Alexander Bayer und Chor
Schweiz

Kirchenmusik heute: Experimentell, lautmalerisch, innovativ

Zürich, 29.5.16 (kath.ch) Mit Orgel, Schlagzeug, Stimm- und Video-Performances zeigten fünf Künstlergruppen, wie vielfältig moderne Kirchenmusik sein kann. Das Preisträgerkonzert des Wettbewerbs «Klang und Gloria» am Samstagabend, 28 Mai, an der Zürcher Hochschule der Künste (ZhdK) beeindruckte durch eine grosse Bandbreite in Stil, Klang und Ausdrucksform.  Die ZHdK hatte den Wettbewerb Ende Oktober gemeinsam mit der römisch-katholischen und der evangelisch-reformierten Kirche im Kanton Zürich lanciert.

Sylvia Stam

Die Aufgabe, eines von vier bestehenden Kirchenliedern neu zu vertonen sowie einen von vier Texten künstlerisch umzusetzen, lösten die Künstlerinnen und Künstler auffallend unterschiedlich: Neben klassischen Popsongs, professionell mit Band und Videoclip vorgetragen, standen Performances, die nahezu wortlos mit Orgel und lautmalerisch eingesetzter Stimme oder Schlaginstrumenten experimentierten. Die Jury zeigte dabei den Mut, sowohl das Vertraute wie das Innovative zu würdigen. Dabei war die Aufführung Teil der Aufgabe. Bewertet wurden die Einsendungen in den Kategorien Performance (Aufführung) und Kreation.

Als eigentlicher Sieger mit dem 1. Preis in der Kategorie Kreation und dem 2. in der Kategorie Performance ging Léo Collin aus dem Wettbewerb hervor. Während das erste Stück durch seine Schlichtheit bestach – Bruchstücke des Kirchenliedes wurden zu Orgelspiel gesungen und gesummt – folgte als zweites Werk eine komplexe, aber in ihrer Botschaft dennoch klare Video- und Licht-Performance über ein Friedensgebet. Die Suche nach Frieden stehe im Zentrum, so die Jury, und sie finde hie und da Halt in den Klängen der Orgel.

«Zumutung im besten Sinn»

Dass Performance und Kreation nicht immer leicht zu trennen sind, zeigte vor allem die Komposition von Michal Muggli, die von Flurina Muggli (Orgel) und Madeleine Merz (Stimme) vorgetragen wurde. Als «ausgesprochen eigene, schlüssige Komposition» würdigte die Jury das Werk (2. Preis Kreation), das «eine Zumutung im besten Sinn» sei, wie Jury-Mitglied Meinrad Furrer, katholischer Seelsorger in der Predigerkirche Zürich, die schwer zugänglichen lautmalerischen Klänge und Silben auf den Punkt brachte.

Die wortlose Performance von Orgel (Zrinka Durut) und einer ungeheuren Anzahl an Schlaginstrumenten (Robert Mark) überzeugte die Jury durch ihren Klang und das fein aufeinander abgestimmte Zusammenspiel. Dass Religion dabei nur am Rande Thema war, wertete die Jury positiv als Einladung auch für kirchenferne Menschen. (3. Preis Performance)

Körper als Klanginstrument

Angesichts solch experimenteller Vielfalt stellte sich unweigerlich die Frage, was weiter mit diesen Kunstwerken geschehen wird. «Ziel des Wettbewerbs war es, kreativ mit Musik umzugehen und nicht etwa, neue Lieder für ein Kirchgesangsbuch zu schreiben», erklärte Kerstin Lenz, Kommunikationsbeauftragte der Katholischen Kirche im Kanton Zürich, gegenüber kath.ch. Geplant seien allfällige weitere Aufführungen der Finalisten. Dass die Werke auch von anderen als den Künstlerinnen und Künstlern selbst aufgeführt werden können, darf jedoch zumindest bei einem Teil der Werke bezweifelt werden.

Leichter zugänglich und deutlich näher bei der kirchlichen Praxis waren die beiden Gruppen, deren Kompositionen in den Bereich der Popularmusik gehörten. Mit Humor und Charme machte Alexander Bayer gleich das Publikum selbst zu einem Klanginstrument und nahm damit den Text des Liedes – Mach mich zu einem Werkzeug des Friedens – symbolisch vorweg. Das Publikum liess sich mitreissen, zischte rhythmisch Laute, klatschte und klopfte mit den Händen auf den Körper. (3. Platz Kreation)

«Marktgerechtes Arrangement»

In Anbetracht der klanglichen Experimente der anderen Gruppen überraschte der 1. Preis in der Kategorie Performance: Manuela Gagliotta (Gesang) und Tino Mostak (Gitarre) gaben zusammen mit der Band MaryLu zwei klassische Popsongs zum Besten. «Professionelle Performance», wie die Jury zu Recht festhielt, aber auch «marktgerechte Arrangements.» Im zweiten Beitrag wurde der poppig gesungene Psalm auf witzige und kindergerechte Art im Videoclip ins Bild gesetzt.

Der Wettbewerb hatte zum Ziel sichtbar zu machen, dass Kirchenmusik als interessantes Tätigkeitsfeld für Musiker sein kann. Die kirchenmusikalischen Studiengänge der ZhdK werden der von der römisch-katholischen und der reformierten Kirche im Kanton Zürich unterstützt. Ob dieses Ziel erreicht wurde, bleibt vorderhand offen. Klar aber hat der Wettbewerb gezeigt, dass religiöse Texte auch heute noch Künstlerinnen und Künstler zu äusserst innovativen und experimentellen Ausdrucksformen anzuregen vermögen. (sys)

Volksmusik, Jazz, Avantgarde – Grosse Bandbreite bei Kirchenmusikwettbewerb

Neue Kirchenmusik gesucht – Zürcher Kirchen lancieren Wettbewerb

Alexander Bayer und Chor | © 2016 Valentina Minnig
29. Mai 2016 | 10:48
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