Bischof Joseph Maria Bonnemain predigt in Thalwil Barmherzigkeit
Schweiz

Knatsch in Chur: Worum geht es beim hierarchischen Rekurs?

Reine Formsache oder Grundlegendes? Rom hat einem hierarchischen Rekurs aus Chur stattgegeben. Das zwingt Bischof Joseph Maria Bonnemain dazu, seine Änderungen der Statuten des Priesterrats zu widerrufen. Eine Erklärung – auch für Nicht-Kirchenrechtsexpertinnen und -experten.

Magdalena Thiele

Es geht beim momentanen Knatsch im Bistum Chur um die Zusammensetzung des Priesterrats. Ein Gremium, auch «Senat des Bischofs» genannt, das nach dem Kirchenrecht Codex Iuris Canonici (CIC) dazu berufen ist, den Bischof bei der Bistumsleitung zu beraten und zu unterstützen. Jede Diözese muss einen solchen Priesterrat einberufen und eigene Statuten erlassen. Das geschah auch im Bistum Chur.

Das Kirchenrecht (Codex Iuris Canonici, Cic) hinter roten Buchdeckeln.
Das Kirchenrecht (Codex Iuris Canonici, Cic) hinter roten Buchdeckeln.

Bischof Joseph Maria Bonnemain nahm nach zehn Monaten im Amt Änderungen dieser Statuten vor. Das führte zu Streit unter den Priesterratsmitgliedern. Konkret geht es um die Wahl der Priesterrats-Mitglieder: Laut CIC muss die Hälfte der Mitglieder direkt von allen Priestern des Bistums gewählt werden. Bonnemains Statutenänderung veranlasste, dass die Dekane des Bistums qua Amt dem Priesterrat angehören sollen. Demzufolge blieben nur noch zwei der insgesamt 30 Sitze im Priesterrat, die direkt in den Priesterrat gewählt wurden.

Rekurs in Rom

Dagegen legten die Priester Martin Grichting, Roland Graf und Matthias Hauser beim zuständigen Dikasterium in Rom einen sogenannten hierarchischen Rekurs ein, «vergleichbar mit einer Verwaltungsbeschwerde», erklärt Thomas Lichtleitner, Leiter der Geschäftsstelle des Offizialates im Bistum Chur.

Ex-Generalvikar Martin Grichting.
Ex-Generalvikar Martin Grichting.

«Wir hatten angenommen, dass aufgrund der Tatsache, dass die Dekane entsprechend gewählt werden, dem Demokratieanspruch, den Canon 495 formuliert, Genüge getan sei», erklärt Lichtleitner die Entscheidung Bonnemains. «Die neuen Statuten sollten eine zusätzliche Wahl unnötig machen.» Schon unter Bischof Amédée Grab, der von 1998 bis 2007 Bischof von Chur war, sei in ähnlicher Weise verfahren worden.

Ziel war mehr Synodalität

Dessen Nachfolger und Bonnemains Vorgänger, Vitus Huonder, hatte diese Praxis damals in Rom hinterfragen lassen. So geht es aus dem aktuellen Entscheid des Dikasteriums für den Klerus hervor. Mit dem Ergebnis: Die Praxis verstösst gegen das geltende Kirchenrecht. Die von Vitus Huonder daraufhin erlassenen Statuten sahen vor: Die einzelnen Dekanate sind als Wahlkreise für den Priesterrat zu betrachten. Das Wahlrecht wurde jedoch fortan auf die Priester beschränkt.

Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur.
Vitus Huonder, emeritierter Bischof von Chur.

Der grosse Unterschied zwischen Huonders und Bonnemains Statuten: Huonders Version gab den Priestern der Dekanate mehr Einfluss auf die Zusammensetzung des Priesterrats. Die Bonnemain’schen Statuten hatten mit der automatischen Übernahme der Dekane im Priesterrat den Laien ein indirektes Wahlrecht verschafft. Schliesslich werden die Dekane auch von Nicht-Geweihten gewählt. Mehr Synodalität sei das Ziel gewesen, sagt Thomas Lichtleitner.

Keine Legitimationsgrundlage

Genau daran entzündete sich die Kritik der drei Beschwerdeführer. Und Rom gab ihnen recht: Aktives und passives Wahlrecht besitzen einzig die Priester. Diözesanbischof Joseph Maria Bonnemain werde deshalb damit beauftragt, neue Statuten zu erlassen, die den kanonischen Vorgaben entsprechen, heisst es im Entscheid des Dikasteriums für den Klerus.

Bonnemain selbst hat von der Möglichkeit, innert 60 Tagen Widerspruch einzulegen, nicht Gebrauch gemacht. Das heisst: Das Wahlrecht wechselt zurück auf die Huonder-Statuten.

Aktuell offen ist, was dies für die Entscheidungen bedeutet, die Bischof Joseph Maria Bonnemain getroffen und an denen der Priesterrat beratend mitgewirkt hat. Wenn es nach Grichting, Graf und Hauser geht, müssen auch diese widerrufen werden. Ein widerrechtlich berufenes Gremium könne keine Legitimationsgrundlage sein, argumentieren sie in einem Schreiben, das an die etwa 40 Priester im Bistum Chur verschickt wurde, die dem als konservativ geltendem Churer Priesterkreis angehören.

Änderungen rückgängig machen?

Die Beschwerdeführer fordern, dass bedeutsame Entscheidungen, an denen der Priesterrat mitgewirkt hat, widerrufen werden. Etwa das vergangene Woche vorgestellte Pastoralkonzept des Bistums oder auch die neuen Berufsbezeichnungen Seelsorger statt Pastoralassistent oder Theologin statt Laientheologin. Ebenso wird der Verhaltenskodex genannt und die Handreichung für eine synodale Kirche.

Auf welche kirchenrechtliche Norm dieses Verlangen gestützt wird, ist dem Schreiben allerdings nicht zu entnehmen. Canon 500 CIC stellt zunächst klar, dass der Bischof die Zustimmung des Priesterrats nur in ausdrücklich genannten Fällen benötigt und ansonsten unabhängig von dessen Votum entscheiden kann.

«Eine pauschale Annullation aller bisherigen getroffenen Entscheidungen ist keine zwingende Rechtsfolge», kommentiert Kirchenrechtler Lichtleitner.

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Bischof Joseph Maria Bonnemain predigt in Thalwil Barmherzigkeit | © Regula Pfeifer
12. Februar 2024 | 17:00
Lesezeit: ca. 3 Min.
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