Martin Werlen
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Martin Werlen: Menschen so gut im Leben begleiten, dass sie den Weg in den begleiteten Suizid gar nicht gehen wollen

Die Kirche hat im Wallis eine Volksabstimmung verloren: Künftig sind alle Heime verpflichtet, Organisationen in ihre Räumlichkeiten zu lassen, die einen assistierten Suizid anbieten. Der Ex-Abt von Einsiedeln, Martin Werlen, stammt aus dem Wallis. Er sagt: «Wir haben mit der Palliative Care viele Möglichkeiten, Menschen ganzheitlich zu begleiten.»

«Ich lebe seit 40 Jahren nicht mehr im Wallis. Trotzdem habe ich dazu Stellung genommen und am Abstimmungssonntagabend auf Twitter geschrieben: «Mit der Entscheidung kann ich gut leben. Ich habe aber die Hoffnung, die Menschen können in unseren Heimen so gut begleitet leben, dass sie die Hoffnung nie verlieren.» Die grosse Herausforderung war ja nicht, grundsätzlich Ja oder Nein zur Sterbehilfe zu sagen oder ob sie in den Heimen erlaubt sein soll. Viel wichtiger ist es, Menschen, die Pflege brauchen, die krank sind, so gut im Leben zu begleiten, dass sie den Weg in den begleiteten Suizid gar nicht gehen wollen. (…)

Marienbild am Spitalbett
Marienbild am Spitalbett

Wir dürfen diese Menschen nicht alleine lassen. Wir haben mit der Palliative Care viele Möglichkeiten, Menschen ganzheitlich zu begleiten, auch wenn sie schwer krank sind. So erfahren sie Respekt und Liebe. Ich habe viele Menschen in den letzten Monaten, Wochen, Tagen ihres Lebens begleitet. Dabei habe ich immer wieder beobachtet, was da für Prozesse vor sich gehen. Es sind Prozesse des Loslassens und der Reifung. Ich hoffe, dass ich in einem Zustand der Krankheit und Mutlosigkeit nicht Menschen begegnen werde, die mich darin bestärken, mein Leben abrupt zu beenden. Ich hoffe, dass ich dann auf Menschen treffen werde, die mir Hoffnung machen und mich im Leben begleiten, zu dem auch der Tod gehört. (…)

Spiritual Care
Spiritual Care

Die Gefahr ist gross, dass man alte und kranke Menschen abschiebt und vergisst. Das Abstimmungsresultat hat mich daran erinnert, mich wieder bewusst um Menschen zu kümmern, denen es nicht gut geht. Sich melden, anrufen, schreiben, Besuche machen. Das gehört zu der Berufung der Getauften. Wir müssen ganzheitlich denken und nicht nur einen Abstimmungskampf im Auge behalten.

Der Benediktiner Martin Werlen (60) war von 2001 bis 2013 Abt des Klosters Einsiedeln und des Klosters Fahr. Seit 2020 steht er der Propstei St. Gerold im Grossen Walsertal in Vorarlberg vor. Er stammt aus dem Wallis äussert sich im Interview mit dem «Walliser Boten» (27. Dezember) zur Volksabstimmung über ein Recht auf Sterbehilfe in Pflegeheimen. (rr) 


Martin Werlen | © Leo Forte
27. Dezember 2022 | 07:40
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