Pflegedienstleiterin Livia Lopez im Hospiz Brugg im Aargau.
Schweiz

«Mit ganz viel Empathie und Achtsamkeit»: Über die Betreuung und Pflege von Todkranken im Hospiz

Der Tod beendet das Leben eines Menschen. Gleichzeitig gehört der Tod zum Leben wie die Geburt. Am Karfreitag erzählt Livia Lopez wie intensiv und human man sich im Hospiz Aargau in Brugg um Todkranke kümmert. Und dass es in der Schweiz, dem Exit-Land, noch viele Hospiz-Plätze braucht, um Menschen ein menschenwürdiges Sterben zu gewähren.

Wolfgang Holz

Sie ist erst 27 Jahre alt. Und doch ist sie schon seit zweieinhalb Jahren Pflegedienstleiterin im Hospiz Aargau in Brugg. Die Rede ist von Livia Lopez. Die Pflegefachfrau mit einem Master in Palliative Care betreut mit ihrem Team derzeit zehn Patientinnen und Patienten, deren Leben zu Ende geht.

«Wir verfügen über zehn Betten, aber wir haben im Augenblick eine Warteliste mit sieben Personen. Der Ordner mit Anmeldungen ist voll», berichtet sie. Das Hospiz in Brugg bräuchte dringend weitere Betten.

Die Würde des Menschen ist in der Palliative Care zentral.
Die Würde des Menschen ist in der Palliative Care zentral.

Kein Wunder. Die intensive und menschliche Betreuung von todkranken Personen im Hospiz wird von vielen Menschen, die vor dem Sterben stehen, sowie von ihren Angehörigen immer stärker nachgefragt.

Ärztin und Seelsorger im Team

«Unser Team umfasst momentan 25 Personen», sagt Livia Lopez. Dazu gehören nicht nur speziell für Palliative Care ausgebildete Pflegekräfte, die sich rund um die Uhr um die Sterbenskranken kümmern. «Es ist auch eine Ärztin im Team, ein Seelsorger, administratives Personal sowie eine Reinigungsfrau», zählt die Pflegedienstleiterin alle im Team auf.

Der Seelsorger komme einmal pro Woche ins Hospiz und spreche mit den Patientinnen und Patienten – bei Bedarf sei er stets erreichbar. «Ich selbst würde mich nicht als religiös bezeichnen, eher als spirituell», sagt Livia Lopez.

Atmosphäre wie zuhause

«Menschen, die vor dem Tod stehen, brauchen ganz viel Empathie und Achtsamkeit», erklärt die junge Pflegefachfrau. Das Team im Hospiz in Brugg bemüht sich aufopfernd und mitfühlend um die todkranken Menschen.

Eine freundliche und helle Atmosphäre herrscht im Hospiz Brugg.
Eine freundliche und helle Atmosphäre herrscht im Hospiz Brugg.

Dabei wird den Menschen im Hospiz neben der medizinischen Versorgung, Pflege und Schmerzlinderung im Endstadium ihrer Krankheit vor allem die Atmosphäre eines alltäglichen Zuhauses beschert. Sie sollen ihren allerletzten Lebensabschnitt in geschützter Geborgenheit erleben.

Auch Haustiere sind erlaubt

«Dazu gehört etwa, dass wir unsere Patientinnen und Patienten in Alltagskleidung pflegen und betreuen», schildert die 27-Jährige. Eigene Bettwäsche ist erlaubt. Angehörige haben rund um die Uhr die Möglichkeit, die Sterbenskranken zu besuchen. Selbst Haustiere können mitgebracht werden.

Auch Haustiere dürfen ins Hospiz mitgebracht werden.
Auch Haustiere dürfen ins Hospiz mitgebracht werden.

«Die traurige Zeit soll für alle Betroffenen so lebenswert wie möglich gestaltet werden», sagt Livia Lopez. Deshalb gibt es auch Musik- und Maltherapien für Interessierte. Eine ganzheitliche Betreuung der Menschen vor ihrem Tod sei selbstverständlich.

Dabei herrsche im Hospiz nicht immer nur ein «trauriger Geist», versichert die Pflegefachfrau – die durch ihre Arbeit, unter anderem in einem Akutspital, schon oft mit der «Endlichkeit vom Leben» konfrontiert worden ist.

Es wird auch gelacht

«Es gibt auch viel Lachen im Hospiz – auch vonseiten der Kranken», versichert Livia Lopez. Weil sich die Menschen einander so nahe fühlten. Einander vertrauten. Eine positive Stimmung zu spüren sei. «Durch viele Gespräche unter den Mitarbeitenden verarbeiten wir die Belastungen unserer Tätigkeit.» Sie selbst sei eine stabile Persönlichkeit, treibe zum Ausgleich viel Sport und halte sich viel in der Natur auf.

Die Drei Könige vom Winde verweht? Figuren in der Krypta des Hospizes auf dem Grossen Sankt Bernhard
Die Drei Könige vom Winde verweht? Figuren in der Krypta des Hospizes auf dem Grossen Sankt Bernhard

Persönlich empfindet sie die Arbeit mit Menschen vor dem Tod nicht deprimierend. «Im Gegenteil. Unsere Arbeit ist so wertvoll und intensiv, weil wir viel Zeit haben, uns ganz den einzelnen Personen zu widmen», erklärt sie.  »Wir müssen nie ein schlechtes Gewissen haben, dass wir uns zu wenig um die Menschen kümmern können.»

Viele Lebensgeschichten

Wobei das Sterben immer ganz individuell sei. Man erfahre viel über die Lebensgeschichten der Patientinnen und Patienten, die das Hospiz aufsuchen. Die einen weilten hier nur für wenige Tage und Stunden bis zu ihrem Tod. Andere wiederum, die beispielsweise gerade eine Chemotherapie abgeschlossen haben, würden teilweise Wochen und Monate in der Palliative Care verbringen.

Auf der Palliativstation
Auf der Palliativstation

«Leider ist das Thema Sterben in unserer Gesellschaft noch immer ein Tabu», bedauert Livia Lopez. Vor allem bräuchte es in der Schweiz viel mehr Hospizplätze, das im Vergleich zum europäischen Ausland Aufholbedarf aufweise.»Es herrscht eine grosse Unterversorgung in der Bettenzahl. Um dies zu ändern, müsste allerdings ein finanzielles Umdenken in der Politik stattfinden, denn ohne Spenden können wir uns bislang nicht über Wasser halten».

Und was ist mit «Exit»?

Aber es gibt doch «Exit» in der Schweiz? Die Pflegefachfrau räumt ein, dass Sterbehilfeorganisationen auch im Hospiz immer wieder mal ein Thema seien. Sie könne sogar verstehen, dass manche Sterbenskranke angesichts auswegloser, schwerer Krankheitsfälle mit starken Schmerzen einen assistierten Freitod in Erwägung zögen.

Pfarreiseelsorgerin Ella Gremme aus Baden (links) hat dem Team vom Hospiz Brugg eine Spende von 1000 Franken überreicht.
Pfarreiseelsorgerin Ella Gremme aus Baden (links) hat dem Team vom Hospiz Brugg eine Spende von 1000 Franken überreicht.

«Wir im Hospiz beschleunigen das Sterben auf keinen Fall und führen keinen Freitod durch», versichert sie. Sie selbst fühle keine Angst vor dem Tod, sagt Livia Lopez. Sie befürchte allenfalls, dass später mal keine palliative Begleitung für sie oder für ihre Familienangehörigen möglicherweise zur Verfügung stünden.

«Der Tod gehört für mich zum Leben.»

Livia Lopez

Ob es ein Leben nach dem Tod gibt – wie für Jesus durch seine Auferstehung nach seinem schmerzensreichen Tod am Karfreitag? «Auf diese Frage habe ich persönlich für mich noch keine Antwort gefunden», sag Livia Lopez offen. «Der Tod gehört für mich zum Leben.»


Pflegedienstleiterin Livia Lopez im Hospiz Brugg im Aargau. | © Hospiz Brugg
7. April 2023 | 13:00
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