Mit Scheu und Scheuklappen

Problematische Erinnerung an den Zweiten Villmergerkrieg im Aargau

Aarau, 21.4.12 (Kipa) Zum 300. Mal jährt sich dieses Jahr mit dem Zweiten Villmergerkrieg eine der blutigsten Auseinandersetzungen der Alten Eidgenossenschaft. Das Gedenkjahr fällt zwiespältig aus. Vor allem Bund und Kanton Aargau zeigen Scheu im Umgang mit dem Schicksalsjahr 1712. Der konfessionelle Gegensatz soll ausgeklammert werden.

500 Tote in der Staudenschlacht bei Fischbach-Göslikon, gegen 4.000 Gefallene bei Villmergen am 25. Juli 1712: So die Bilanz des Zweiten Villmergerkrieges, des verlustreichsten Bürgerkrieges der Schweizer Geschichte. Seither sind 300 Jahre vergangen, und man schickt sich im Aargau an, mit verschiedenen Veranstaltungen an die damaligen Ereignisse zu erinnern.

Immer noch emotional aufgeladenes Thema

Doch nicht allen Akteuren ist es wohl bei der Sache. Über allem schwebt das Menetekel im kollektiven Gedächtnis. Dass es Sieger und Verlierer gab, dass der Friede von Aarau weitreichende und schmerzhafte Folgen hatte, dass einmal mehr die konfessionellen Lager im Land gegeneinander aufhetzt wurden, ist noch immer präsent. Zwar weiss kaum noch jemand, was damals genau geschah, aber emotional aufgeladen ist das Thema nach wie vor. Noch immer identifizieren sich Menschen mit den beiden Lagern von damals.

Als an einem Stammtisch das Gespräch auf den Villmergerkrieg kommt, meint einer grinsend: «Immerhin haben wir gewonnen.» Sein Gegenüber quittiert den Spruch mit einem bösen Blick. Die Wunden im kollektiven Gedächtnis mögen verheilt sein, aber es sind Narben geblieben.

Darum am besten gar nicht hinschauen, dachten sich wohl Bundesrat und Aargauer Regierung. Ersterer schmetterte eine Motion ab, die dazu aufforderte, sich dem Ereignis von offizieller Seite anzunehmen, letztere suchte das Feld privaten Initiativen zu überlassen.

Zögerliche Annäherung

Mittlerweile steht fest: Der Kanton Aargau gedenkt am 11. August 2012 des Zweiten Villmergerkrieges und des Vierten Landfriedens von Aarau im Jahr 1712. Zu verdanken ist dies einem überparteilichen Vorstoss im Grossen Rat. An der öffentlichen Feier in Villmergen stehen Ansprachen von Honoratioren des Bundes, des Kantons Aargau und der Kirchen auf dem Programm. Zudem lädt der Regierungsrat Delegationen aus allen Kantonen ein, die an den damaligen Ereignissen beteiligt waren.

«Das Gedenken soll nicht auf die Schlacht bei Villmergen am 25. Juli 1712 beschränkt sein, sondern vor allem den Friedensschluss von Aarau am 11. August 1712 würdigen», heisst es seitens der Regierung. Auffallend, dass der konfessionelle Gegensatz kaum Erwähnung findet. Mehr noch: Bei einzelnen Organisatoren von Gedenkanlässen war zu hören, dass der «Kanton» betonte, es solle «ja nicht an einen konfessionellen Konflikt erinnert werden.»

Für die Kirchen entstand zudem der Eindruck, der Kanton wolle die konfessionellen Akteure gar nicht im Boot haben. «Möglich, dass dieser Eindruck entstand, weil der Kanton das Konfessionelle nicht hervorheben will», mutmasst CVP-Grossrätin Alexandra Abbt und fügt an: «Klar ging es bei diesem Konflikt um Machtpolitik. Aber Tatsache ist, dass Katholiken gegen Reformierte gekämpft haben.»

Regierungssprecher Peter Buri betont, dass gegenüber den Kirchen keinerlei Berührungsängste bestanden hätten. «Im Gegenteil: An der vom Kanton einberufenen Koordinationssitzung unterbreiteten wir von uns aus den Kirchen konstruktive und kreative Ideen, was sie zum Gedenken 1712 beitragen könnten.» Es sei immer heikel, wenn man an kriegerische Ereignisse erinnere, meint Alexandra Abbt. «Wichtig ist, dass es in einem würdigen Rahmen geschieht und nicht einfach ein Volksfest wird.»

Für die Kirchen sieht die Kantonsparlamentarierin eine Chance, in ökumenischen Gedenkfeiern die Gemeinsamkeiten zu betonen und auf diese Art und Weise zu zeigen, wie die Gegensätze von einst beigelegt werden konnten.

Doch kein Requiem

Aller Unkenrufe zum Trotz: Von Baden bis Sins sind verschiedene Feierlichkeiten geplant. Los geht’s in Bremgarten am 26. Mai, dem Jahrestag der Staudenschlacht. Auf dem Programm steht ein ökumenischer Gottesdienst mit Vortrag und Apéro. «Eigentlich wollten wir ursprünglich ein katholisches Requiem nach tridentinischem Ritus zelebrieren», erklärt Ueli Hess, Pfarreileiter in Bremgarten. Die Idee wurde jedoch verworfen. Sie hätte falsche Assoziationen geweckt.

Am 25. Juli, dem Jahrestag der Zweiten Schlacht von Villmergen, feiert das Freilichtspiel «Chrüüz und Fahne» in Hilfikon Premiere. Mehrere Freiämter Theatergruppen fanden sich zu dieser Gemeinschaftsproduktion zusammen. Das Stück wolle daran erinnern, dass es damals eine «äusserst brutale Schlacht» gegeben habe, sagt Autor Paul Steinmann. Es gehe aber nicht darum, zu erklären, aus welchen Gründen dieser Konflikt zustande kam. «Wir bieten einen vielschichtigen Blick auf das Ereignis, damit sich die Besucherinnen und Besucher selbst ein Bild machen können.»

Separat:

Darum ging beim Zweiten Villmergerkrieg

Bereits im Ersten Villmergerkrieg von 1656 hatten Bern und Zürich versucht, ihre Position in der Eidgenossenschaft zu verbessern. Sie scheiterten aber am Widerstand der katholischen Stände Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden, Zug und St. Gallen. Als sich um 1700 die Toggenburger gegen St. Gallen erhoben und sich mit Zürich und Bern verbündeten, weitete sich der Konflikt erneut zu einem Kampf um die Hegemonie in der Eidgenossenschaft aus.

Der Konflikt mündete 1712 in die Schlacht bei Villmergen, welche Bern und Zürich für sich entscheiden konnten. Im Frieden von Aarau gewann das reformierte Lager die Herrschaft über die unteren Freien Ämter und Baden. Die Verbindung zwischen dem Berner Aargau und Zürich war gegeben, den katholischen Orten der Zugang nach Norden gesperrt.

Hinweis für Redaktionen: Zu diesem Beitrag sind Bilder bei Andreas C. Müller erhältlich. E-Mail: muecor@gmx.ch

(kipa/amc/job)

21. April 2012 | 12:57
Lesezeit: ca. 3 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!