steinmeiers Anschuldigungen nicht zu eigen macht. Der ÖRK soll auch weiterhin eine unabhängige Plattform des Dialogs und des Friedens bleiben.

Bischof Georg Bätzing (links) und Kardinal Kurt Koch bei der Ökumenischen Vollversammlung in Karlsruhe.
Bischof Georg Bätzing (links) und Kardinal Kurt Koch bei der Ökumenischen Vollversammlung in Karlsruhe.

Der Ökumene-Minister des Vatikans, Kardinal Kurt Koch, ist in Karlsruhe anwesend. Werden Sie bilaterale Gespräche führen?

Kipshidze: Vielleicht kommt es zu einem informellen Austausch. Aber der Weltkirchenrat lebt von multilateralen Begegnungen, nicht von bilateralen.

Papst Franziskus sagt, er wolle nach Moskau reisen – er werde von Putin aber nicht eingeladen. Wissen Sie, warum nicht?

Kipshidze: Als Kirche kommunizieren wir keine politischen Vorgänge.

Kyrill I. (m.), Patriarch von Moskau unterstützt Putin und den Krieg.
Kyrill I. (m.), Patriarch von Moskau unterstützt Putin und den Krieg.

Patriarch Kyrill hat ein Gespräch mit Papst Franziskus in Kasachstan abgesagt – mit der Begründung: Diese Begegnung sei zu wichtig, um sie am Rande eines interreligiösen Treffens abzuhalten. Wann könnte es zu einer Begegnung kommen?

Kipshidze: Wir haben uns zur Absage der Kasachstan-Reise umfassend geäussert. Ich werde das nicht noch einmal kommentieren.

Hat Ihre Delegation für Karlsruhe rote Linien formuliert? Was wäre für Sie so inakzeptabel, dass Sie aufstehen und abreisen würden?

Kipshidze: Darüber mache ich mir keine Sorgen. Mein Eindruck ist, dass die Führung des Weltkirchenrats den historischen Charakter der Organisation erhalten möchte. Wir werden uns nicht in politische Fragen einmischen. Der Wunsch ist es, diese Plattform für einen offenen und aufrichtigen Dialog zu erhalten.

Metropolit Hilarion am 27. Mai 2022 in Moskau.
Metropolit Hilarion am 27. Mai 2022 in Moskau.

Im Juni musste Metropolit Hilarion nach Budapest gehen. Seitdem leitet Metropolit Antonij die auswärtigen Beziehungen des Moskauer Patriarchats. Was hat sich dadurch geändert?

Kipshidze: Ich werde nicht die Personalpolitik in unserer Abteilung kommentieren.

«Das, was manche eine ukrainisch-orthodoxe Kirche nennen, betrachten wir als nicht-kanonisch und als eine künstliche Einrichtung.»

Teile der russisch-orthodoxen Kirche in der Ukraine haben sich von Moskau losgesagt. Fürchten Sie eine Aufwertung der Abtrünnigen durch den Weltkirchenrat?

Kipshidze: Diese Frage liegt ausserhalb der Zuständigkeit der ÖRK-Vollversammlung. Ich möchte festhalten, dass es keine offizielle Delegation aus der Ukraine gibt. Das, was manche eine ukrainisch-orthodoxe Kirche nennen, betrachten wir als nicht-kanonisch und als eine künstliche Einrichtung – vorangetrieben vom Patriarchen von Konstantinopel. Das ist aber keine offiziell anerkannte Kirche.

Welche persönlichen Erfahrungen machen Sie in Karlsruhe? Werden Sie wie ein Schmuddelkind behandelt, von dem man sich fernhält?

Kipshidze: Die grosse Mehrheit der ÖRK-Mitgliedskirchen ist sehr am Dialog mit dem Patriarchen von Moskau interessiert. Uns geht es darum, politisch neutral zu sein und unsere Organisation in die Zukunft zu führen. Versuche, den ÖRK für politische Zwecke zu missbrauchen und hier antirussische Propaganda zu machen, werden nicht erfolgreich sein.

"Public Eye" macht auf Verbindungen von Patriarch Kyrill zur Schweiz aufmerksam.
"Public Eye" macht auf Verbindungen von Patriarch Kyrill zur Schweiz aufmerksam.

Die evangelische Theologin Ellen Ueberschär kritisiert vor allem die Teilnahme von Leonid von Klin. Sie wirft ihm in der «Zeit» eine «Verhöhnung ukrainischer Kriegsgefangener» und «Pro-Putin-Positionen» vor. Tun Sie sich mit einem so umstrittenen Delegationsmitglied einen Gefallen?

Kipshidze: Ich weiss nicht, wer ein Problem mit Metropolit Leonid hat. Für mich klingt das alles ziemlich lächerlich. Ich empfinde die Atmosphäre hier in Karlsruhe als sehr freundlich und von Respekt geprägt. Die Theologin, die Sie zitiert haben, spricht nicht für den Weltkirchenrat.

* Vakhtang Kipshidze arbeitet für das Moskauer Patriarchat. Er ist Teil der russisch-orthodoxen Delegation bei der Vollversammlung des Weltkirchenrats in Karlsruhe und koordiniert die Medienarbeit von Metropolit Antonij.


Putin und Kyrill im November 2021. | © Keystone
1. September 2022 | 11:28
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