Universität Luzern: Vorlesungszimmer mit Blick auf Hofkirche.
Schweiz

Lehrstuhl für Judaistik in Luzern – nur Katholiken erwünscht

Seit rund einem Jahr ist der Lehrstuhl für Judaistik an der Uni Luzern vakant. Das Stelleninserat zur Besetzung des Postens hat für Aufregung gesorgt: Nur Katholikinnen und Katholiken können die Stelle antreten. Daran können weder Dekanin Margrit Wasmaier-Sailer noch Bischof Felix Gmür etwas ändern. Doch die Theologin würde es begrüssen, «wenn wir weitere jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität holen könnten».

Barbara Ludwig

Vor rund einen Jahr hielt Verena Lenzen ihre Abschiedsvorlesung als Professorin für Judaistik und Theologie an der Universität Luzern. Seither ist der Lehrstuhl, der an der Theologischen Fakultät angesiedelt ist, vakant.

Medien stellen Fragen

Ein Stelleninserat, mit dem ihre Nachfolge gesucht wird, hat nun für Schlagzeilen gesorgt. Dem jüdischen Wochenmagazin «Tachles» ist aufgefallen, dass sich ausschliesslich Kandidaten mit katholischer Konfession bewerben können, wie es am 11. August berichtete.

Universität Luzern
Universität Luzern

Gegenüber dem Blatt zeigte sich Martine Brunschwig Graf, Präsidentin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus, «erstaunt» über die Anforderungsbedingungen, zumal die Stelle auf die jüdische Kultur ausgerichtet sei. «Wir fragen uns daher, warum Personen jüdischen Glaubens in diesem Zusammenhang ausgeschlossen werden», so Brunschwig Graf. Anfang Woche zogen weitere Medien nach.

Katholische Konfession und Promotion in katholischer Theologie

Bewerberinnen und Bewerber für die ausgeschriebene Professur müssen gemäss Stelleninserat römisch-katholischer Konfession sein und über ein kanonisches Doktorat verfügen. Letzteres bedeutet, dass sie – nebst allen anderen akademischen Anforderungen – in katholischer Theologie promoviert haben müssen, wie Margrit Wasmaier-Sailer auf Anfrage von kath.ch mitteilt. Wasmaier-Sailer ist Dekanin der Theologischen Fakultät.

Gegenüber «SRF 2 Kultur» erklärte sie, «weil die Professur als theologisch eingestuft wird, darf sie nur von einer römisch-katholischen Lehrperson ausgefüllt werden, die von der Kirche anerkannt ist».

Kampf gegen Antijudaismus

Margrit Wasmaier-Sailer, Dekanin der Theologischen Fakultät an der Universität Luzern.
Margrit Wasmaier-Sailer, Dekanin der Theologischen Fakultät an der Universität Luzern.

Was hat es mit dieser theologischen Einstufung auf sich? Die Professur für Judaistik und Theologie sei an der Theologischen Fakultät angesiedelt, ebenso wie das von Clemens Thoma 1971 gegründete Institut für Jüdisch-Christliche Forschung, so die Dekanin. Mit diesem Institut habe Thoma dem Antijudaismus entgegentreten und den jüdisch-christlichen Dialog fördern wollen. «Mit der Festlegung (von Judaistik, d. Red.) als Pflichtfach wurde die besondere Bedeutung des jüdisch-christlichen Dialogs im Studium der Katholischen Theologie unterstrichen.» In Luzern hat man also sich schon früh dem Kampf gegen die religiös und theologisch motivierte Judenfeindschaft innerhalb der eigenen, katholischen Glaubensgemeinschaft verschrieben.

Vorgaben aus Rom

Jüdische Studien werden in Luzern im Kontext katholischer Theologie gelehrt. Dies umfasse sowohl rechtliche als auch fachliche Aspekte, erklärt Margrit Wasmaier-Sailer. «Als katholische Fakultät bewegen wir uns nicht nur im Kontext des kantonalen Rechts, sondern auch im Kontext des kirchlichen Rechts.» So orientiere man sich einerseits am Berufungsreglement der Universität Luzern und andererseits an den Vorgaben aus Rom, namentlich an der von Papst Franziskus erlassenen Apostolischen Konstitution «Veritatis Gaudium».

Blick auf den Petersdom in Rom
Blick auf den Petersdom in Rom

Und Judaistik im Kontext von Theologie zu betreiben bedeutet laut Wasmaier-Sailer etwa, dass man antijudaistische Tendenzen in der Kirchengeschichte aufdeckt, die christliche Bibelexegese mit der jüdischen Bibelexegese vergleicht oder Praxis und Theorie des jüdisch-christlichen Dialogs reflektiert.

«Nihil obstat» hängt an der katholischen Konfession

Der päpstliche Erlass  «Veritatis Gaudium» enthält Bestimmungen für kirchliche Universitäten und Fakultäten. Unter anderem hält er fest, dass für Dozenten, die fest angestellt werden oder zur obersten Stufe der Lehrbefähigung befördert werden, das sogenannte «Nihil obstat» des Heiligen Stuhls eingeholt werden muss.

Dieses Erfordernis gilt auch für die Luzerner Judaistik-Professur, wie Barbara Melzl auf Anfrage mitteilt: Eben weil die ausgeschriebene Professur an der Theologischen Fakultät angesiedelt ist und das Fach Judaistik zum Pflichtcurriculum des Theologiestudiums gehört.

Keine Bedenken aus katholischer Sicht

Melzl ist Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel. Ihr Vorgesetzter, Bischof Felix Gmür, ist Grosskanzler der Theologischen Fakultät Luzern. Beim «Nihil obstat» handle es sich um «eine Erklärung, dass hinsichtlich einer Berufung aus katholischer Sicht keine Bedenken bestehen», schreibt die Kommunikationsverantwortliche. Die Kandidatin oder der Kandidat müssten persönlich und fachlich geeignet sein. Das «Nihil obstat» wiederum setze die römisch-katholische Konfession und ein kanonisches Doktorat voraus.

Bischof Felix Gmür.
Bischof Felix Gmür.

Auf die Frage, ob Bischof Felix Gmür auch einer jüdischen Person das «Nihil obstat» erteilen würde, antwortet sie: «Nicht der Bischof erteilt das Nihil obstat, sondern das Dikasterium für die Kultur und die Bildung. Der Bischof holt es für die Fakultät ein.» Inwiefern die Meinung des Bischofs über die Bewerber und Bewerberinnen bei dem Vorgang eine Rolle spielt, war am Donnerstagnachmittag nicht mehr in Erfahrung zu bringen. In einer Vereinbarung zwischen dem Bischof von Basel, der Universität Luzern und dem Kanton Luzern von 2005 ist jedenfalls die Rede davon, dass der Bischof das «Nihil obstat» erteilt – und er kann es auch widerrufen.

Konfessionelle Öffnung nicht möglich

Einem Juden oder einer Jüdin würde der Bischof oder Rom das «Nihil obstat» wohl nicht erteilen. Auch Dekanin Margrit Wasmaier-Sailer erklärt: «Einer konfessionellen Öffnung stehen die kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen entgegen.» Somit können weder Jüdinnen und Juden, weder reformierte noch konfessionslose Forscherinnen und Forscher den Lehrstuhl besetzen.

Dekanin will mehr jüdische Forscher

Aus Sicht der Dekanin verunmöglicht diese Einschränkung jedoch nicht, das Fach Judaistik in Luzern zu erweitern. «Meines Erachtens sollten Judaistinnen und Judaisten mit jüdischem Hintergrund an der Universität generell eine Stimme und einen Ort haben.» Sie würde es sehr begrüssen, wenn «wir weitere jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an die Universität holen könnten».

Die Synagoge der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich.
Die Synagoge der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich.

Margrit Wasmaier-Sailer verweist auf die jüdischen Lehrbeauftragten an der Fakultät und die jüdischen Gastprofessorinnen und Gastprofessoren, die Verena Lenzen regelmässig eingeladen habe. «Diese Tradition setzen wir fort. Ich hoffe, dass neue Kooperationen mit Vertreterinnen und Vertreterin der jüdischen Gemeinschaft entstehen.»


Universität Luzern: Vorlesungszimmer mit Blick auf Hofkirche. | © Georges Scherrer
18. August 2023 | 15:00
Lesezeit: ca. 4 Min.
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