Lars Gschwend
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Lars Gschwend: Bei ChatGPT fehlt der Geist der Leidenschaft

Warum viel Zeit in einen Text stecken, wenn ChatGPT nur wenige Minuten dafür braucht, fragt sich der Religionspädagoge Lars Gschwend. Die Antwort gibt ihm ein Text aus der Bibel. Zwar liefert eine künstliche Intelligenz eine theologisch perfekte Auslegung. «Damit hat es sich aber», so Gschwend. Denn die Inspiration fehlt.

«Und so habe ich mir einen Account angelegt und mich intensiver mit ChatGPT auseinandergesetzt. Schnell musste ich erkennen: Das Programm kann vieles. Es ist sogar in der Lage, Texte in meinem Stil zu verfassen. Im Selbsttest musste ich feststellen, dass ich von mir persönlich verfasste mit durch die künstliche Intelligenz erstellte Texte kaum voneinander unterscheiden kann. Und die berechtigte Frage kam auf: Weshalb investiere ich mehrere Stunden für eine Kolumne oder einen Text, wenn mir die künstliche Intelligenz diese Arbeit in zwei Minuten und ohne Rechtschreibefehler abnimmt?

Die Antwort liefert mir ein 2000-jähriger Text aus der Bibel. Nachdem Jesus zurück zu seinem Vater in den Himmel stieg (Christi Himmelfahrt), ziehen sich seine Freundinnen und Freunde in einem Haus zurück und schliessen sich ein. Es waren einfache Menschen, die Jesus zu Beginn seines Wirkens begeistern konnte. Sie alle folgten ihm aus Überzeugung nach und erkannten für ihr Leben einen neuen Sinn. Dieser teilweise auch etwas chaotische Haufen begriff aber nicht immer, was Jesus wirklich meinte. Teilweise zweifelten sie sogar zu Jesu Lebzeiten an ihm. Und nach seinem Tod kommt dieser Zweifel und dieses Nicht-Verstehen erst recht auf. Sie verkriechen sich in einem Haus.

«ChatGPT verarbeitet unsere Sprache nur»

So eine Situation haben Sie sicher auch schon erlebt: Sie sind von ihrem Handeln überzeugt und dann erzielen Sie nicht das gewünschte Ergebnis. In einem solchen Moment kommt eine grosse Enttäuschung. Doch wie findet man aus ihr heraus? Mit künstlicher Intelligenz? Nein! Wenn es vor 2000 Jahren schon so etwas wie eine künstliche Intelligenz gegeben hätte und die Jünger in diesem Moment ihre offenen Fragen dieser Technologie anvertraut hätten, dann hätten sich die christlichen Geschichten und Werte kaum über die ganze Welt verteilt. Denn ChatGPT verarbeitet unsere Sprache nur. Es beschränkt sich auf algorithmische Logik und Datenverarbeitung. Es fehlt etwas ganz Wesentliches und Wichtiges: die Inspiration! Die Leidenschaft! (…)

Eine künstliche Intelligenz liefert uns eine theologisch perfekte Auslegung der Auferstehung. Damit hat es sich aber. Es fehlt der Geist der Leidenschaft und der Inspiration. Beflügelt vom Heiligen Geist ist mehr möglich. Durch die Inspiration des Geistes können eigene, kreative Ideen entwickelt und in Taten zum Wohl der Gesellschaft eingesetzt werden.»

Lars Gschwend ist Religionspädagoge des katholischen Pfarramts Vorder-/Mittelprättigau in Seewis-Pardisla. (jas)


Lars Gschwend | © Daniel Eichkorn
26. Mai 2023 | 14:45
Lesezeit: ca. 2 Min.
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