David Bowie im Farbenrausch
Religion anders

Konzert mit Vaterunser, Lazarus-Song als Testament: So spirituell ist David Bowie

Der britische Musiker David Bowie war ein zutiefst religiöser Mensch. Er betete im Wembley-Stadion das Vaterunser. Zwei Tage vor seinem Tod veröffentlichte er einen Song, der Jesus und Lazarus aufgreift. Der Kinofilm «Moonage Daydream» geht auch auf David Bowies spirituelle Dimension ein.

Sarah Stutte

Mit der Religion setzte sich David Bowie zeitlebens auseinander. Das zeigte sich nicht erst in seinem letzten Song «Lazarus». In diesem nimmt Bowie seinen eigenen Tod vorweg und inszeniert sich als biblische Figur. Lazarus von Bethanien war nach dem Johannesevangelium ein Freund Jesu. Als Lazarus an einer Krankheit stirbt, wird er von Jesus wiedererweckt.

Bowie im Video zu seinem letzten Song "Lazarus"
Bowie im Video zu seinem letzten Song "Lazarus"

«Schaut hier hoch, ich bin im Himmel. Ich habe nichts mehr zu verlieren. Weisst du, ich werde frei sein. Genau wie dieser blaue Vogel», singt David Bowie. Im Video dazu liegt er – in einem weissen Leinenhemd – auf einem Bett. Über seine Augen ist eine Mullbinde gewickelt, an Stelle der Augen zwei Knöpfe.

Ein androgynes Fabelwesen

Immer wieder fährt sein drahtiger Oberkörper hoch, seine tänzelnden Bewegungen abseits des Sterbelagers deuten nicht auf einen kranken, sondern sehr agilen Mann hin. Bowie eben, das androgyne Fabelwesen.

2016 – kurz nach der Veröffentlichung von «Lazarus», dem dazugehörigen Album «Blackstar» und zwei Tage nach seinem 69. Geburtstag – stirbt der Sänger und Künstler an Krebs. Seinen zahlreichen Fans wollte er damit ein Abschiedsgeschenk machen. Damit schwang seine Hoffnung mit, dass er zumindest in seiner Musik weiterleben wird.

Bowie auf den Knien betend im Wembley Stadion.
Bowie auf den Knien betend im Wembley Stadion.

Kein Zweifel: David Bowie, der als David Robert Jones 1947 in London geboren wurde, war ein gläubiger Mensch. Im legendären alten Londoner Wembley-Stadion kniete er am 20. April 1992 auf der Bühne nieder und betete laut das Vaterunser – vor 72’000 Konzertbesuchenden und einem Millionen-Publikum, das diesen Moment live an den Bildschirmen verfolgte. Anlass war das Tributkonzert für den kurz zuvor verstorbenen Queen-Frontmann Freddie Mercury.

David Bowie – Rocklegende, Künstler und einst unverhohlener Bi-Sexueller – identifizierte sich in diesem Augenblick ganz bewusst mit dem christlichen Glauben. Der Künstler befasste sich im Laufe seines Lebens neben dem Christentum unter anderem mit dem Hinduismus und Buddhismus und hinterfragte deren Lehren auch kritisch.

Schlachtfeld ohne Atheisten

Mit zunehmendem Alter wich aber seine avantgardistische Philosophie mehr und mehr der Suche nach einem höheren Sinn. Dass er am Ende zu Gott gefunden habe, soll ihm, engsten Vertrauten zufolge, eine grosse Quelle des Trostes gewesen sein. Als er gegen den Krebs kämpfte, habe er angeblich zu einem Freund gesagt: «Auf dem Schlachtfeld gibt es keine Atheisten».

In einem seiner späteren Interviews äusserte er sich einmal wie folgt: «Die Suche nach Musik ist wie die Suche nach Gott, sie ist sehr ähnlich. Die Hinterfragung meines spirituellen Lebens war deshalb immer ein wesentlicher Bestandteil dessen, was ich geschrieben habe. Viele Songs sind Gebete. Auf persönlicher Ebene glaube ich fest an die Existenz Gottes. Für mich ist das unbestreitbar.»

Der ewig Suchende David Bowie
Der ewig Suchende David Bowie

Tatsächlich lassen sich in vielen Liedern Bowies Hinweise auf Gott, den Glauben und die christliche Symbolik erkennen. Sein Song «Station to Station» von 1976 war eine Anlehnung an den in orthodoxen Kirchenkreisen gefeierten Kreuzweg und auch «Drummer Boy» von 1977 hatte einen offenkundig christlichen Text. Dieser handelte von einem neugeborenen König, der zu sehen ist und dem die schönsten Geschenke gebracht werden.

Bowies Drang, alles verstehen zu wollen, wird in «Bus Stop» von 1989 deutlich: «Ich bin ein junger Mann im Zwiespalt mit der Bibel. Aber ich behaupte nicht, dass der Glaube nie funktioniert, wenn wir auf unseren Knien sind und an der Bushaltestelle beten.»

Zwischen Klängen und Glitter

Am Ende seiner Karriere, mit Blick auf das Alter und die Zukunft, stellte David Bowie fest: «Alle Klischees sind wahr. Die Jahre rasen vorbei. Das Leben ist wirklich so kurz, wie sie es einem erzählen. Und es gibt wirklich einen Gott.»

Auch davon handelt der neue David-Bowie-Film, der nun in den Kinos zu sehen ist. Direkt von Beginn an wird das Publikum in einem Rausch aus Neonfarben in die Weiten des Alls katapultiert. Nach und nach fächern sich auf dieser poetisch-spirituellen Reise zwischen Klängen, Glitter, Raum und Zeit David Bowies Werk und Gedanken auf.

Szene aus dem Film "Moonage Daydream"
Szene aus dem Film "Moonage Daydream"

Von der Wegwerf-Glam-Pop-Kultur bis hin zu zeitlosen Fragen des Lebens und des Todes. Fragmente aus Interviews, in denen er sich auch dazu äussert, an wen oder was er glaubt, Konzertmitschnitten, alten Fotos, seinen Malereien, experimentellen Filmen und Tanzperformances fügen sich zu einem stimmigen Ganzen zusammen – alles gefiltert durch eine kosmische Garderobe aus ständig wechselnden Kleidern, Epochen und Charakteren.

Gott in allem finden

«Moonage Daydream» ist keine stringente Dokumentation über den Sänger und Künstler David Bowie, sondern vielmehr ein filmisches Essay. Der Versuch, sich diesem geheimnisvollen Wesen auf eine andere Weise zu nähern. Tatsächlich ist dessen Durst nach Leben und sein Streben nach dem Erfassen desselbigen in jeder Szene spürbar.

Gerade weil das kaleidoskopische Werk des amerikanischen Regisseurs Brett Morgan im Grunde eine Suche ist, nach dem kreativen Geist und den Überzeugungen eines aussergewöhnlichen Menschen, kommt ihm, dem gleichfalls ewig Suchenden, dieser Film wohl am nächsten. Es fühlt sich so an, als könne Bowie hier seine Seele voll entfalten und letztendlich auch Gott in allem finden.  


David Bowie im Farbenrausch | © Universal Pictures International Switzerland
22. September 2022 | 17:30
Lesezeit: ca. 3 Min.
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