Mitglieder des Stadtklosters Zürich legen einander ein schlichtes Holzkreuzchen um.
Schweiz

Mit alten Klängen zu neuem Leben – Stadtkloster Zürich legt Bekenntnis ab

Zürich, 11.5.16 (kath.ch) Auf dem Bullingerplatz im Zürcher Kreis 4 plätschert ein Springbrunnen, auf den Bänken rundherum geniessen Menschen die Abendsonne, es hat nur wenig Verkehr. Unmittelbar neben dem beschaulichen Platz steht die reformierte Bullingerkirche. Dort haben am Dienstagabend, 10. Mai, 21 Personen versprochen, «einander als verbindliche Gemeinschaft zu tragen und ertragen». Die Feier zur Aufnahme von Mitgliedern ins evangelische Stadtkloster Zürich war ein Novum, beim Singen der Vesper schöpfte man indes aus alten liturgischen Quellen.

Barbara Ludwig

Der Sopran erklingt hell und klar im Kirchenraum. «Oh Gott, komm mir zu Hilfe», singt Miriam Wagner, Mitglied der Kerngruppe des Stadtklosters. Die Besucherinnen und Besucher der Feier antworten: «Herr eile mir zu helfen. Ehre sei dem Vater und dem Sohne und dem Heiligen Geiste. Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen. Halleluja.» Fast alle singen die Elemente aus dem Stundengebet nach der benediktinischen Tradition laut und sicher.

«Geistlichen Prozess sichtbar machen»

Man hört: Mitglieder, Angehörige und Freunde des Stadtklosters sind geübt darin; das Stadtkloster veranstaltet bereits seit mehr als zwei Jahren Tagzeitengebete in der Bullingerkirche. Im vergangenen Jahr konstituierte es sich als Verein. Mit der Feier vom Dienstagabend will das Kloster eine verbindliche Gemeinschaft werden. Und einen «geistlichen Prozess sichtbar machen», sagt Rolf Mauch, nachdem zu Beginn des Anlasses die Klänge der Panflöte in einem Hauch geendet haben und sich die Stille ausbreitet, minutenlang.

Der Mann im schwarzen Anzug, unter dem ein buntes Hemd hervorblitzt, ist Pfarrer der Bullingerkirche und Vorsteher der Kerngruppe der Klostergemeinschaft, die acht Personen umfasst. «Die Feier soll sichtbar machen, wer wir sein wollen.» Dazu gehört auch die Orientierung an einem Vers aus dem Ersten Johannesbrief, der ganz auf die Liebe zueinander fokussiert.

Wie wird das Kloster sein?

Was und wie das Kloster sein wird, steht jedoch noch in den Sternen, macht Brigitte Becker, bei der reformierten Zürcher Landeskirche zuständig für Spiritualität, klar. Wird es sein wie Taizé? Wird es evangelikal oder missionarisch? Wird es ein ganz frommes Kloster? «Wir wissen nicht, wohin wir geraten werden», stellt Becker fest.

Die Pfarrerin wünscht sich das Kloster aber als einen Ort, «der der Stadt dient. Wir sind keine Gemeinschaft, die sich aus Zürich zurückzieht». Ein Missverständnis möchte sie dabei gleich aus dem Weg räumen: «Ich hoffe, das Stadtkloster ist und wird kein Ort, an dem vor allem die zusammen sind, die genau wissen, wo Gott hockt und was Zürich braucht.» Darum gelte das Wort des Propheten Jeremia «Suchet das Wohl der Stadt», mahnt Becker.

Vor dem Höhepunkt der Feier sind alle Anwesenden eingeladen, gemeinsam das Bekenntnis des Stadtklosters zu rezitieren. Es ist Glaubensbekenntnis und Verpflichtung zugleich: «Wir glauben an Gott, den Schöpfer (…), an Jesus Christus (…), an Gottes Geisteskraft (…) Wir tragen und ertragen einander als verbindliche Gemeinschaft und als Teil der einen Kirche Christi», heisst es darin.

Bekenntnis schafft Gemeinschaft

Das Bekenntnis sei ein Text, auf den man sich in einem monatelangen Prozess geeinigt habe, erzählt Johanna Breidenbach. Bereits dieser Vorgang sei ein Vollzug dessen, was Gemeinschaft bedeute: «Manche eigenen Worte musste man aufgeben und sich dafür neue schenken lassen», sagt die Theologin.

21 Personen wollen sich intensiv auf das Abenteuer Stadtkloster einlassen, einige davon werden ab dem Sommer in einem der angrenzenden Gebäudeflügel wohnen. Zum Höhepunkt der Feier bilden diese Frauen und Männer unterschiedlichen Alters im Chorraum der Kirche einen Halbkreis, in dessen Mitte ein Tischchen mit brennenden Kerzen steht. Darauf liegen schlichte Kreuzanhänger aus Holz bereit.

Diakonissen wollen dabei sein

Dieser Teil der Zeremonie wird von Schwester Margrit Muther angeführt, die der Diakonissen-Schwesternschaft Neumünster in Zürich angehört. Gleich drei Diakonissen wollten dabei sein, «wenn etwas Neues entsteht», sagt die reformierte Ordensfrau. Dann segnet sie die Personen im Halbkreis mit einer Kreuzesgeste und überreicht die Kreuzanhänger Rolf Mauch und dem Vereinsmitglied Cornelia Schnabel, die sie ihrerseits weiterreichen. Begleitet von meditativem Flötenspiel zeichnen die Klostermitglieder einander das Kreuz auf die Stirn und hängen einander die Kreuzchen um den Hals.

Unterdessen ist die Sonne untergegangen, es dringt nur noch wenig Tageslicht durch das Netz von Tonelementen vor den Fensternischen. Die Klostermitglieder nehmen wieder Platz auf den Kirchenbänken, bei ihren Angehörigen und unter Freundinnen und Freunden des Stadtklosters.

«Der Herr sei mit euch. Und mit deinem Geiste. Es segne euch der allmächtige Gott, der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen. Gehet hin in Frieden. Dank sei Gott, dem Herrn» singen nun alle. Mit dem uralten liturgischen Gebet der Benediktiner endet eine schlichte Feier mit langen stillen Momenten, die neuem geistlichen Leben Gestalt verleihen will – mitten in der Stadt Zürich und in einer Kirche, deren Namen an den Zürcher Reformator Heinrich Bullinger (1504 – 1575) erinnert. (bal)

Zürcher Stadtkloster wird verbindliche Gemeinschaft

Mitglieder des Stadtklosters Zürich legen einander ein schlichtes Holzkreuzchen um. | © 2016 Barbara Ludwig
11. Mai 2016 | 15:58
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