Martha Heizer
Schweiz

Martha Heizer: Eine Exkommunikation ist lächerlich – ich müsste sie Monika Schmid fast wünschen

Zwischen den Jahren blicken wir auf Themen zurück, die 2022 bewegt haben. Etwa auf die Konzelebration von Monika Schmid. Die Österreicherin Martha Heizer hat Sympathien für Monika Schmid. Heizer selbst wurde 2014 exkommuniziert – weil sie in ihrem Wohnzimmer Eucharistie gefeiert hatte. Konsequenzen: praktisch keine.

Jacqueline Straub

Sie wurden im Jahr 2014 exkommuniziert. Wie kam es dazu?

Martha Heizer*: Wir hatten einen Gebetskreis. Eine zusammengeschweisste Gruppe. In den ersten Jahren war immer ein Priester dabei, der mit uns Eucharistie feierte. Irgendwann starb er. Hin und wieder kamen andere Priester vorbei.

«Jesus hat uns ja beauftragt: ‘Tut dies zu meinem Gedächtnis.’»

Wie ging es weiter?

Heizer: Wir haben rund zehn Jahre lang Wortgottesdienste gefeiert, haben aber gemerkt, dass es uns guttut, Eucharistie zu feiern. Wir haben einen inneren Prozess durchgemacht. Jesus hat uns ja beauftragt: «Tut dies zu meinem Gedächtnis.» Er hat nicht gesagt, tut dies nur, wenn ein ordinierter Priester dabei ist. Anfangs waren wir sehr vorsichtig und haben um das Hochgebet herumgeredet.

Ein Treffen in Bregenz 2013: Martha Heizer (siebte von links), rechts neben ihr ist Markus Heil.
Ein Treffen in Bregenz 2013: Martha Heizer (siebte von links), rechts neben ihr ist Markus Heil.

Wann haben Sie das Hochgebet mit den Einsetzungsworten dann gesprochen?

Heizer: Ich würde sagen: zwei oder drei Jahre, nachdem wir das erste Mal Teile des Hochgebetes gesprochen hatten. Zunächst haben wir nur sehr selten Eucharistie feiert, es ist ja etwas Besonderes, ein Höhepunkt.

Wie hat der damalige Bischof von Innsbruck, Manfred Scheuer, reagiert?

Heizer: Unser Bischof wusste es. Solange wir es nicht öffentlich machten, sah er keinen Grund zum Handeln. Später sagten uns manche, dass wenn wir es eine eucharistische Feier genannt hätten und nicht Eucharistiefeier, wäre uns nichts passiert.

Sie machten es dann aber öffentlich.

Heizer: Der Wiener Pfarrer Helmut Schüller machte 2011 den «Aufruf zum Ungehorsam». Das Österreichische Fernsehen fragte bei der Reformgruppe «Wir sind Kirche» an, wer mitmachen und konkrete Aktionen planen würde. Für unseren Gebetskreis kam es anfangs nicht in Frage. Doch dann gingen wir an die Öffentlichkeit. Bis heute sehe ich es als ein Zeichen von Wahrhaftigkeit, dass wir dazu gestanden sind. Denn Ungehorsam muss man sehen. 

«Uns war bewusst, was uns blüht, wenn wir das öffentlich machen.»

Waren Ihnen die Risiken bewusst?

Heizer: Es war niemand dabei, der in einem kirchlichen Angestelltenverhältnis stand. Ich habe 20 Jahre an der Theologischen Fakultät in Innsbruck gearbeitet. Ich habe dort Religionspädagogik unterrichtet. Zu dem Zeitpunkt war ich aber bereits pensioniert. Wir wollten keine Märtyrer werden. Uns war bewusst, was uns blüht, wenn wir das öffentlich machen.

Die Junia-Initiative kämpft für Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche.
Die Junia-Initiative kämpft für Geschlechtergerechtigkeit in der katholischen Kirche.

Sie raten also niemandem, solche Schritte zu gehen, wenn diese Person noch im kirchlichen Dienst steht?

Heizer: Auf keinen Fall! Ausser, es machen 20 oder 30 Seelsorgende gleichzeitig – denn der Bischof kann nicht alle entlassen.

Hatten Sie die Möglichkeit, sich gegen die Exkommunikation in Rom zu wehren?

Heizer: Nein. Wir erhielten einen Brief vom Bischof. Darin stand, dass wir uns im kirchlichen Gericht einzufinden haben. Der Bischof sagte, dass es ihm schwerfalle, doch wir seien nun exkommuniziert.

Bischof Manfred Scheuer
Bischof Manfred Scheuer

Wie haben Sie reagiert?

Heizer: Wir nahmen die Exkommunikation sehr entspannt auf.

Sie waren nicht entsetzt?

Heizer: Entsetzt waren wir nur, weil wir ein Gesprächsprotokoll unterschreiben mussten und keine Kopie davon erhalten haben.

Sie haben zu fünft vor laufender Kamera Eucharistie gefeiert. Wurden alle exkommuniziert?

Heizer: Nein, nur mein Mann und ich. 

«Mitglieder gingen zum Bischof und sagten, dass diese Frau nicht exkommuniziert werden dürfe.»

Warum?

Heizer: Das wissen wir auch nicht. Es erscheint uns sehr willkürlich. Eine Frau hatte eine wichtige Funktion in der katholischen Frauenbewegung. Mitglieder gingen zum Bischof und sagten, dass diese Frau nicht exkommuniziert werden dürfe. Er hörte auf sie. Eine andere Frau aus der Gruppe sagte schon vor Bekanntgabe der Exkommunikation, dass sie das nicht durchstehen könne. Sie hat dann dem Bischof einen Brief geschrieben und mitgeteilt, dass es ihr zwar nicht leidtue, dass sie aber mit grossem Bedauern nicht mehr daran teilnehmen würde.

Wie hat der Bischof darauf reagiert?

Heizer: Da sie keine öffentliche Person war – meinen Mann und mich hingegen kannte man im Kirchenkuchen enorm gut –, musste sie sich auch nicht öffentlich davon distanzieren. Der Bischof hat ihr einige Adressen genannt, wohin sie spenden sollte. Also Busse sozusagen.

Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.
Das Kirchenrecht regelt die Meldepflicht eindeutig: Missbrauchsfälle, die Minderjährige betreffen, müssen in Rom gemeldet werden.

Wie waren die Reaktionen auf Ihre Exkommunikation?

Heizer: Wir erhielten etwa einen Monat lang jeden Tag 100 E-Mails. 96 davon waren zustimmend und bestärkend.

Welche von den unangenehmen E-Mails ist Ihnen noch in Erinnerung?

Heizer: Eine Person schrieb, dass das, was wir gemacht haben, sehr viel schlimmer sei als Kindesmissbrauch. Denn da gehe es ja nur um ein Kind, bei unserer Eucharistie gehe es um das Heilige. 

Papst Franziskus und der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria.
Papst Franziskus und der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Luis Ladaria.

Sie konnten sich nicht in Rom verteidigen. Gab es dennoch ein Briefwechsel?

Heizer: Wir schrieben an die Glaubenskongregation, dass sie das Verfahren doch einfach fallen lassen sollen. Kardinal Luis Ladaria hat geantwortet, dass das Verfahren weitergeführt werden müsse im Hinblick auf unser Seelenheil.

«Eine Exkommunikation ist ein mittelalterliches Instrument, das völlig absurd ist.»

Was meinte er damit?

Heizer: Eine Exkommunikation ist eine Beugestrafe, kein Kirchenausschluss. Sie will bezwecken, dass wir leiden, weil wir keinen Zugang mehr zu den Sakramenten haben. Der Punkt ist aber: Niemand verweigert uns die Kommunion. Mein Mann und ich zahlen nach wie vor Kirchensteuer. Eine Exkommunikation ist ein mittelalterliches Instrument, das völlig absurd ist. Das Lehramt macht sich damit lächerlich.

Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.
Monika Schmid während ihres Abschiedsgottesdienstes.

Die Seelsorgerin Monika Schmid sprach zusammen mit zwei Priestern, einem Diakon und einer Seelsorgerin das Hochgebet inklusive Einsetzungsworte. Was könnte ihr passieren?

Heizer: Egal, was rauskommt: Es kann ihr egal sein. Wenn die Kirche Monika Schmid exkommuniziert, schadet sich die Kirche selber. Insofern müsste man es ihr fast gar schon wünschen. Denn das würde vermutlich ein Aufstand der Gläubigen nach sich ziehen.

Kennen Sie andere Seelsorgerinnen, Laien oder Diakone, die zelebrieren? 

Heizer: Ja, ich kenne viele, die das machen. Aber eben nicht öffentlich.

* Martha Heizer (75) ist Religionspädagogin und Psychologin. Bis zu ihrer Pensionierung war sie an der Universität Innsbruck für Religionspädagogik tätig. Sie ist Mitbegründerin und Vorsitzende der Kirchenvolksbewegung «Wir sind Kirche» in Österreich.


Martha Heizer | © zVg
30. Dezember 2022 | 11:03
Lesezeit: ca. 4 Min.
Teilen Sie diesen Artikel!