Die "Señor de los Milagros"-Prozession in Zürich.
Schweiz

Mit dem dunklen Jesus durch Zürich: Bischof Joseph Bonnemain feiert den «Herr der Wunder»

Ein spanischsprachiger Gottesdienst ist für Bischof Joseph Bonnemain ein Heimspiel. Am Sonntag feiert er mit der peruanischen Community das Fest «Señor de los Milagros». Die Prozession erinnert an den «Cristo Moreno», an den dunklen Jesus. Ihm werden Wunder zugeschrieben.

Regula Pfeifer

Die Kirche St. Peter und Paul in Zürich ist voll, sogar die Bänke an den Seitenwänden sind besetzt. Rund 400 Gläubige sind da, um den «Cristo Moreno», auch «Señor de los Milagros» genannt, zu verehren. Es wird ein Anlass, der den katholischen Glauben mit der peruanischen Kultur vereint.

Volle Kirche St. Peter und Paul in Zürich: Die "Señor de los Milagros"-Feier zieht die peruanische Community an.
Volle Kirche St. Peter und Paul in Zürich: Die "Señor de los Milagros"-Feier zieht die peruanische Community an.

Das Publikum ist vergleichsweise jung. Viele Frauen zwischen 30 und 50 sind da. Die Musik ist ungewöhnlich laut und mitreissend. Von der Empore herunter singt ein Mann mit Gitarrenbegleitung. Rhythmen, wie sie von südamerikanischen Strassenmusikern bekannt sind.

Der spanischsprachige Bischof

Den Gottesdienst leitet der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain. Er spricht schnell und flüssig, zwischendurch auch laut und intensiv, er gestikuliert lebendig. Im Spanischen ist er zuhause, ist er doch in Barcelona aufgewachsen.

Bischof Joseph Maria Bonnemain predigt auf Spanisch - an der Feier für den "Señor de los Milagros".
Bischof Joseph Maria Bonnemain predigt auf Spanisch - an der Feier für den "Señor de los Milagros".

Viel spricht er von «Misericordia», von Barmherzigkeit – und ermahnt die Gläubigen zu dieser Haltung. Auch Jesus sei barmherzig gewesen, habe er doch auch Sünderinnen und Sünder besucht und niemanden verurteilt.

Die Sahumadoras beten und singen zu Ehren des "Señor de los Milagros".
Die Sahumadoras beten und singen zu Ehren des "Señor de los Milagros".

Hinter dem Altar steht der hiesige «Señor de los Milagros». Das Gemälde des Gekreuzigten ist silbern umrahmt, silberne Engel umgeben es. Zwei Männer bewachen es während der Messe.

Ein Hoch auf den Herrn der Wunder

Dann, am Schluss, hieven 16 Männer das schwere Teil auf die Schultern. «Es lebe der Herr der Wunder», ruft eine Frau mehrmals. Die Gläubigen klatschen und zücken ihre Handys. Das Lied vom «Señor de los Milagros» erklingt, alle singen mit.

Handys werden gezückt beim Start der Prozession in der Kirche.
Handys werden gezückt beim Start der Prozession in der Kirche.

So geht die Prozession los – vom Mittelgang der Kirche hinaus – und um die Kirche herum. Die Volksmusikgruppe spielt. Plötzlich bildet sich ein Kreis, ein junges Paar führt einen Tanz auf, ein zweites Paar ebenso. Bischof Joseph Maria Bonnemain scheint das zu gefallen. Er filmt es mit seinem Handy.

Bischof Joseph Maria Bonnemain filmt die Tanzdarbietung beim peruanischen Fest "Señor de los Milagros".
Bischof Joseph Maria Bonnemain filmt die Tanzdarbietung beim peruanischen Fest "Señor de los Milagros".

Zwölf Frauen mit Kopftüchern

Durch die Kirchentür muss das Bild runtergenommen werden, es ist zu hoch. Draussen geht der Zug weiter. Zuvorderst die zwölf Frauen mit ihren weissen, gestickten Kopftüchern. Sie gehen rückwärts, so dass sie das Jesus-Bildnis immer im Blick haben. Ab und zu stellen die Männer die Jesusbild-Tragbahre ab auf ihre vier Stuhlbeine. Zum kurz Verschnaufen. Dann beten und singen die Frauen mit den Kopftüchern.

Die mitwirkenden Männer und Frauen tragen viola Kleider – die Frauen ein weiss-gesticktes Kopftuch dazu.
Die mitwirkenden Männer und Frauen tragen viola Kleider – die Frauen ein weiss-gesticktes Kopftuch dazu.

Die Kopftuch-Geschichte

Eine von ihnen ist Doris Aquino Sanchez. Sie engagiert sich gerne – wegen ihres Glaubens, sagt sie. Ihre Familie in Peru habe diese Tradition immer gefeiert. Das tue sie hier nun weiterhin. Das weisse Kopftuch gehöre dazu. Früher hätten die Frauen in Peru im Gottesdienst immer ein Kopftuch getragen.

Dieser Tanz gehört zum Fest "Señor de los Milagros".
Dieser Tanz gehört zum Fest "Señor de los Milagros".

Dem «Señor de los Milagros» wird Wunderwirkung zugeschrieben. Dies, weil das ursprüngliche Jesus-Gemälde entgegen aller Erwartungen schlimme Erbeben überdauert habe.

Das Wunder der Geburt

Die mitlaufende Jessica Stocker ist überzeugt: Der «Señor de los Milagros» bewirkt weiterhin Wunder. So würden etwa Kinder geheilt, die schwer erkrankt seien. Auch ihr sei ein Wunder geschehen, wie sie sagt.

Jessica Stocker (r.) hat ein Wunder erlebt – und trägt deshalb viola Kleider.
Jessica Stocker (r.) hat ein Wunder erlebt – und trägt deshalb viola Kleider.

Die Peruanerin war gerade in Trennung, als sie mithalf, die Prozession in Zürich zu organisieren. Da lernte sie ihren späteren Mann kennen, einen Schweizer Protestanten, der in der Musikgruppe mitspielte. Sie kamen sich näher. Und nach einem Jahr geschah, was zuvor nicht möglich gewesen war: Jessica Stocker gebar ein Kind.

Schwere Last: 16 Cargadores tragen den "Señor de los Milagros".
Schwere Last: 16 Cargadores tragen den "Señor de los Milagros".

Der Zug zieht weiter, durch den Kreis Vier, mitten auf der Strasse. Ein Junge mit Leuchtstab und Neonweste versucht Autos und Teilnehmende in Schach zu halten. Ab und zu springt eine erwachsene Person ein, wenn eine gefährliche Verkehrssituation droht.

Señor de los Milagros: Prozession durch Zürich.
Señor de los Milagros: Prozession durch Zürich.

Gut ein Stunde dauert die Prozession, die nur ein paar hundert Meter überwindet. Von der Kirche St. Peter und Paul über die Stauffacherbrücke landet sie schliesslich beim Sitz der spanischsprachigen katholischen Mission an der Brandschenkestrasse.

Mitten im Sonntagsverkehr: Die "Señor de los Milagros"-Prozession in Zürich.
Mitten im Sonntagsverkehr: Die "Señor de los Milagros"-Prozession in Zürich.

Vom Sklavenbild zum Kult

Der Kult um den «Señor de los Milagros» – auf Deutsch «Herr der Wunder» – geht auf ein Jesusbild zurück, das ein schwarzer Sklave im 17. Jahrhundert an eine Lehmmauer in Lima gemalt haben soll. Es zeigt einen dunkelhäutigen, gekreuzigten Christus. Laut der Spanischen Mission in Zürich identifizieren sich viele Indigene, Mestizen und Schwarze mit diesem «Cristo Moreno», dem dunklen Christus.

Laut einer Legende hat das Bild alle Versuche der Obrigkeit, es zu entfernen, überstanden. Und es habe zwei zerstörerische Erdbeben unversehrt überlebt. Daraufhin sei um die Mauer ein Tempel gebaut worden, der zu einer Wallfahrtsstätte wurde. 2010 sei der «Cristo Moreno» oder auch «Señor de los Milagros» vom damaligen peruanischen Präsidenten zum Schutzpatron der Religiosität und Spiritualität des Landes ernannt worden.

Zur ersten Prozession kam es bereits nach dem zweiten grossen Erdbeben im Oktober 1687, schreibt die Spanische Mission weiter. Damals sei eine Kopie des Originalbildes als Ölgemälde beauftragt worden, das durch die Strassen getragen wurde. Diese Tradition werde in Peru und durch Migrantinnen und Migranten auch anderswo weiter gepflegt – auch in Zürich. (rp)


Die «Señor de los Milagros»-Prozession in Zürich. | © Christian Merz
30. Oktober 2022 | 19:23
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