Christian Cebulj, Theologische Hochschule Chur
Kommentar

Kommunionvorbereitung bringt zwei Glaubensgruppen zutage

Die Erstkommunion ist ein wichtiger Tag in der religiösen Sozialisation der Kinder. Doch seine Wirkung ist unterschiedlich nachhaltig. Da gebe es die «Pilger» und die «Konvertiten», schreibt Christian Cebulj in seinem Kommentar.

Christian Cebulj*

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Die Volkskirche lebt weiter

In der Rubrik «Feiern mit Kindern» gibt es auch Auskünfte zu den Stichwörtern Taufe, Erstkommunion, Ostern und Advent. Die Webseite zeigt, dass die Erstkommunion für katholische Familien ebenso fest im Lebenslauf ihrer Kinder verankert ist wie das Schwimmabzeichen oder der Schulanfang.

Ministrantinnen und Ministranten sowie Erstkommunikanten unterwegs zur Prozession
Ministrantinnen und Ministranten sowie Erstkommunikanten unterwegs zur Prozession

Wer heute an einem Weissen Sonntag durch die Pfarreien geht, findet daher zahlreiche Beweise, dass die Volkskirche punktuell weiterlebt: scharenweise Kinder, überfüllte Kirchen, elegant gekleidete Familien, üppiger Blumenschmuck und festliche Musik. So sieht eine vitale Kirche aus, könnte man meinen. Und teilweise stimmt das auch.

Erstkommunion als Erfolgsgeschichte

Die Evaluationsstudie «Werte – Religion – Glaubenskommunikation» hat vor einigen Jahren ergeben, dass die Erstkommunion für die religiöse Sozialisation und Entwicklung in der Kindheitsphase katholischer Kinder eine sehr grosse Bedeutung hat. Die monatelange katechetische Vorbereitung wird von allen Beteiligten viel Zeit und Engagement gestaltet. Der Kommunionweg ist neben dem Religionsunterricht das mit Abstand grösste Feld religiöser Bildung in den Bistümern der Deutschschweiz, ist also rein quantitativ eine Erfolgsgeschichte.

Katechetin und Erstkommunion-Bub geben einander ein Zeichen des Friedens.
Katechetin und Erstkommunion-Bub geben einander ein Zeichen des Friedens.

Um die qualitative Frage zu beantworten, welche nachhaltigen Wirkungen für die beteiligten Eltern und Kinder von der Erstkommunion ausgehen, gibt die genannte Studie eine differenzierte Antwort: In allen drei Dimensionen der Religiosität (Wissen, Emotion, Praxis) lassen sich positive Effekte der Erstkommunionkatechese nachweisen.

«Religiöser Leistungssport»

Freilich liegen die Kommentare von Familien am Tag nach dem Weissen Sonntag oft meilenweit auseinander: Während die einen sagen «Eigentlich schade, dass es jetzt vorbei ist. Die Kinder waren top motiviert, jetzt müsste es grade so weitergehen», kommentieren die anderen: «Gott sei Dank hat dieser religiöse Leistungssport ein Ende. Länger als ein halbes Jahr hätten wir so ein mega anstrengendes Programm nicht durchgehalten.»

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An diesen Zitaten werden zwei Gruppen sichtbar, die die französische Religionssoziologin Danièle Hervieu-Leger die «Pilger» und die «Konvertiten» nennt. Die «Pilger» gehen nur ein Stück des Weges mit ihrer Kirche, ihnen genügt ein loser Kontakt. Die «Konvertiten» wollen mehr, sie führen ein intensives religiöses Familienleben und waren der Kommunionkatechese oft schon ein Stück voraus.

Heimat für beide Gruppen

Nach Hervieu-Leger hat unsere Kirche die Aufgabe, beiden Gruppen eine Heimat zu bieten. Manche «Pilger»-Familien sieht die Pfarrei nach dem Weissen Sonntag erst an Weihnachten wieder, spätestens bei der Firmvorbereitung. Die Kinder der «Konvertiten» gehen zu den Ministranten oder zur Jubla oder singen im Kinderchor, sie wollen eben mehr. Auch wenn deshalb Zerreissproben vorprogrammiert sind: Wir sind und bleiben eine Kirche aus Pilgern und Konvertiten. Und das ist gut so.    

*Christian Cebulj ist Professor für Religionspädagogik und Katechetik an der Theologischen Hochschule Chur.    


Christian Cebulj, Theologische Hochschule Chur | © Vera Rüttimann
8. April 2024 | 14:30
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