Pfarrer Kurt Schaller feiert in der Zuger Pfarrei Gut Hirt englischsprachige Gottesdienste.
Theologie konkret

Von Amerika bis zu den Philippinen: «In Good Shepherd trifft sich die ganze Welt»

Kurt Schaller (52) ist nicht nur Pfarrer, sondern auch «Chaplain». Die Zuger Pfarrei Gut Hirt hat eine grosse englischsprachige Gemeinde. «In Good Shepherd trifft sich die ganze Welt», sagt Schaller. Sein exzellentes Englisch hat auch mit seinem Patenkind Johnny zu tun.

Wolfgang Holz

Man muss genau hinhören, um festzustellen, dass Englisch für Sie keine Muttersprache ist. Wie kommt’s?

Kurt Schaller*: Vielen Dank für das Kompliment. Ich freue mich, dass die Mitfeiernden mich gut verstehen können, würde jedoch meine sprachlichen Skills nicht als hervorragend bezeichnen. Grundsätzlich interessieren mich andere Sprachen und Kulturen, und ich erfahre darin einen grossen Gewinn für meine persönliche Entwicklung. Ich bin in einer Grossfamilie aufgewachsen, in der wir lernten, viele Alltagssprachen zu sprechen. Es macht natürlich auch grosse Freude, meine Schwester regelmässig zu besuchen. Sie lebt seit über 24 Jahren in Amerika. Ich bin auch Pate ihres Sohnes Johnny, was mich ein wenig stolz macht. So hatte und habe ich regelmässig mit der englischen Sprache Kontakt.  

Englischsprachiger Gottesdienst in "Good Shepherd" in Zug.
Englischsprachiger Gottesdienst in "Good Shepherd" in Zug.

Macht es Ihnen Spass, als Pfarrer die Liturgie der Eucharistie in einer anderen Sprache zu feiern?

Schaller: Die Sprache Gottes ist einfach und international – dies habe ich von meinem Vater gelernt. Obwohl er keine Fremdsprache sprach, konnte er sich unter anderem mit meinem Schwager John immer irgendwie verständigen. Ich bin überzeugt, dass die Sprache Gottes auch und besonders in der Eucharistie die Herzen der Menschen bewegen kann. Deshalb ist für mich ein Gottesdienst, ein Gebet immer ein Geschenk, ein Funke der Fülle und der Liebe Gottes, der in das Hier und Heute einbricht. Die Sprachkenntnisse kann man sich aneignen, doch das Geschenk der Begegnung mit Gott sprengt den sprachlichen Rahmen immer und zu jeder Zeit. Ich liebe es, mit Gott und den Menschen zu feiern.

Nomen est omen: die Pfarrei Gut Hirt mit Schafen.
Nomen est omen: die Pfarrei Gut Hirt mit Schafen.

Wie lange werden schon die englischsprachigen Gottesdienste von «Good Shepherd» in der Pfarrei Gut Hirt gefeiert?

Schaller: Der frühere Pfarrer Urs Steiner feierte 2001 in seiner Pfarrei im luzernischen Horw monatlich einen englischsprachigen Gottesdienst, damals noch als Vikar. Nach seinem Wechsel 2002 nach Zug in die Pfarrei Gut Hirt bot er auch hier monatlich einen englischsprachigen Gottesdienst an. Im Verlauf der Jahre wuchs die Englisch sprechende Gemeinschaft immer mehr, so dass sowohl das gottesdienstliche als auch das pastorale Angebot stetig zunahm. Heute werden die Sakramente oder Sakramentalien wie Taufe, Erstkommunion, Versöhnung, Firmung, Hochzeiten oder Abschiedsfeiern zum Teil regelmässig in Anspruch genommen. Pfarrer Urs Steiner baute eine lebendige Gemeinschaft in der Gemeinschaft auf, welche ich jetzt als sein Nachfolger als «Chaplain» seit knapp sieben Monaten begleiten darf. 

«Die Pandemie trieb viele Menschen in die Einsamkeit.»

Wie viele Gläubige erscheinen jeweils zu diesen Gottesdiensten?

Schaller: Seit circa fünf Jahren werden Zahlenerhebungen für unsere Gottesdienste in deutscher sowie englischer Sprache durchgeführt. Diese zeigen eine Art Wellenbewegung. Wir halten fest, dass sich unsere englischsprachige Gemeinschaft immer noch in einem Aufbauprozess befindet und sich die pastorale Situation wegen der Covid-19 Pandemie stark verändert hat. Persönlich stelle ich fest, dass durch die Pandemie die Verunsicherung über alle Sprach- und Kulturgrenzen hinweg viele Menschen in die Einsamkeit trieb. Erfreulicherweise nimmt das Gefühl dieser Verunsicherung wieder ab. Generell hoffen und arbeiten wir daran, dass sich alle Mitfeiernden bei uns willkommen, sicher und wohl fühlen.

Das Rohstoffunternehmen Glencore – hier am Schweizer Sitz in Baar.
Das Rohstoffunternehmen Glencore – hier am Schweizer Sitz in Baar.

Welche Nationen nehmen die Gottesdienste in Anspruch? Sind es vor allem Expats?

Schaller: Wir freuen uns über jede und jeden, der in «Good Shepherd», Gut Hirt oder in einer anderen Pfarrei unseres Pastoralraumes Zug Walchwil die Gemeinschaft sucht. Die Pfarrei Gut Hirt ist seit je eine Pfarrei von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und sozialen Schichten. Wir haben Menschen aus einfachen und bescheidenen Verhältnissen und auch solche, die in sehr gut situierten Verhältnissen leben. Von Asien über Afrika bis nach Europa geht die Reise. Natürlich feiern wir auch mit Menschen aus Amerika oder Südamerika die Liturgien oder geniessen einen Apéro.

Auf Englisch: "Grosser Gott, wir loben Dich!"
Auf Englisch: "Grosser Gott, wir loben Dich!"

Kommen denn auch Einheimische zu den englischsprachigen Gottesdiensten?

Schaller: Ja, es freut mich, dass wir auch Schweizerinnen und Schweizer haben, die den englischsprachigen Gottesdienst mitfeiern. In «Good Shepherd» trifft sich die ganze Welt, wenn ich das so sagen darf. Was die Menschen verbindet, ist die englische Sprache. Das heisst auch, dass die englische Sprache nicht von allen als Muttersprache gesprochen wird.  

Blaue Schäfchen: Kunstinstallation vor der Kirche Gut Hirt in Zug.
Blaue Schäfchen: Kunstinstallation vor der Kirche Gut Hirt in Zug.

In der Gut-Hirt-Kirche feiern auch Menschen aus Kroatien, Spanien, Italien, Philippinen sowie Mitglieder der syrisch-orthodoxen Kirche Gottesdienste. Hat das mit dem Konzept «One church – many languages» zu tun?

Schaller: Die Pfarrei Gut Hirt/Good Shepherd versteht sich als bunter Mosaikstein im grossen Bild des Pastoralraums Zug Walchwil. Jede Pfarrei ist besorgt, zunächst ein pastorales und liturgisches Grundangebot anzubieten. Darüber hinaus möchte jede Pfarrei mit ihren Charismen, mit ihrem Profil die Menschen begleiten. Das Profil oder das Charisma der Pfarrei Gut Hirt/Good Shepherd schenkt Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Identitäten ein gewisses Heimatgefühl. Wir verstehen uns als römisch-katholische Kirche, die versucht, Raum zu bieten für die Beziehung des Menschen mit Gott. Ich denke, dass der international ausgerichtete Wirtschafts- und Lebensort Zug für diesen angesprochenen Raum ein bedeutsames Potential hat.

«Es geht darum, sich von Gott in seiner Sprache ansprechen zu lassen.»

Warum besuchen nicht alle katholischen Gläubigen die deutschsprachigen Gottesdienste von Gut Hirt? Sie könnten so ihre Sprachkenntnisse verbessern.

Schaller: Die religiöse Sprache kennt verschiedene Ausdrucksweisen. Die Spannweite kann von einer eher kühlen, intellektuellen Färbung bis hin zu einer schwärmerischen und äusserst gefühlsbetonten Tönung gehen. In allem scheint mir jedoch, dass es um eine persönliche Weise des religiösen Ausdrucks geht. Ich würde sagen, dass das Ziel des Gottesdienstes nicht in erster Linie darin zu sehen ist, die deutsche Sprache zu lehren, sondern um sich von Gott in seiner Sprache ansprechen und beschenken zu lassen. Darüber hinaus bleiben die meisten Expats drei bis fünf Jahre in Zug und ziehen dann wieder weiter. Wir versuchen Integration in der Weise zu leisten, indem wir diesen Menschen einen religiösen Anknüpfungsort bieten, wo sie sich treffen und austauschen können, damit sie sich im alltäglichen Leben vor Ort besser integrieren können.   

Pfarrer Kurt Schaller teilt die Kommunion aus.
Pfarrer Kurt Schaller teilt die Kommunion aus.

Erfüllen die fremdsprachigen Gottesdienste in Gut Hirt eine wichtige soziale Funktion?

Schaller: Ich würde dies sehr unterstreichen und darin auch ein wichtiges Anliegen der Pastoral von heute sehen. Der innerste Kern der Glaubensverkündigung sucht die Gemeinschaft mit Gott und den Menschen. Die Herkunft, die Farbe oder die gesellschaftliche Stellung spielen in diesem Beziehungsgeschehen keine Rolle. Die Kirche hat deshalb meiner Ansicht nach eine äusserst aktuelle und wichtige Message zu verkünden und natürlich selber danach zu leben. Die Welt, die Schöpfung ist kostbar und schön und eine Handschrift Gottes. Jeder Mensch trägt deshalb eine göttliche Spur dieser Fülle an Leben in sich.

* Kurt Schaller wurde 2007 zum Priester geweiht. Der Wolhusener ist seit sieben Monaten Seelsorger in der Zuger Pfarrei Gut Hirt. Zuvor war der Luzerner Leiter des Pastoralraums Emmen Rothenburg und Pfarrer in den Pfarreien Gerliswil und Bruder Klaus in Emmenbrücke LU sowie fünf Jahre lang Vikar in St. Eusebius in Grenchen BE.

Das Interview wurde schriftlich geführt.


Pfarrer Kurt Schaller feiert in der Zuger Pfarrei Gut Hirt englischsprachige Gottesdienste. | © Wolfgang Holz
26. Juni 2022 | 05:00
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