Diskussionsrunde bei der Tagung zur Zukunft der Klöster in Luzern
Schweiz

Markus Ries: «Die Klöster in der Schweiz befinden sich in der gestalteten Selbstauflösung»

Mit den Klöstern in der Schweiz geht es bergab. «Wenn Klöster sterben, müssen wir lernen loszulassen», sagte Urban Fink bei einer Veranstaltung. Markus Ries von der Uni Luzern macht bewusst, dass es in der Geschichte verschiedene Wellen der Auflösung gab. Und das Kloster Baldegg präsentierte neue Perspektiven für die Kloster-Transformation.

Charles Martig

«Management by providence»: So brachte Sr. Marie-Ruth Ziegler, Generalökonomin des Klosters Baldegg die Sache auf den Punkt.

Marie-Ruth Ziegler, Kloster Baldegg
Marie-Ruth Ziegler, Kloster Baldegg

«Wir verwenden das, was uns vor die Füsse fällt.» Mit dieser pragmatischen Haltung haben die Baldegger Schwestern begonnen, das Beste aus dem Schweizer Klostersterben zu machen. Sie suchten den Kontakt zur HSLU Luzern und starteten einen professionellen Strategieprozess. Am Freitag präsentierten sie erste Ergebnisse.

Starke Präsenz der Baldegger Schwestern

Die rund 150 Teilnehmenden der Tagung «Geschichte, Geld und Geist. Welche Zukunft für die Klöster?» an der Universität Luzern nahmen die starke Präsenz der Baldegger Schwestern staunend zur Kenntnis.

Gabriela Christen, HSLU Design & Kunst
Gabriela Christen, HSLU Design & Kunst

Mit Gabriela Christen hat Baldegg eine Projektleiterin an Bord geholt, die einen Strategieprozess in Gang gesetzt hat. Die Professorin für Design & Kunst an der HSLU begleitet das Kloster Baldegg in seiner Transformation «Weg in die Zukunft 2023/30».

Starke Präsenz der Ordensfrauen an der Tagung zur Zukunft der Klöster in Luzern, 2023
Starke Präsenz der Ordensfrauen an der Tagung zur Zukunft der Klöster in Luzern, 2023

Für das Mutterhaus Kloster Baldegg haben 11 Studierende der HSLU neue Architektur-Projekte entwickelt. Der moderne Bau von Marcel Breuer steht unter Denkmalschutz. Die Herausforderung, neue Nutzungsformen mit den beschränkten Möglichkeiten eines Umbaus in Einklang zu bringen, ist gross. Trotzdem überzeugte am Freitag die Vielfalt der Projekte für eine Umnutzung.

Da gibt es die Idee einer «Anthropozoischen Arche». Es handelt sich um ein menschenwürdiges Durchgangszentrum für Asylsuchende, das als Treibhaus gestaltet ist. Ein «Gefängnis der Zukunft» könnte aus Kloster werden. Oder auch «Zukunft und Erbe», das heisst eine Landschaft mit künstlerischen Interventionen.

«Ein Kraftort als Kraftwerk!»

Doch das Generalkapitel der Baldeggerinnen hat sich für ein anderes Projekt entschieden, das weiterverfolgt wird. Es heisst «Ein Kraftort als Kraftwerk!» von Mario Tschopp. Hier geht es nicht um Umbau sondern um Umdenken. Der Architektur-Student Tschopp schlägt eine «Verwesentlichung des Klosters» vor.

Das Modell des Klosters Baldegg
Das Modell des Klosters Baldegg

Dabei gehe es um ein Gleichgewicht von «Vergänglichkeit und Wiederbelegung», wie Karin Ohashi vom Institut für Architektur HSLU ausführte. Sie vermittelte einen faszinierenden Einblick in die Projektarbeit der 11 Studierenden. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Architektur-Labor war, dass es keine Aufwändigen Umbauten brauche, um einem Kloster neues Leben einzuhauchen. Es gehe vielmehr um ein «Umdenken und Neuausrichten», so Gabriela Christen.

Was geschieht mit «Stella Matutina»?

Auf besonderes Interesse stiess an diesem Freitagnachmittag auch die Präsentation für die Neuausrichtung des Bildungshauses «Stella Matutina» auf der Halbinsel Hertenstein. Es gehört ebenfalls zum Kloster Baldegg.

Teilnehmerinnen an der Tagung: In der Mitte Priorin Irene vom Kloster Fahr
Teilnehmerinnen an der Tagung: In der Mitte Priorin Irene vom Kloster Fahr

Gabriela Christen präsentierte vier Schwerpunkte. Es gehe zuerst um den Wandel der Gesellschaft. «Das Haus wird geistiges Zentrum für den Wandel in der Gesellschaft im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele der UNO», referierte Christen. Sie zeigte auf, dass auf Hertenstein auch neue Wohnformen ausprobiert werden. Es gehe darüber hinaus um Agrarökologie und Permakultur. Und als viertes Themenfeld nannte Christen auch Kunst, Design und Musik: «Im Haus entsteht ein spannendes kulturelles Angebot. Die Nähe zur Rachmaninoff Villa trägt im musikalischen Bereich zur Profilierung und Auslastung des Betriebs bei», so die Professorin für Design.

KlosterNETZ.org: Digitaler Ort der Vernetzung

Aus dem Zunkunftsprojekt der Baldeggerschwestern entsteht zudem eine neue Plattform, die sich «KlosterNETZ.org» nennt. Hier sollen Vernetzungen entstehen und Know How ausgetauscht werden: Von der Spiritualität bis zur Baubewilligung reicht die Palette des neu zu schaffenden Netzwerks. Das Kloster Baldegg und die HSLU bieten ihr Wissen auch anderen Klöstern in der Schweiz an und dienen als eine Art von Zukunfts-Kloster-Hub.

Mit historischem Fokus und Blick in die Zukunft

Die Tagung vom 25. August 2023 zur Zukunft der Klöster wurde von Markus Ries, Kirchengeschichte der Universität Luzern und von der Inländischen Mission durchgeführt. Der Vormittag blickte zurück in die Geschichte der Schweizer Klöster. Dabei haben die Historikerin Annina Sandmeier-Walt und der Kirchenhistoriker Markus Ries aufgezeigt, dass es in der Geschichte bereits verschiedene Wellen der Klosterauflösung gab.

Markus Ries und Priorin Mattia Fähndrich vom Kloster Heiligkreuz
Markus Ries und Priorin Mattia Fähndrich vom Kloster Heiligkreuz

175 Jahre seit der Aufhebung der Klöster im Jahr 1848 und 50 Jahre nach der Aufhebung des Klosterartikels in der Bundesverfassung nahmen die beiden Expertinnen zum Anlass, die Ereignisse Revue passieren zu lassen. Schwerpunkte waren dabei der Kanton Aargau, der Kanton Uri, der Kanton Freiburg sowie die Aufhebung des Klosters Reichenau 1757 mit Waffengewalt durch den Fürstbischof.

Klöster in der «gestalteten Selbstauflösung»

Markus Ries schärfte seine historische Arbeit auf den Punkt, dass heute nicht so sehr die Auflösung durch den Staat oder durch gewaltsame Ereignisse im Vordergrund stehen, sondern die Selbstauflösung. «Die Klöster in der Schweiz befinden sich in der gestalteten Selbstauflösung», betonte Markus Ries.

Regula Grünenfelder stellte die «transkirchliche Ekklesiologie» in den Mittelpunkt ihres Referats. Sie zeigte auf, dass klösterliche Präsenz und Anlagen angesichts von Raumdruck und «transzendentaler Obdachlosigkeit» neu zu beleuchten sind.

Urban Fink-Wagner, Inländische Mission
Urban Fink-Wagner, Inländische Mission

Urban Fink von der Inländischen Mission betonte ebenfalls das Loslassen. «Es macht keinen Sinn, Klöster über Jahrzehnte an der künstlichen Beatmung zu halten.» Er mahnte an, dass Investitionen in die Zukunft unter diesem Vorzeichen zu beurteilen seien. Der Kirchenhistoriker sagte zudem: «Wenn Klöster sterben, müssen wir lernen loszulassen.»


Diskussionsrunde bei der Tagung zur Zukunft der Klöster in Luzern | © Vera Rüttimann
26. August 2023 | 12:00
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