Ein katholischer Priester segnet ein homosexuelles Paar.
Schweiz

Keine Richtlinien zum «Segen für alle»: Bistümer vertrauen Seelsorgenden

Priester und Seelsorgende in der Schweiz dürfen homosexuelle und unverheiratete Paare segnen – Rom erlaubt dies seit kurzem. Eine Handreichung zum entsprechenden Vatikan-Papier sei unnötig, finden die Schweizer Diözesen. «Priester sind kompetent genug und kennen die Lehre der katholischen Kirche», sagt etwa der Sprecher des Bistums Sitten Paul Martone.

Barbara Ludwig

Die Schweizer Bistümer planen keine spezielle Handreichung, um Seelsorgenden die Umsetzung des Vatikan-Papiers «Fiducia supplicans» zu erleichtern. Das zeigt eine Umfrage von kath.ch. Die Erklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre vom 18. Dezember vergangenen Jahres erlaubt es katholischen Seelsorgenden, gleichgeschlechtliche, unverheiratete und zivil wiederverheiratete Paare zu segnen. Dabei müssen sie darauf achten, dass der Akt der Segnung nicht mit dem Ehesakrament verwechselt werden kann.

«Seelsorgerinnen und Seelsorger handeln pastoral verantwortlich.»

Barbara Melzl, Kommunikationsverantwortliche Bistum Basel

«Situationen, in denen nach einem Segen gefragt wird, werden sich voneinander unterscheiden. Seelsorgerinnen und Seelsorger können damit umgehen», erklärt Barbara Melzl, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Basel, den Verzicht auf diözesane Richtlinien. «Sie handeln pastoral verantwortlich.»

Melzl betont, dass es sich um einen seelsorglichen Weg handle, den man mit Paaren gehe. Es gehöre zu den «schönsten Aufgaben in der Seelsorge, Menschen in ihrer Suche, ihrem Ringen, ihrer Entwicklung zu begleiten und mit ihnen gemeinsam zu entdecken, was Gott von ihnen erwartet – und ihnen schenkt».

Regenbogenpastoral im Bistum Basel

Mit dem Arbeitskreis Regenpastoral sei man im Bistum Basel seit einigen Jahren in diesen Fragen gut aufgestellt, fügt sie hinzu. Dieser Arbeitskreis steht für eine Seelsorge, die Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen sowie deren Angehörige, Freundinnen und Freunde willkommen heisst.

Das Bistum Lausanne, Genf und Freiburg sieht ebenfalls keine diözesanen Richtlinien vor. Wie Barbara Melzl erklärt auch Laure-Christine Grandjean den Verzicht darauf mit den Situationen, die unterschiedlich seien. Es liege in der Verantwortung des einzelnen Seelsorgers, so gut wie möglich damit umzugehen, so die Kommunikationsverantwortliche des Westschweizer Bistums.

Laure-Christine Grandjean an einer Medienkonferenz des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg.
Laure-Christine Grandjean an einer Medienkonferenz des Bistums Lausanne, Genf und Freiburg.

In St. Gallen heisst es, man habe immer wieder Material für Segensfeiern verbreitet oder darauf hingewiesen. Etwa auf die Broschüre der Arbeitsgemeinschaft für katholische Familienbildung in Bonn mit dem Titel «Die Feier des Segens für Paare». Auch die eigene Fachstelle Partnerschaft, Ehe und Familie gebe immer wieder Ideen und Material weiter, teilt Isabella Awad mit.

Vertrauen in die Seelsorgenden

Eine spezielle Handreichung zur Segnung homosexueller Paare sei indes nicht geplant. «Wir vertrauen unseren Seelsorgenden, dass sie mit den unterschiedlichen Anliegen, Wünschen und Situationen verantwortungsvoll umgehen können», so die Mitarbeiterin der Kommunikationsabteilung im Bistum St. Gallen.

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Ähnlich tönt es im Bistum Sitten. Sprecher Paul Martone verweist auf seine Stellungnahme im «Walliser Boten» vom 21. Dezember vergangenen Jahres. Auch sie zeugt vom Vertrauen der Bistumsleitung zur Basis: «Darüber zu entscheiden, wie die Segnung denn nun durchgeführt werde, liegt in der Kompetenz des jeweiligen Priesters.» Das Bistum werde keine Hilfestellung dazu zur Verfügung stellen. «Priester brauchen diese nicht, sie sind kompetent genug und kennen die Lehre der katholischen Kirche», sagte Paul Martone gegenüber der Zeitung.

Paul Martone ist Mediensprecher des Bistums Sitten.
Paul Martone ist Mediensprecher des Bistums Sitten.

Eine Handreichung würde zudem den Zielen von «Fiducia supplicans» und auch der Presseerklärung des Dikasteriums für die Glaubenslehre vom 4. Januar zuwider laufen, ist der Sprecher überzeugt. Gemäss dem Vatikan-Papier solle es für homosexuelle Paare «keine formelle oder rituelle Segnung geben, sondern einen einfachen pastoralen Segen, der jedem einzelnen gespendet wird», schreibt Paul Martone an kath.ch und gibt zu bedenken: Eine Handreichung könnte «als formelle Ritualisierung des Segens missdeutet werden».

Vorgehen ungeeignet

Auch das Bistum Chur will keine Handreichung ausarbeiten. Laut Nicole Büchel, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Chur, heisst es in der Erklärung «Fiducia supplicans» explizit, ein solches Vorgehen sei ungeeignet. «Wir sind überzeugt, dass «Fiducia supplicans» ausreichend Hinweise und Erläuterungen enthält, damit die Seelsorgenden gemäss diesem Schreiben handeln können», teilt Nicole Büchel mit.

Nicole Büchel, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Chur.
Nicole Büchel, Kommunikationsverantwortliche des Bistums Chur.

Ihr Kollege im Tessin, Luca Montagner, nimmt Bezug auf die Medienmitteilung des Vatikans zu «Fiducia supplicans» vom 4. Januar, mit der Rom auf den Widerstand der Gegner reagierte. «Das zweite und klärende Schreiben des Präfekten des Dikasteriums für die Glaubenslehre hat die Umsetzung umfassend erklärt und ist bekannt genug, um zusätzliche Kommentare zu erübrigen», hält der Sprecher der Diözese Lugano fest.

Aufgabe der Bischofskonferenz?

Paul Martone vom Bistum Sitten findet es zudem grundsätzlich nicht sinnvoll, würde jedes Bistum eine eigene Hilfestellung erarbeiten. Sondern: «Dies wäre, falls überhaupt, die Aufgabe der Bischofskonferenz.» Deren Präsidium wird sich voraussichtlich am 29. Januar mit der Thematik befassen. Das teilt Sebastian Schafer vom Kommunikationsdienst der Schweizer Bischofskonferenz (SBK) auf Anfrage mit. «Wann eine Stellungnahme zu diesem Thema veröffentlicht wird, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht abschliessend sagen.»

Meinrad Furrer beim "Segen für alle" – hier ein lesbisches Paar.
Meinrad Furrer beim "Segen für alle" – hier ein lesbisches Paar.

Die Schweizer Bischöfe haben «Fiducia supplicans» allerdings bereits im Dezember begrüsst. «Die Entscheidung entspricht dem Wunsch der Schweizer Bischöfe nach einer offenen Kirche, welche Menschen in unterschiedlichen Beziehungssituationen ernst nimmt, achtet und begleitet», hiess es in einem Statement der SBK.


Ein katholischer Priester segnet ein homosexuelles Paar. | © KNA
18. Januar 2024 | 17:05
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